"Ich wollte nicht der Fade sein, der sich zurückzieht", rechtfertigt Z. sein Vergehen am Mittwoch im Innsbrucker Landesgericht. Z. muss sich wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz vor dem Schwurgericht verantworten. Der seit Anfang November suspendierte Berufssoldat hatte ab dem Frühjahr 2020 seinem Vorgesetzten über einen Zeitraum von rund eineinhalb Jahren kommentarlos insgesamt 14 einschlägige Bilder geschickt.

Richterin Helga Moser beschreibt die Bilder. Auf einem seien zwei Hände zu sehen: Eine zum Hitlergruß ausgestreckte, weiße Hand, darunter eine zur Faust geballte schwarze. Versehen ist das Ganze mit der Bildunterschrift: "Paper beats Rock" – zu Deutsch: Papier schlägt Stein. Oder ein Abbild von Adolf Hitler mit dem Untertitel "Lord Völkermord". Seinem Vorgesetzten hätten diese Bilder gefallen, sagt Z..

Er selbst habe die Abbildungen nicht "witzig" gefunden, beteuert der Angeklagte. "Ich bin das nicht", sagt der unbescholtene 30-Jährige. Vor den Geschworenen beschreibt er sich selbst als "dienstlich korrekt und militärisch streng". Zuletzt sei er unter anderem für die Ausbildung der Rekruten zuständig gewesen.

Einschlägiges Bildmaterial aus Whatsapp-Gruppe

Besagte Nachrichten habe er in einer Zeit an K. gesendet, in der sie "intensiver zusammengearbeitet" hätten. Teils auf dessen Wunsch, gezwungen habe der Vorgesetzte ihn nicht. Er hätte sich auch widersetzen können, räumt Z. ein. Das erste Bild leitete er im März 2020 – offenbar im Beisein seines Vorgesetzten – weiter. Erhalten habe er das Bildmaterial über eine Whatsapp-Gruppe, in der im Zuge einer Ausbildung zunächst die Kursunterlagen, und dann einschlägig propagandistische Bilder geteilt worden seien – "immer mehr und immer gröbere", wie Z. zu Protokoll gibt. Um die 15 Soldaten habe die Gruppe umfasst.

Ein ehemaliger Berufssoldat musste sich am Mittwoch wegen des Verstoßes gegen das Verbotsgesetz vor dem Innsbrucker Landesgericht verantworten.
Foto: Ernst Weingartner/imago

Doch es sind nicht nur Bilder aus ebenjener Gruppe, mit denen Z. bei seinem Vorgesetzten punkten wollte. Im Juni 2020 malte er im Beisein seines damals fünfjährigen Kindes ein Hakenkreuz in ein Paillettenkissen, machte ein Foto davon und schickte es an K.. Das Symbol habe er "danach sofort wieder weggewischt", betont Z.. "Um das zu verstehen, muss man K. kennen", entgegnet der 30-Jährige auf die Frage der prozessführenden Richterin Helga Moser, wie er denn auf diese Idee gekommen sei. K. sei "eine starke Persönlichkeit", genieße einen "hohen Stellenwert". Er selbst habe nach Aufmerksamkeit geheischt. Die Frage, ob sein Vorgesetzter "rechtsextrem angehaucht" sei, bejaht der Angeklagte.

Vom Verbotsgesetz "noch nie etwas gehört"

Z. bekennt sich zwar zum Versand der Bilder schuldig, leugnet aber, dass er damit den Nationalsozialismus verharmlosen oder verherrlichen wollte. Die Staatsanwältin erinnert in ihrem Eröffnungsplädoyer, dass der im Raum stehende Paragraf 3g Verbotsgesetz 1947 "sämtliches Wiederaufkeimen von nationalsozialistischem Gedankengut" unterbinden soll. Wenn durch die Verbreitung "auch nur die Gefahr besteht, nationalsozialistisches Gedankengut zu propagieren", reiche das aus, um jemanden für schuldig zu befinden, erklärt die Staatsanwältin den acht anwesenden Geschworenen die "objektive Tatseite". Die "subjektive Tatseite" beziehe sich hingegen auf die Absicht des Angeklagten. Und hier reiche "ein bedingter Vorsatz" aus.

"Allgemein", wisse er, dass das Versenden solcher Bilder verboten ist, sagt Z. Genauere Gedanken habe er sich allerdings erst im Februar des Vorjahres gemacht. Damals rückte sein Vorgesetzter ins Visier der Verfassungsschützer. Z. löschte daraufhin die Nachrichten an den Verdächtigen. Im Zuge der Ermittlungen stießen die Beamten aber auf den Chatverlauf mit Z.. Anfang Oktober klingelte die Polizei, am 8. November wird Z. schließlich des Dienstes enthoben. Vom Verbotsgesetz habe er "noch nie etwas gehört", sagt der ehemalige Berufssoldat am Mittwoch vor Gericht.

