Die U-Kommission nimmt die von der Stadt Wien genehmigte Milliardenunterstützung unter die Lupe.

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Wien – Im Wiener Rathaus hat am Mittwoch eine weitere Sitzung der Untersuchungskommission zur Wien Energie stattgefunden. Befragt wurde dabei zunächst der Geschäftsführer der Stadtwerke, Generaldirektor Martin Krajcsir. Er berichtete, dass man die Stadt ursprünglich um einen deutlich höheren "Schutzschirm" für das Unternehmen ersucht hat. Der Wunsch nach einem Kredit über zwei Milliarden Euro fand im Rathaus aber kein Gehör.

Krajcsir ist im Konzern vor allem für Finanzen und Mobilität – also etwa die Wiener Linien – zuständig, wie er erläuterte. Mit den Vorgängen auf den Energiemärkten ist er laut eigenen Angaben ab dem Überfall Russlands auf die Ukraine intensiver befasst worden. Austausch dazu habe es etwa mit dem zuständigen Stadtrat Peter Hanke (SPÖ) und dem Finanzdirektor, dem nunmehrigen Magistratsdirektor Dietmar Griebler, gegeben.

Erste Anfrage an die Stadt Wien schon im März

Zunächst habe man die für Sicherheitsleistungen nötigen Gelder noch im Konzern selbst aufbringen können, also über das sogenannte Cashpooling – laut Krajcsir ein weitverbreitetes Instrument in strukturierten Konzernen. Auch Kreditlinien bei Banken seien aufgenommen worden. Man verfüge über eine gute Bonität, dadurch habe es einen "durchaus ordentlichen Aktionsradius" bei Fremdfinanzierungen gegeben, wie Krajcsir betonte.

Schon nach Ausbruch des Krieges habe er im März aber auch beim Finanzdirektor angefragt, ob er bereit wäre, die Wiener Stadtwerke bei der Liquiditätssicherung zu unterstützen, erzählte er. Als zu Beginn des Sommers eine Reduktion der Gasliefermenge durch Russland im Raum stand, habe man dann entschieden, dass man nichts riskieren wolle. Es folgte das Ersuchen um einen "Schutzschirm" an die Stadt.

700 Millionen statt zwei Milliarden

Am 8. Juli telefonierte Krajcsir laut eigenen Angaben wieder mit Griebler – der zu diesem Zeitpunkt bereits zum Magistratsdirektor bestellt worden war. Er habe ihm gesagt, dass man es für notwendig halte, ein Schutzschild einzurichten. Auch den Entwurf eines möglichen Antrages formulierte man im Konzern, als eine Art Service für die Finanzverwaltung, wie der Stadtwerke-Chef ausführte.

Dort entsprach man dem Wunsch aber offenbar nicht vollinhaltlich: "Wir haben im Entwurf zwei Milliarden Euro angesetzt, der Akt wurde genehmigt mit 700 Millionen Euro." Wie genau das gekommen sei, wisse er nicht, sagte Krajcsir. Er sei zum Zeitpunkt der Gespräche auf Urlaub gewesen, die Verhandlungen mit der Stadt habe Generaldirektorstellvertreter Peter Weinelt geführt. "Da sind die 700 Millionen Euro dann herausgekommen." Allerdings sei vermerkt worden, dass auch weitere Beträge gewährt werden könnten, falls nötig. Letztendlich wurde von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) tatsächlich via Notkompetenz noch einmal ein Darlehen in dieser Höhe auf Schiene gebracht.

Warum man zwei Milliarden beantragt habe, erläuterte der Zeuge so: Er habe keine "konkreten Berechnungen" angestellt. Aber Expertenschätzungen und die Situation in Sachen Finanzierungsmöglichkeiten hätten in den Überlegungen eine Rolle gespielt. "Ich habe versucht, einen Betrag zu nennen, der so hoch ist, dass er eine Schutzschirmwirkung entfaltet."

Vor der Sitzung mit dem Bund Ende August habe es dann "extreme Marktverwerfungen" gegeben. Ziel sei es gewesen, bei der Zusammenkunft für die gesamte Branche etwas zu erreichen, also die Schaffung von Vorsorgeinstrumenten. "Das hat sich dann stark auf die Wien Energie fokussiert", resümierte der Stadtwerke-Chef die damalige Sitzung im Bundeskanzleramt.

Ludwig Anfang Juli informiert

Nach Krajscir stand Magistratsdirektor Griebler Rede und Antwort. Er war nicht nur als Finanzdirektor und Chef des Magistrats mit der Causa befasst, er ist auch Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke.

Griebler gab darüber Auskunft, wann er den Bürgermeister darüber informiert hat, dass die Stadtwerke beziehungsweise die Wien Energie tatsächlich daran dachten, einen Kredit der Stadt zu beantragen. Das soll am 8. Juli unmittelbar nach dem bereits genannten Telefonat zwischen Griebler und dem Stadtwerke-Chef gewesen sein. Nach diesem Gespräch habe Griebler auch den Bürgermeister am Rande einer Veranstaltung informiert.

Wenige Tage später sei er dann von einem Mitarbeiter der Finanzabteilung MA 5 informiert worden, dass die "Abstimmungsgespräche" zwischen den Stadtwerken und der MA 5 zum Abschluss gebracht worden seien. Schließlich habe er den Antrag samt Beilagen erhalten, wobei er noch ersucht habe, den Verfassungsdienst mit der Frage zu beschäftigten, erzählte Griebler.

Erste Tranche Mitte Juli freigegeben

Der Magistratsdirektor übermittelte den Kreditrahmenvertrag über 700 Millionen Euro in weiterer Folge an den Bürgermeister. Dieser habe das Geschäftsstück am 15. Juli unterzeichnet und damit die erste Tranche freigegeben, erläuterte der Magistratsdirektor. Mit wem der Bürgermeister noch über die Angelegenheit gesprochen habe, könne er nicht sagen, versicherte er.

Die U-Kommission soll die Vorgänge rund um die von Stadt und Bund gewährte Milliardenunterstützung für den Energieversorger unter die Lupe nehmen. Beantragt haben das Gremium ÖVP und FPÖ. Die Wien Energie musste für den Börsenhandel mit Strom und Gas infolge der Preissprünge hohe Sicherheitsleistungen hinterlegen und konnte diese ab dem Sommer nicht mehr aus eigener Kraft aufbringen.

Der Liquiditätsengpass und die beiden Notkredite des Bürgermeisters wurden Ende August publik, als auch diese 1,4 Milliarden Euro knapp wurden. In der Folge gewährte der Bund über die Bundesfinanzierungsagentur weitere zwei Milliarden Euro. Letztere wurden nicht in Anspruch genommen, betonte Krajcsir. Auch das Geld der Stadt sei bereits zurückgezahlt worden, hielt er fest. (red, APA 1.2.2023)