Jennifer Fuchsberger macht sich über die Konsumgewohnheiten der Österreicher keine Illusionen. "Alle finden uns kleine Biohändler leiwand und super. Aber wie oft tatsächlich bei uns eingekauft wird, das steht auf einem anderen Blatt." Fuchsberger führt in Krems den Naturkostladen Evi. Seit 40 Jahren hält das Geschäft mit 18 Mitarbeiterinnen und angeschlossenem vegetarischem Restaurant als Pionier der Branche die Stellung.

Rund 340 Millionen Euro wiegen die Bio-Umsätze in Österreichs Fachhandel und Direktvertrieb.
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Die Pandemie ließ die Umsätze kräftig steigen. Die Kremser kochten daheim und legten Wert auf gesunde Ernährung. Seit die hohe Inflation die Budgets vieler Haushalte beschneidet, wird bei Lebensmitteln aber gespart. Die Gewinne aus der Corona-Zeit gingen innerhalb des vergangenen Jahres wieder verloren, zieht Fuchsberger Bilanz. Energiekosten verfünffachten sich. Heuer zeichneten sich Verluste ab. Im Vorjahr musste sie Personal abbauen.

Ausgehen statt selber kochen

Die Leute fuhren wieder in Urlaub, gingen zum Heurigen und auf Feste, erzählt die Biohändlerin. Beim täglichen Einkauf aber werde aufs Geld geschaut. Manch ein Trend in der Krise – vom Brotbacken übers Fermentieren bis zu selbstgemachtem Sushi – habe sich totgelaufen.

Nicht mitziehen könne sie auch bei Kampfpreisen der Supermärkte. "Diskonter verkaufen Biobananen günstiger, als wir sie einkaufen können." Dennoch ist Fuchsberger zuversichtlich, dass der Bioladen ein sozialer Treffpunkt bleiben wird. Denn beim Sortiment hebe man sich mit Spezialitäten ab. Der Kontakt zu Lieferanten sei eng, und für einen Plausch mit Stammkunden finde sich immer Zeit.

Biosupermärkte und Biogreißler sorgen in einem von Handelskonzernen dominierten Markt für Vielfalt und Farbtupfer. Zwei Jahre lang erlebten sie starken Aufwind. Nun kehrt die kleine Branche auf den Boden der Realität zurück. Konsumenten, die zuvor noch in Bioläden gustierten, zieht es in große Lebensmittelketten und Diskonter, die mit Bio ihr Image und Erträge aufbessern. Rabatte haben Hochsaison. Eigenmarken fluten die Regale, vieles davon wurde im Ausland produziert.

Preise für Biolebensmittel sind deutlich geringer gestiegen als jene für konventionelle. Dank weniger synthetischen Düngers, Pestiziden und kürzerer Lieferketten sind diese von fossilen Rohstoffen unabhängiger. Dennoch wurde Bio vielen Haushalten zu teuer.

Denns schließt Filiale

Die Biokette Denns wird am 11. Februar ihre Filiale in Wiener Neustadt schließen, zwei Jahre nach ihrer Eröffnung. Sie habe sich nicht so entwickelt wie erwartet, heißt es auf Nachfrage des STANDARD. Bio leide unter dem Image, kostspieliger zu sein als Konventionelles, auch wenn der Preisabstand sank, erläutert Unternehmenssprecher Lukas Niedoba.

Andere Kaufleute sehen sich gezwungen, zusätzliche Jobs anzunehmen, um ihren Naturkostladen am Leben zu erhalten, berichten Marktkenner. In Deutschland stellte sich der Biosupermarkt Basic unter ein Schutzschirmverfahren. Seine beiden Standorte in Österreich sind von der Insolvenz nicht betroffen.

