Pamela Anderson mit ihrem Sohn Brandon Thomas Lee in der Netflix-Doku "Pamela: Eine Liebesgeschichte".

Foto: Netflix

Ein in der Netflix-Doku "Pamela: Eine Liebesgeschichte" gezeigtes Familienfoto gemeinsam mit ihrem Sohn Brandon Thomas Lee.

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Mit 14 Titelgeschichten im US-amerikanischen "Playboy" und neun Coverstorys der deutschen Ausgabe hält Pamela Anderson den wahrscheinlich für ewige Zeiten bestehenden Rekord als berühmtestes aller "Playmates". Während der 1990er-Jahre wurde keine Frau häufiger im Internet gesucht. Damals durfte man das Wort "Sexbombe" noch ungestraft schreiben. Im Angloamerikanischen klingt die immer noch verwendete Formulierung "blonde bombshell" etwas weniger verfänglich.

Im Gegensatz zu anderen Heldinnen des speziell für heutige Silberrücken auch wegen seiner tollen Reisereportagen und Fahrzeugtests interessanten, nach einer kurzlebigen US-Automarke der Nachkriegsjahre benannten Magazins hatte Pamela Anderson allerdings mehr aufzuweisen als ihre Konkurrenz. Laut einem Geburtstagsständchen in ihrem Leib- und Magenblatt anlässlich ihres 55. Geburtstags im Juli des vergangenen Jahres sprachen zwar auch die nackten Tatsachen eindeutig für sie. Pamela Anderson dazu in einem Interview: "Meine Brüste hatten eine fabelhafte Karriere − ich bin einfach immer nur mitgetrottet."

Rock 'n' Roll und wilde Männer

Allerdings hatte die in einer Kleinstadt in Kanada aufgewachsene Frau auch Stil zu bieten, jenen des Rock 'n' Roll. Die sexuell verschwitzten und verklemmten 1950er-Jahre feierten zwar noch in den 1990er-Jahren fröhliche Urständ. Mit Pamela Anderson wurde es allerdings auch salonfähig, nicht immer nur Banker, Börsenmanager oder Multimillionäre in den Hafen der Ehe zu führen. Nun konnte man daheim in der Villa in Los Angeles endlich auch einmal Party mit ganzkörpertätowierten Rockmusikern machen, ohne dass damit gleich die Karriere im züchtigen Nacktgewerbe eines Hugh Hefner gekübelt worden wäre.

Parallelen mit Prince Harry zu ziehen ist erlaubt: Pamela Anderson hat nicht nur gerade ihre Memoiren in Buchform veröffentlicht. "Love, Pamela" ist beim renommierten US-Verlag Harper Collins erschienen. Ergänzend dazu will auch Anderson in einer nun angelaufenen Netflix-Doku namens "Pamela: Eine Liebesgeschichte" ihr öffentliches Bild und vor allem die öffentliche Meinung über sie zurechtrücken. Allerdings sind in "Pamela" definitiv mehr schlimme F-Wörter als bei der Konkurrenz aus dem Hochadel zu hören.

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Offensichtlich werden dabei die Hintergrundinformationen zu ihrem Leben und Werk so wie auch bei Prinz Harry in der Netflix-Doku "Harry & Meghan" und dazugehörig in dessen Autobiografie "Reserve/Spare" häppchenweise verteilt. Wie auch beim königlichen britischen Kollegen wurde ihr Leben von früh an recht ausführlich dokumentiert.

Anderson führt anhand zahlreicher Tagebücher, VHS-Kassetten und anderer filmischer Dokumente durch ein Leben, das nicht nur dank "Playboy" ein öffentliches gewesen ist. Kunstvoll ungeschminkt und mit zerzaustem Haar in Jeans und T-Shirt erzählt das Mädchen von nebenan 2023 auch von einer harten Jugend, Missbrauch und Vergewaltigung, einer Fehlgeburt, beruflichen Demütigungen und einem Weg, der sie von einer Bierwerbung über die Busenzeitung bis einschließlich 1997 zur Bademeisterin in der damals global heftig einschlagenden Fernsehserie "Baywatch" von und mit David Hasselhoff führte.

Dank ihrer Neigung zu verhaltensauffälligen und sittlich wenig gefestigten Männern wie den Rockstars Tommy Lee, dem Schlagzeuger der US-Haareschön-Metalband Mötley Crüe, einer Liaison mit Redneck-Rapper Kid Rock und diversen Ehen (eine davon wurde aktuell während der Dreharbeiten zur Doku geschieden) weisen die knapp zwei Stunden auf Netflix auch einen gewissen Mehrwert im Vergleich mit den Klagegesängen des gefallenen britischen Prinzen auf.

Der Skandal um das "Sex-Tape"

Nach den zünftigen Memoiren von Tommy Lee und seinen Bandkollegen im offenherzigen Oral-History-Band "Mötley Crüe – The Dirt. Confessions of the World's Most Notorious Rock Band" (2001), einem dazugehörigen Netflix-Spielfilm namens "The Dirt" (2019) und der zwiespältigen Biopic-Dramedy-Serie "Pam & Tommy" (2022) will Anderson unter anderem darüber erzählen, wie traumatisch sie den Skandal um ihr berüchtigtes und 1996 illegal ins Netz gestelltes und überhaupt als erstes weltweit viral gegangenes "Sex-Tape" erlebte. Das privat aufgenommene Video wurde damals von einem Handwerker im Haus gestohlen und zeigt sie beim Sex mit Tommy Lee. Danach war die Karriere erst einmal hinüber. Sie will sich jetzt ihr Narrativ zurückerobern, das sie spätestens ab Ende der 1990er-Jahre auf ihren Körper reduzierte.

In späteren Jahren engagierte sich Veganerin Anderson unter anderem in der Tierschutzorganisation Peta. Während ihrer Jahre im europäischen Exil setzte sie sich für afrikanische Flüchtlinge oder kapitalismuskritisch für die Gelbwesten in Frankreich ein – und sie hat als Opfer diverser Übergriffe im Unterhaltungsgeschäft etwas zum Thema #MeToo zu sagen. Das kann dann allerdings auch wieder zu einem Shitstorm von feministischer Seite führen, obwohl sich Anderson selbst als Feministin versteht.

So richtig in den Menschen Pamela Anderson kann man am Ende der Doku allerdings auch weiterhin nicht hineinblicken. Gut inszeniert und manchmal erhellend, erweist sich dieser versuchte Befreiungsschlag einer Frau, der oft übel mitgespielt wurde, die aber deshalb nie weinerlich oder verbittert geworden ist, im Vergleich zu vielen anderen Bekenntnissen von Hollywoodstars aber trotzdem. Wer hat schon jemals ein ehemaliges Playmate beim Mähen des Rasens hinter dem Elternhaus daheim in Kanada erlebt? (Christian Schachinger, 1.2.2023)