Politische Sager und Liederbücher

Dass sein Mandant den "tatsächlichen Vorsatz sich wiederzubetätigen" gehegt hat, stellt auch sein Verteidiger Albert Heiss gleich zu Beginn des Prozesses in Abrede. Der Angeklagte habe sich zwar schuldig bekannt "in dem Sinn, dass er die Bilder verschickt habe" – er habe damit aber keine nationalsozialistische Propaganda verbreiten wollen. Man müsse das seinem Mandaten Vorgeworfene in Relation sehen, so Heiss sinngemäß. Zur Untermalung seiner Verteidigungslinie führt er ein Zitat des damaligen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider ins Treffen. Jener lobte im Juni 1991 die "Beschäftigungspolitik" im "Dritten Reich". Haider sei damit "ungestraft und nicht geahndet" davongekommen, sagt Heiss.

Der Verteidiger führte einschlägige politische Sager – etwa vom ehemaligen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider – ins Treffen. Haider sei "ungestraft und nicht geahndet" davongekommen.
Foto: imago

Auch in seinem Schlussplädoyer verweist der Verteidiger auf die jüngere Polit-Geschichte und zitiert aus dem Liederbuch der pennalen Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, Seite 182: "Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ,Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.‘" Die Ermittlungsverfahren gegen die Pennälerschaft und ihre Funktionäre wurde eingestellt. "Herausgekommen ist nichts", fasst Heiss zusammen.

Blieben öffentlichkeitswirksame Fälle wie die Liederbuchaffäre ohne strafrechtliche Konsequenzen, so sende man die "Botschaft, dass bestimmte Dinge eben schon gehen", merkt der Rechtsextremismusforscher Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) im Gespräch mit dem STANDARD an. Das sei "unerfreulich" und "das Gegenteil von dem, was man Generalprävention nennt". Gleichzeitig könne man allerdings selbstverständlich niemanden rechtlich belangen, wenn die "nach Bestimmungen des Gesetzes notwendigen Voraussetzungen" nicht gegeben seien. Abgesehen davon hätten auch politische Konsequenzen Signalwirkung, betont Weidinger. "Parteien können auch diesseits der strafrechtlichen Relevanz Grenzen des Akzeptablen ziehen." Unterließen sie dies, befördere dies die Normalisierung von Rechtsextremismus.

Geschworene befinden Ex-Berufssoldaten für schuldig

Konsequenzen gibt es im Falle des 30-jährigen Tirolers. Die Laienrichterinnen und -richter sind sich in Innsbruck nach rund zweistündiger Stunden Beratung einig: Z. ist schuldig. Der 30-Jährige wird zu 18 Monaten bedingter Freiheitstrafe und einer Geldbuße von 1440 Euro verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Strafrahmen für das ihm zur Last gelegte Vergehen beträgt ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe, in Fällen von "besonderer Gefährlichkeit des Täters" sind es bis zu 20 Jahre. Seine Unbescholtenheit habe sich "mildernd" auf das Urteil ausgewirkt, erklärt Richterin Moser. "Erschwerend" legt sie ihm hingegen den Umstand zur Last, dass es sich um "14 Verbrechen" handle und er diese über einen langen Zeitraum hinweg begangen habe.

Vorgesetzter Anfang März vor Gericht

Z. wird sich schon bald wieder im Innsbrucker Landesgericht einfinden. Am 3. März steht nämlich sein ehemaliger Vorgesetzter vor Gericht. Ihm und einer weiteren Person wird vorgeworfen, zwischen Jänner und Mai 2019 in der Zugskanzlei im Rahmen ihrer Dienstverrichtung gegen das Verbotsgesetz verstoßen zu haben, teilt die Sprecherin des Landesgerichts, Birgit Fink, dem STANDARD mit. So sollen sie Parolen wie "Sieg Heil" oder "Guten Morgen mein Führer" von sich gegeben, und sich mit dem Hitlergruß begrüßt haben. Einer habe ein Soldbuch der Wehrmacht in der Brusttasche seiner Uniform mit sich geführt und es als seine "Dienstvorschrift" bezeichnet. Zur Schau gestellt seien unter anderem außerdem eine Reichsmarkmünze oder die Hochzeitsausgabe von "Mein Kampf". geworden Z. ist zu diesem Prozess als Zeuge geladen.

Im Bundesheer herrsche eine "Null-Toleranz"-Politik, was rechtsnationale Gesinnungen betreffe, sagt Sprecher Michael Bauer.
Foto: Daniel Trippolt/BMLV

Hat das österreichische Bundesheer ein Problem mit Rechtsextremismus?

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) hielt in einem Interview mit der deutschen Zeitung "Die Welt" im Juli 2021 "rechte Umtriebe" beim Bundesheer für "nahezu unmöglich" und verwies auf "zahlreiche Sicherheitsnetze". "Das, was wir machen, ist viel, glaube ich", sagt Bundesheersprecher Michael Bauer dem STANDARD am Mittwoch. Er verweist auf eine Kooperation mit dem Mauthausen Komitee und auf Staatsbildung im Rahmen des Grundwehrdienstes. Im letzten Jahr sei es lediglich zu "drei bis vier Fällen gekommen". Es herrsche eine "Null-Toleranz-Politik", versichert Bauer. Natürlich sei "ein Fall einer zu viel". Man könne "den Leuten das allerdings auch nicht ins Hirn dreschen". Das Bundesheer sei mit seinen rund 55.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eben ein "repräsentativer Grundschnitt durch die österreichische Gesellschaft". (Maria Retter, 1.2.2023)