Mehr Wirte kaufen Bio

Zehn Prozent an Umsatz hat der Biofachhandel 2022 in Österreich eingebüßt, rechnet Horst Moser, Chef des Großhändlers Biogast, vor. Dieser sei zwar nach wie vor um 17 Prozent höher als 2019. Dennoch liefen viele Betriebe Gefahr, Reserven zu verlieren, die sie in den beiden Jahren zuvor aufbauten. Spitze sich die Lage heuer weiter zu, kämen Einzelkämpfer in schlecht frequentierten Lagen hart in die Bredouille.

Mosers Erfahrung: Je größer ein Biohändler sei, je stärker dieser von Laufkundschaft abhänge, desto schwerer habe er es nunmehr. Erheblich robuster seien engagierte kleine Unternehmen an guten Standorten mit viel Beratung und treuen Kunden.

Biogast selbst setzt gut 60 Millionen Euro um, 65 Prozent davon im Fachhandel. Während sich das Geschäft mit Biogreißlern, Reformhäusern und kleinen Supermärkten einbremste, nahmen Aufträge aus der Gastronomie zu, sagt Moser. Spitäler, Caterer und Hoteliers sattelten zusehends auf Biolebensmittel um, da diese preislich erstmals mithalten könnten.

Preisdumping bei Handelsmarken

Mehr Gastwirte beliefert auch Günter Achleitner. Der Vertrieb über den Fachhandel hingegen sinke, bestätigt der Biolandwirt und Großhändler für Obst und Gemüse. Auf hohem Niveau sieht er Biokistln für die Hauszustellung. Den Vormarsch der Bioeigenmarken der Supermärkte beobachtet er mit Sorge. "Hier findet gleiches Preisdumping statt wie bei konventionellen Lebensmitteln."

Für Stefan Maran hat die Bioszene schon vor vielen Jahren falsche Wege eingeschlagen. "Für sie gelten mittlerweile dieselben Gesetze wie im konventionellen Handel." Er selbst verkaufte seine Biomärkte 2011 an Dennree. 2013 eröffneten seine Frau und er in Wien ein veganes Geschäft. Flauer Konsum und hohe Fixkosten machten davor nicht halt. Sechs der 13 Angestellten mussten gehen, bedauert Maran. "Wir haben rechtzeitig reagiert. Um wirtschaftlich durchzukommen, reicht’s. Wir warten jetzt einmal ab."

Salonfähige Veganer

Leiser treten will der mittlerweile 70-jährige Pionier des Biohandels in Wien nicht. "Soll ich Tauben füttern oder die Krone lesen? Nein danke." Seine Frau und er hätten zeitlebens von fünf Uhr früh bis zehn Uhr abends gearbeitet. "Unser Geschäft war unser Hobby. Wir werden auch künftig arbeiten." Nur größere Sprünge wolle er der jüngeren Generation überlassen.

Dass sich Supermarktkonzerne das Geschäft mit veganen Lebensmitteln einverleiben, sieht Maran als Glücksfall. Vegane Ernährung sei damit salonfähig geworden. "Es könnte uns nichts Besseres passieren." Denn nichts sei schlimmer, als mit seinen Ideen allein auf weiter Flur zu stehen und wie bei Bio über lange Zeit als "Körndlfresser und Jutesackträger" abgestempelt zu werden.

Sinnstiftende Arbeit

Zehn Jahre ist es her, dass sich Markus Hubegger und seine Frau in Mödling mit Plan Bio selbstständig machten. Als lokalen Greißler mit Supermarktflair sehen die beiden ihr Geschäft und bedienen täglich gut 400 Kunden. Auf gute Jahre folgen magere, sagt Hubegger. Betriebe wie diesen, in denen viel Herzblut stecke, sperre man aber nicht wie Filialen kurzerhand zu. Menschen, denen gute Lebensmittel und eigenständige Händler wichtig seien, hielten ihnen unbeirrt die Stange. Probleme, Mitarbeiter zu finden, hatten sie noch nie. "Es ist sinnstiftende Arbeit." (Verena Kainrath, 2.2.2023)