Doch keine überraschende Betriebsratswahl in der ORF-Generaldirektion.

Foto: APA / Roland Schlager

Wien – Es klang nach einem Überraschungscoup des Betriebsratsvorsitzenden in der ORF-Generaldirektion: Ein Jahr vor dem regulären Termin für die Betriebsratswahl in der ORF-Generaldirektion ließ er über die vorzeitige Auflösung der Personalvertretung abstimmen und rief Neuwahlen aus, bevor sich mit dem Newsroom neu hinzugekommene, hunderte Journalistinnen und Journalisten des ORF zu neuen Listen formieren konnten.

Doch der Coup war offenbar nicht präzise genug vorbereitet: Dienstagabend teilte dieser Betriebsratschef Konrad Mitschka in internen Mails mit, dass die für 8. März angesetzte Betriebsratswahl nun doch nicht stattfinde. Der Betriebsrat der Generaldirektion werde – wie ursprünglich geplant – Anfang 2024 gewählt. Er entschuldigte sich nach STANDARD-Infos bei Kolleginnen und Kollegen in der Generaldirektion dafür, dass er sie wegen einer ihm unbekannten "Formalie" falsch informiert habe.

Diese "Formalie" liegt im Arbeitsverfassungsgesetz unter Paragraf 68. Dort steht unter Ziffer 3 wörtlich: "Der Beschluss über den Rücktritt des Betriebsrates bedarf der Mehrheit der Stimmen aller Betriebsratsmitglieder." Nach STANDARD-Informationen stimmten in der von Mitschka einberufenen Betriebsratssitzung vorige Woche drei von sechs Mitgliedern für die Auflösung, zwei dagegen, und ein Mitglied – offenbar von Mitschkas Betriebsratsliste – enthielt sich. In diesem Fall senkt die Enthaltung nicht das nötige Quorum (wie etwa im ORF-Stiftungsrat), die Mehrheit aller Mitglieder beginnt also mit vier von sechs.

In einem internen Mail erklärte Mitschka die vorgezogene Neuwahl mit drohenden Sparmaßnahmen und Verhandlungen darüber mit der Geschäftsführung.

Warum ist das wesentlich?

  • Mit dem neuen, Mitte 2022 in Betrieb genommenen ORF-Newsroom für TV, Radio und Online sind hunderte Journalistinnen und Journalisten aus den Betriebsratsbereichen TV, Radio und Online in die Generaldirektion übersiedelt.
  • Die bisher eher mittelgroße Generaldirektion dürfte damit zu einem der mandatsstärksten Betriebsratsbereiche im ORF nach der ORF-Technik werden.
  • Die Betriebsratsbereiche bestimmen über den ORF-Zentralbetriebsrat die Besetzung von fünf der 35 Mandate im ORF-Stiftungsrat – jenem Gremium, das etwa ORF-Generaldirektoren und -direktorinnen bestellt. Diese fünf Mandate im Stiftungsrat stimmen laut geltendem ORF-Gesetz gleichberechtigt über das Management ab.
  • Im ORF kursieren derzeit Gerüchte, ORF-General Roland Weißmann könnte doch eine Informationsdirektion einrichten wollen (was formal nicht so einfach zu bewerkstelligen ist). Wenn zuvor der Betriebsrat in der Generaldirektion neu gewählt hätte, könnte der gewählte Betriebsrat für eine Funktionsperiode bestellt bleiben, auch wenn die Information wieder aus der Generaldirektion herausgelöst würde.

Neuer Zentralbetriebsratsobmann

Zur Betriebsratssitzung über die vorzeitige Auflösung der Personalvertretung in der Generaldirektion rief Mitschka unmittelbar vor einer Sitzung des Zentralbetriebsrats. Dort wurde vorige Woche ein neuer Vorsitzender gewählt. Der bisherige Vorsitzende, Journalist Stefan Jung, noch auf einem Mandat der TV-Direktion, ging mit Februar in Pension.

Das Vorschlagsrecht hatte der von Gerhard Berti geführte Technikbetriebsrat. Technikbetriebsrat Werner Ertl, ebenfalls ein Sozialdemokrat, wurde – nach STANDARD-Infos einstimmig – zum neuen Zentralbetriebsratsobmann des ORF bestellt. (Harald Fidler, 1.2.2023)