Beim postviralen Fatigue-Syndrom fällt es den Betroffenen häufig schwer den normalen Alltag zu bewältigen.

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Long Covid hat viele Gesichter. Derzeit sind bis zu 200 verschiedene Symptome bekannt, die einzeln oder auch gemeinsam auftreten können. Darunter fallen etwa Konzentrationsschwierigkeiten, Herzrhythmusstörungen, Kurzatmigkeit, Schlafstörungen oder Depressionen. Oft wird auch vom postviralen Fatigue-Syndrom berichtet. Betroffene sind dauerhaft erschöpft, viele alltägliche Dinge, wie Zähneputzen oder Essenkochen, sind für sie kaum noch machbar.

Ähnlich erging es auch der Fotografin Martina Siebenhandl aus Wien. Sie erkrankte im Februar 2022 an Corona. "Ich hatte zwar keinen schweren Verlauf, habe mich aber sechs Tage so schlecht gefühlt, dass ich im Bett bleiben musste." Und auch danach erholte sich die 45-Jährige nicht wirklich von der Infektion. Sie erzählt: "Obwohl ich sehr sportlich bin, konnte ich zwei Monate überhaupt keinen Sport machen. Als ich dann endlich wieder mal ins Fitnessstudio ging und ganz gemütlich am Fahrrad trainierte, fühlte ich mich danach so, als wäre die Krankheit zurückgekehrt. Wieder habe ich drei Tage im Bett verbringen müssen." Ab dann begann die Abwärtsspirale. Von Woche zu Woche wurde es schlimmer, bis sie im Herbst Ihren Hausarzt aufsuchte. "Er machte ein Blutbild, aber mein Werte lagen alle im Normalbereich. Er wusste nicht, wie er mir helfen konnte", berichtet die Fotografin.

Darmsanierung inklusive Entgiftung

Also suchte sie weitere Ärzte auf, bekam verschiedene Nahrungsergänzungsmittel verschrieben. Tatsächlich ging es danach etwas bergauf. So schaffte sie es zumindest vormittags, ein paar Stunden am Computer zu arbeiten – was bis dahin überhaupt nicht möglich war. Aber kaum setzte sie die Vitamine ab, verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand wieder merklich. Siebenhandl sagt: "Ich war wirklich am Ende. Eines Morgens ging es mir so schlecht, dass ich den Duschkopf kaum noch halten konnte und nicht mehr wusste, wie ich es aus der Duschen schaffen sollte. Das war mein absoluter Tiefpunkt." Auf Facebook schilderte sie ihre Situation, in der Hoffnung, dass ihr irgendjemand helfen könnte. Daraufhin meldete sich Elisabeth Krippl, Fachärztin für Innere Medizin aus Wien, bei ihr.

Nach einer ausführlichen Anamnese inklusive Blutuntersuchung stellte Krippl eine individuelle Therapie für die Wienerin zusammen. Sie bestand unter anderem aus einer Darmsanierung, Entgiftung, Lymphdrainagen, Schröpfmassagen, verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln und Schonkost. Krippl erklärt: "Eine Darmsanierung ist wichtig, denn wir haben in unserem Darm das sogenannte Mikrobiom. Das ist eine Vielzahl an Bakterien und Mikroben, die unseren Darm besiedeln und wichtig für Stoffwechsel, Immunsystem und Wohlbefinden sind. Bei meinem Konzept geht es zum einen darum, den Körper zu entgiften, also alle Schadstoffe auszuleiten, und zum anderen wird der Stoffwechsel wieder reguliert, leere Nährstoffspeicher aufgefüllt und das Mikrobiom wieder gestärkt."

Zu Beginn der Kur nahm Martina Siebenhandl nur flüssige Nahrung zu sich. Dazu gab es jeden Tag Bittersalz, um den Darm zu entleeren und die Entgiftung in Gang zu setzen. Verschiedene Präparate mit Vitaminen und Spurenelementen sollten Nährstoffmängel beheben. Nach ein paar Tagen durfte sie dann zu leichter und basischer Schonkost wechseln. Siebenhandl schildert: "Es war wirklich nicht leicht, diese sechswöchige Kur durchzuhalten. Zwischendurch war mir einfach nur noch kalt. Aber ich konnte jederzeit bei meiner Ärztin anrufen, und sie gab mir Tipps, wie ich weitermachen und durchhalten kann. Sie war mir eine große Stütze."

