Belgische Malinois werden weltweit (hier in Bosnien-Herzegowina) von Sicherheitskräften als Diensthunde eingesetzt. Zwei Tiere dieser Rasse starben im Sommer in Obhut eines niederösterreichischen Polizisten.

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Korneuburg – "Ich wusste, dass meine ganze Existenz zerstört war durch meine Verantwortung", schildert Angeklagter D. seine Erkenntnis, als er am 18. August im Bezirk Hollabrunn vier tote Hunde im Auto sah. Der 34-jährige Polizist hatte seinen Diensthund und den seiner damaligen Freundin, ebenso Beamtin, sowie die beiden privaten Tiere getötet, indem er sie zu lange im heißen Wagen ließ. Deshalb sitzt der Unbescholtene nun mit einer Anklage wegen Tierquälerei im Landesgericht Korneuburg vor Richter Martin Bodner. Einer Anklage, zu der D. sich trotz seiner Erkenntnis nicht schuldig bekennt.

"Sie waren Diensthundeführer?", will der Richter vom Angeklagten zunächst wissen. "Es war immer mein Traum", sagt D. dazu. Ende 2022 hätte sich sogar seinen Traum erfüllt, in der bundesweiten Ausbildung der exekutiven Hundeführerinnen und -führer tätig werden zu können. Stattdessen werden er und seine Ex-Freundin seit dem Vorfall im Sommer an anderer Position im Polizeidienst eingesetzt.

Symptome für Überhitzung bekannt

"Wissen Sie, was zu tun ist, wenn einem Hund zu heiß ist?", fragt Bodner weiter. D. weiß es, da er bei einem privaten Hund den Beginn eines Kreislaufkollapses bereits einmal erlebt hatte. Hecheln, ein überstreckter Kopf und schwankende Bewegungen seien klare Symptome für eine Überhitzung, weiß er.

Am Morgen des Tattages habe sich seine Partnerin krank gefühlt, er unternahm daher den gut 20-minütigen Morgenauslauf mit Hunter, Ares, Dakota und Axel, Malinois und Deutsche Schäferhunde im Alter von zwei bis sieben Jahren. Nachdem er die Tiere wieder in ihre Zwinger gebracht hatte, fuhr er Einkaufen und in ein Fitnesscenter. Gegen 11.45 Uhr kam er wieder heim und beschloss, mit den Hunden eine Runde zu joggen. "Wir wollten am Abend zu einer Geburtstagsparty gehen, daher sollten die Hunde müde sein. Wir hatten schon Beschwerden von Nachbarn, da die Hunde am Abend bellten, das wollten wir vermeiden."

Rund zwei Minuten dauerte die Fahrt zum Startpunkt der Laufrunde, die also gegen Mittag startete. "Es hat sich nicht heiß angefühlt", beteuert der Angeklagte, geplant war eine Route, die 40 bis 45 Minuten in Anspruch genommen hätte. Nach einem Anstieg veränderte sich seine Temperaturwahrnehmung: "Ich hatte plötzlich die Empfindung, dass es so warm ist", beschreibt er die 28 bis 31 Grad Celsius, die es damals im Weinviertel hatte.

Laufrunde wegen Hitze verkürzt

D. beschloss, die Laufrunde auf 20 bis 25 Minuten zu verkürzen. Auf dem Weg retour zum Wagen hätten die beiden Privathunde einen Hasen gesehen und seien diesem mehrere Minuten lang in ein Maisfeld hinterhergejagt. Sie kamen schließlich außer Atem zurück, und er sei weitergelaufen. "Plötzlich ging es dem Schäferhund meiner Ex-Freundin absolut nicht gut", erinnert sich der 34-Jährige. Bei ihm habe Panik eingesetzt, als er die Symptome für Überhitzung bei dem Tier bemerkte. "Ich habe dann versucht, zügig nach Hause zu kommen", ein Stück des Weges trug er den Hund sogar.

