Hoher Liquiditätszufluss und viel Geld für Dienstleistungen haben den Gewinn der Moskauer Bank steil ansteigen lassen.


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"Danke, dass Sie sich für uns interessieren", mit diesen Worten begrüßte der Chef der Raiffeisen Bank International (RBI), Johann Strobl, die zahlreichen Medienleute, die am Mittwochvormittag zur Präsentation der vorläufigen 2022er-Zahlen der Großbank gekommen waren, persönlich oder per elektronischer Zuschaltung.

An Interesse für die Bank, die einen Rekordgewinn von 3,6 Milliarden Euro zu vermelden hatte, mangelte es in jüngster Zeit aber sowieso nicht. Dabei geht es in erster Linie um die Tochterbank der RBI in Russland, die prächtig verdient und schon in der Vergangenheit einen erklecklichen Teil zum Gewinn beigesteuert hat. Seit Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine (auch dort ist die RBI mit einer Bank präsent) vor einem Jahr dreht sich alles um die Frage, ob sich das Institut aus dem russischen Markt zurückzieht. Seither prüft man "alle Optionen" bis hin zu einem Rückzug aus dem Land, wie es stets heißt.

Kaufinteressent vorhanden

Um es vorwegzunehmen: Auch am Mittwoch blieb Strobl bei dieser Diktion. Die Prüfung dauere länger, weil der Rückzug einer Bank aus einem Land immer komplex und langwierig sei, im konkreten Fall komme dazu, dass sich die "Rahmenbedingungen ständig ändern". Der Weg, eine Lösung zu finden, sei anspruchsvoller als anderswo. Die RBI habe aber keine präferierte Option, "wir sind noch bei der Analyse", erklärte Strobl auf die zahlreichen Fragen, wie es nun mit der Moskauer Bank weitergehen soll. Interessensbekundungen für den Kauf der Bank gebe es, aus dem Westen kämen die aber nicht. Was einen Verkauf zusätzlich erschwert: Banken können nur mit Genehmigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin verkauft werden.

Ob es moralisch vertretbar sei, in Russland zu bleiben? Einer Antwort auf diese Frage entzog sich Bankchef Strobl: Das Thema könne man lang und breit diskutieren, dazu "bräuchte es aber ein anderes Forum" (als eine Bilanzpressekonferenz), wie er meinte. Gleich zu Beginn des Pressegesprächs hatte Strobl betont, dass man vom Angriffskrieg Russlands "schockiert und tief betroffen" sei, und er hatte den Einsatz der Mitarbeiter in der Ukraine als beeindruckend gelobt.

Cashcow Moskau-Bank

Die Moskauer Bank mit ihren rund 3,2 Millionen Kunden hat ihren Ruf als Cashcow der seit 30 Jahren in Russland aktiven RBI auch im Kriegsjahr 2022 mehr als bestätigt. Von den genannten 3,6 Milliarden Euro Konzerngewinn stammen rund 60 Prozent aus Russland und Belarus, in absoluten Zahlen sind das 2,2 Milliarden Euro. Auf Russland entfallen rund zwei Milliarden Euro, der Gewinn nach Steuern hat sich damit fast vervierfacht. Der Profit der Russland-Tochter muss in Russland bleiben, Dividenden dürfen keine abfließen. Weil sich die Moskauer Bank darauf einstellen müsse, auch ohne RBI zu bestehen, wurde Risiko herausgenommen, so Strobl; das Kreditportfolio wurde um 30 Prozent auf rund neun Milliarden Euro reduziert.

Das Ergebnis fürs Jahr 2022 ist gut ausgefallen, auch die Eigenkapitalquote hat sich erhöht, auf 16 Prozent.

Weniger Kredite, kein Neugeschäft, wie die RBI stets betont, und eine "zukunftsgerichtete Risikovorsorge" von 300 Millionen Euro: Woher kommen dann die hohen Gewinne? Die lukriert man laut Strobl und dem fürs Risiko zuständigen Vorstandsdirektor Hannes Mösenbacher beispielsweise aus einem "enormen" Liquiditätszufluss oder der Aufwertung des Rubel. Den Löwenanteil machten Dienstleistungsgeschäfte aus; die Moskauer Bank ist ja eines der wenigen Institute, die noch im Swift sind und Zahlungsverkehr mit dem Westen abwickeln dürfen. Allein die Zinserträge erreichten 1,5 Milliarden Euro, die Provisionserträge rund zwei Milliarden Euro. Die RBI hat ihre Tochter mit weniger als einer Milliarde Euro in den Büchern stehen, die Bewertung wurde "um einen ordentlichen Betrag verringert".

RBI verdient auch ohne Russland gut

Ohne Russland und Belarus und ohne den Verkaufserlös der bulgarischen Tochter betrug der Gewinn der RBI voriges Jahr 982 Millionen Euro – um rund ein Drittel mehr als im Jahr davor. Das zeige, dass die RBI konzernweit hohe Gewinne erwirtschafte, erklärte Strobl dazu. Die harte Kernkapitalquote stieg auf 16 Prozent. Ob die Aktionäre die geplante Dividende von 80 Cent je Aktie bekommen werden, soll erst beschlossen werden, wenn die strategischen Überlegungen weiter fortgeschritten sind.

In Bezug auf die Sanktionen der Ukraine für die russische Leasinggesellschaft der RBI meinte Strobl, dass sie keinen finanziellen Schaden brächten, weil sich die Leasinggüter wie Lkws, Eisenbahnen oder Privatautos in Russland befinden. Ob man "Kriegshelfer" sei, wie der Vorwurf der Ukraine lautet? "Sicher nicht", antwortete Strobl.

Stichwort sanktioniertes Leasing: RBI-Vorstandsmitglied Peter Lennkh, der im Konzern etwa für Firmenkunden, Unternehmensfinanzierung und fürs internationale Leasinggeschäft verantwortlich ist, wird demnächst seinen Hut nehmen. Er werde heuer 60 Jahre alt und gehe "aus eigenem Wunsch" in Pension, sagte Lennkh auf Anfrage des STANDARD. (Renate Graber, 1.2.2023)