Mikrobiom während Covid-Infektion verändert

Dass auch der Darm während und nach einer Covid-Infektion betroffen ist, ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen. Eva Untersmayr-Elsenhuber, Fachärztin für klinische Immunologie an der Med-Uni Wien, erklärt: "Im Darm wurden Rezeptoren gefunden, die das Sars-CoV-2-Virus benötigt, um in die Zellen eindringen zu können." Es findet dort also gute Möglichkeiten, um sich zu vermehren. Eine Studie, die im "Gut Journal" erschienen ist, zeigt, dass sich das Mikrobiom von Patientinnen und Patienten, die an Long-Covid erkrankt sind, nachhaltig verändert. "Bei der Studie wurde das Mikrobiom von Betroffenen im Laufe und nach einer Covid-Infektion mehrmals untersucht. Dabei wurde gezeigt, dass vor allem gute Darmbakterien, die die Nährstoffe für die Darmzellen herstellen, bei Long-Covid-Betroffenen reduziert sind", sagt die Immunologin. Es konnte auch nachverfolgt werden, dass bei Patientinnen und Patienten, die sich nach einer Infektion wieder erholten, das Gleiche auch mit dem Mikrobiom geschah. Bei Long-Covid-Betroffenen blieben die negativen Veränderungen jedoch bestehen.

Das Ungleichgewicht des Mikrobioms während und nach einer Corona-Infektion untersuchte auch eine Placebo-kontrollierte Studie aus England. Die insgesamt 147 Teilnehmenden zeigten eines oder mehrere Long-Covid-Symptome. Eine Gruppe von ihnen bekam verschiedene Prä- und Probiotika und sekundäre Pflanzenstoffe, während die andere Gruppe Placebos erhielt. Es zeigte sich, dass sich Symptome wie Müdigkeit und Husten bei der Nicht-Placebo-Gruppe um das Doppelte bzw. das Dreifache verringerten. Und auch das Gesamtwohlbefinden verbesserte sich in dieser Gruppe merklich.

Stark personalisierte Medizin

Bis aus den vorhandenen Studien klare Therapiemöglichkeiten abgleitet werden können, wird es jedoch noch einige Zeit dauern. Untersmayr-Elsenhuber erklärt: "Es gibt leider noch sehr wenige therapeutische Studien auf diesem Gebiet. Und das hat vor allem den Grund, dass die Betroffenen und ihre Symptome häufig sehr verschieden sind. Eine Infektion mit dem Sars-CoV-2 Virus betrifft sehr viele verschiedene Organe, sodass auch die Symptomatik bei den Betroffenen ganz verschieden ausfällt." Ein weiteres Problem stellt auch die Individualität des Mikrobioms dar. "Mit dem Mikrobiom begeben wir uns sehr stark in die personalisierte Medizin. Darum wird es in den meisten Fällen leider nicht reichen, ein paar Probiotika einzunehmen. Gerade wenn es in Richtung Therapie geht, sind wir noch nicht so weit, dass wir sagen könnten, bestimmte Probiotika oder sekundären Pflanzenstoffe helfen in der jeweiligen Situation allen Patientinnen und Patienten", sagt die Expertin. Einzelberichte seien Ihrer Meinung nach nicht "für alle anwendbar".

Bei Martina Siebenhandl hat die umfangreiche Behandlung sehr gut angeschlagen. Sie berichtet: "Vor Beginn der Kur war ich ein anderer Mensch. Der Unterschied zu jetzt ist einfach enorm. Ich bin zwar noch nicht auf dem Level von vor der Corona-Infektion, aber ich habe zum ersten Mal seither das Gefühl, dass ich auf dem richtigen Weg bin." (Jasmin Altrock, 7.2.2023)