Kurz bevor er seinen Wagen erreichte, begannen seine Füße zu Kribbeln, und er begann Blitze vor den Augen zu sehen – Symptome für das Versagen seines eigenen Kreislaufs. D. kann auch den Bericht seiner Hausärztin vorlegen, wonach der Angeklagte am 31. Mai bei einer Blutabnahme kollabiert sei, kurz bewusstlos wurde und dann fast 45 Minuten lang nur einen Puls von 32 Schlägen pro Minute hatte und de facto bewegungsunfähig war.

Auf Wiese munter geworden

"Ich wollte so schnell wie möglich heimfahren", begründet der Angeklagte, warum er die vier Hunde im aufgeheizten Auto verstaute und sofort losfuhr. Auch zwei der anderen Hunde begannen plötzlich krampfhaft zu hecheln, registrierte er noch. Warum er die Fenster nicht öffnete, kann er nicht erklären, er frage sich das seit damals auch ständig, gibt er zu. Zwei Minuten später habe er den Wohnsitz erreicht, sei ausgestiegen – und müsse dann zusammengebrochen sein. "Ich wollte Hilfe holen, dann wurde ich auf der Wiese munter. Ich war desorientiert und habe die Augen wieder geschlossen, um weiter zu rasten. In dem Moment habe ich nicht mehr an die Hunde gedacht."

Schlussendlich schaffte er es, sich aufzurappeln und zum Auto zu gehen. Dort öffnete er den Kofferraum – und entdeckte die ersten beiden toten Tiere. Seine Ex-Freundin bestätigt als Zeugin, dass sie im Haus einen verzweifelten Schrei von D. hörte. Als sie nachschaute, sei er benommen vor dem Kofferraum gelegen. "Was ist passiert? Was ist passiert?", habe ihn seine Partnerin gefragt, weiß D. noch, ebenso seine Antwort: "Ich habe die Hunde umgebracht."

"Angst um meinen Job"

Die Freundin rief um 13.09 ihren Vater an und berichtete diesem aufgebracht vom Vorfall, D. selbst erreichte um 13.24 Uhr einen Vorgesetzten und telefonierte danach mit einem befreundeten Tierarzt. In diesen Gesprächen berichtete er jedoch nichts von seiner eigenen Ohnmacht, machte allerdings auf seine Gesprächspartner einen aufgebrachten, verwirrten Eindruck. Auf Nachfrage gibt der Angeklagte zu, die eigenen gesundheitlichen Probleme verschwiegen zu haben, da er fürchtete, dann für den Polizeidienst nicht mehr geeignet zu sein. "Ich hatte Angst um meinen Job", hält D. fest. Zwei weitere derartige Anfälle habe er seit damals erlitten, körperliche Ursachen konnten bisher nicht eruiert werden.

Der angerufene Tierarzt sagt als Zeuge aus, dass ihm der Angeklagte nur erzählt habe, die Tiere seien nach der Laufrunde verendet. "Für mich war klar, dass das eine Geschichte war." – "Warum war Ihnen das klar?", bohrt Richter Bodner nach. "Alle Tiere waren körperlich fit, Sie bringen keinen Hund um, wenn Sie 20 Minuten bei 30 Grad laufen", ist der Zeuge sich sicher. Wie lange es in einem heißen Auto dauert, bis die Hunde an einem Hitzschlag sterben, könne man nicht pauschal beantworten, 15 bis 20 Minuten könnten aber durchaus reichen.

Vorhandenes Zeitfenster

Da das im vom Bodner ausgearbeiteten Zeit-Weg-Diagramm jener Zeitraum ist, in dem D. tatsächlich reglos gewesen sein könnte, überlässt der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer dem Richter die Beweiswürdigung. "So unvernünftig es ist, was der Angeklagte gemacht hat, ist es dennoch möglich", gesteht der Ankläger zu.

Bodner glaubt das und spricht D. rechtskräftig vom Vorwurf der Tierquälerei frei. "Es ist ein Vorsatzdelikt, und da wir Belege haben, dass der Angeklagte davor und danach solche medizinischen Probleme hat, ist der Tatbestand nicht erfüllt", begründet der Richter seine Entscheidung. (Michael Möseneder, 1.2.2023)