Die MiG-29-Jets der polnischen Luftwaffe sind im Gespräch.

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Die Entwicklung war abzusehen: Kaum hat sich Berlin entschieden, doch Leopard-Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern, lief schon eine Debatte an, ob das von den Russen angegriffene Land nicht auch Kampfflugzeuge bekommen soll. So denkt der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, der früher außen- und sicherheitspolitischer Berater von Angela Merkel war, schon laut über die nächste Stufe nach: "Ich glaube, dass die Lieferung von Kampfjets adäquat ist, um die Ukraine besser zu schützen gegen die Angriffe der Russen."

Und auch Johann Wadepuhl, der Vizechef der Unions-Fraktion im Bundestag, erklärt, zwar sei dies kein Thema, da die Ukraine ja keine offizielle Anfrage gestellt habe. Aber: "Zu der ruhigen Überlegung gehört natürlich auch die Frage, ob wir eine Niederlage der Ukraine in Kauf nehmen wollen." Deutschland verfügt über 85 Tornados und 138 Eurofighter. Verwiesen wird auf die MiG-29 als Option, über die auch die Ukraine verfügt, weshalb ihre Piloten keine Schulung bräuchten. Die deutsche Bundeswehr nutzte nach der Wiedervereinigung einige MiG-29 der DDR. Ende 2002 wurden aber alle verbliebenen 22 MiG-29 an Polen abgegeben. Sollten diese an Kiew weitergegeben werden, müsste Deutschland dies genehmigen – ähnlich wie bei den Leoparden.

Keine Kriegspartei

Befeuert hat die Debatte SPD-Chefin Saskia Esken. Gefragt, ob Deutschland auch bereit sei, Kampfjets zu liefern, antwortete sie nicht mit einem klaren Nein, sondern erklärte: "Es kommt ganz entscheidend darauf an, dass Deutschland und auch die Nato nicht Kriegspartei werden." Deutschland stimme sich jedenfalls eng mit den USA ab.

Scholz will am liebsten gar keine Diskussion in diese Richtung führen und warnt davor, "in einen ständigen Überbietungswettbewerb einzusteigen".

Auch der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) betont: "Kampfflugzeuge sind viel komplexere Systeme als Kampfpanzer und haben eine ganz andere Reichweite und Feuerkraft. Da würden wir uns in Dimensionen vorwagen, vor denen ich aktuell sehr warnen würde."

Macron nennt Bedingung für Lieferung

Anders sieht die Situation derzeit in Frankreich aus: Präsident Emmanuel Macron erwägt zumindest die Möglichkeit einer Kampfjetlieferung. Der Pariser Fernsehsender BFM vermeldete zwar diese Woche, dass bilaterale Gespräche stattfänden. Ein formelles Gesuch aus Kiew liegt aber bisher nicht vor. Und das macht Macron zur Bedingung für jede Lieferung. Des Weiteren machte auch er klar, dass die Übergabe französischer Militärjets an Kiew nicht zu einer "Eskalation" mit Russland führen solle.

Französische Militärs rechnen auf jeden Fall nicht mit der Lieferung von Rafale-Jägern. Diskutiert wird eher über den Einsatz von Mirage 2000. Die französische Armee besitzt noch 113 Exemplare dieser früheren Kampfjetgeneration. Die Ukrainer sind vor allem an der Version 2000-D, weniger an den 2000-5 interessiert. Französische Militärstrategen haben aber gewichtige Einwände. Zum einen dauert die Ausbildung von Militärpiloten bis zu acht Monate. Der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu legt deshalb mehr Wert auf bestehende Hilfsoperationen. So liefert er zwölf zusätzliche Caesar-Haubitzen und Munition für die 155-Millimeter-Geschütze an die Ukraine, wie er am Dienstag bekanntgab. Außerdem bildet Frankreich in Polen ukrainische Soldaten aus.

Dass Macron offen mit dem Gedanken an Jetlieferungen spielt, dürfte andere als militärische Gründe haben: Angesichts der massiven Proteste gegen die geplante Rentenreform will der Präsident seine Autorität in präsidialen Fragen – Macron ist oberster Armeechef – unter Beweis stellen. Und gleichzeitig vergessen machen, dass Frankreich derzeit nicht in der Lage ist, wie Berlin seine besten Kampfpanzer vom Typ Leclerc zu schicken. Gut möglich, dass sich Macron auch sonst von Scholz abgrenzen will. In Paris herrscht wenig Freude darüber, dass sich Scholz in der Panzerfrage lieber mit Washington absprach. (Birgit Baumann aus Berlin, Stefan Brändle aus Paris, 1.2.2023)