Vier russische Diplomaten müssen Österreich verlassen.

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Wien – Österreich weist erneut vier russische Diplomaten aus. Es geht um den Verdacht der Spionage. Laut einer Aussendung des Außenministeriums haben zwei Diplomaten der russischen Botschaft mit ihrem diplomatischen Status unvereinbare Handlungen gesetzt und sind "zu unerwünschten Personen (Personae non gratae) erklärt" worden. Die Maßnahmen betreffen auch zwei Diplomaten der russischen Ständigen Vertretung bei den Vereinten Nationen. Auch diese hätten mit dem Amtssitzabkommen unvereinbare Handlungen gesetzt, heißt es in der Aussendung.

Die vier russischen Diplomaten müssen demnach binnen einer Woche, also spätestens mit Ablauf des 8. Februars, das Bundesgebiet verlassen. Laut "Kurier" handelt es sich vor allem um "technisches Personal", das durch umfassende Akkreditierungen bei internationalen Organisationen "als äußerst sensibel eingestufte" Informationen erhielt, wie Diplomatenkreise berichten. Österreichs Geheimdienste seien den vier Männern seit Monaten auf der Spur gewesen. Die "Presse" hatte zuvor nur von "hochrangigen Diplomaten" berichtet.

Russland erklärte am Donnerstag, es habe gegen die Maßnahme protestiert und vor "unvermeidlichen reziproken Maßnahmen" gewarnt. Der russische Botschafter in Österreich, Dmitri Ljubinski, berichtete laut der russischen Staatsagentur Tass im russischen Fernsehen, er habe die "unbegründeten Spekulationen" am Mittwoch bei einem Gespräch im Außenministerium zurückgewiesen. Die Entscheidung würde dem Botschafter zufolge Österreichs Position "als neutrale internationale Verhandlungsplattform" beeinträchtigen.

Verstärktes Monitoring von Russen

Das Außenministerium wollte auf STANDARD-Anfrage keine weiteren Informationen zu den vier Russen preisgeben und sagte nur, dass man im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine das Monitoring russischer Diplomaten, wie andere EU-Staaten auch, intensiviert habe.

Zuletzt wies Österreich im April, wenige Wochen nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine, russische Diplomaten aus. Und schon damals habe man klargemacht, dass man sich weitere Maßnahmen vorbehalte, so das Außenministerium. Wien gilt ob seiner zahlreichen internationalen Institutionen vor allem seit der Zeit des Kalten Krieges als internationaler Spionage-Hub.

Im konkreten Fall dürfte es sich um Ausweisungen einzelner Personen, keine Postenstreichungen handeln. Bei Ausweisungen besteht normalerweise die Möglichkeit, diese Posten nachzubesetzen.

Russland kritisierte die Maßnahme als "rein politisch motiviert" und kündigte baldige Gegenmaßnahmen an. Es seien keine Beweise für einen Verstoß gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vorgelegt worden, so der russische Botschafter in Österreich, Dmitri Ljublinski, in einer der APA übermittelten Stellungnahme. Österreich warf er vor, "bewusst unsere einst konstruktiven bilateralen Beziehungen und Dialogkanäle zu Fall zu bringen".

Bezug zur OSZE?

Der Russland-Experte Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck hat am Donnerstagmorgen getwittert, dass er einen Konnex zwischen den Ausweisungen und der internationalen Kritik an der Teilnahme der russischen Delegation am "Wintertreffen" der Parlamentarischen Versammlung der OSZE in Wien vermute. Österreich versuche damit, dem Vorwurf, "russlandfreundlich" zu sein, zu begegnen, so Mangott. DER STANDARD hatte am Dienstagabend über die Verstimmungen in Diplomatenkreisen berichtet, wobei auch der Termin des Treffens pikant ist – fällt er mit dem 24. Februar doch nicht nur mit dem Jahrestag des Überfalls auf die Ukraine zusammen, sondern auch mit dem rechten Akademikerball in der Wiener Hofburg, bei dem zahlreiche russlandfreundliche Politiker quasi Tür an Tür mit den Räumen der OSZE tanzen werden.

Das Außenministerium weist Mangotts Vermutung jedoch entschieden zurück. "Die Visavergabe an russische Parlamentarier ist eine völkerrechtliche Verpflichtung, die aus dem Amtssitzabkommen mit der OSZE erwächst. Die Ausweisung von vier russischen Diplomaten steht damit in keinerlei Zusammenhang. Dabei handelt es sich um einen Schritt, zu dem wir uns veranlasst gesehen haben, um nationale Interessen zu schützen", erklärt das Ministerium.

Österreich ist laut internationalen und diplomatischen Abkommen tatsächlich dazu verpflichtet, für die Zeit der multilateralen Veranstaltung Ausnahmen von den EU-Einreiseverboten zu genehmigen. Dennoch hagelte es von ukrainischer Seite und mehreren ost- und nordeuropäischen Ländern und Diplomaten Kritik.

An Donnerstag folgte ein Protestbrief von 81 Abgeordneten aus 20 Ländern, die Österreich aufforderten, die Teilnahme der russischen Delegation zu verhindern und russischen Vertretern keine Visa auszustellen. Dabei geht es um die am 23. und 24. Februar stattfindende Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien.

Wie viele Russen operieren in Österreich?

Im Verzeichnis des diplomatischen Korps, das vom Außenamt geführt wird, fanden sich mit Stichtag 2. Februar 2023 folgende Angaben: In der Botschaft der russischen Föderation im dritten Wiener Gemeindebezirk sind von Botschafter Dmitri Ljubinski abwärts insgesamt 47 Personen gemeldet. Die Konsularabteilung und die Verteidigungsabteilung der russischen Botschaft sind offiziell mit jeweils zwei Personen besetzt. Fünf weitere Diplomaten sind der zur Botschaft zugehörigen Handelsabteilung im vierten Bezirk zugeordnet. Das Kulturinstitut der russischen Föderation an einer anderen Adresse im vierten Bezirk wird von einer einzigen Person geführt.

Insgesamt sind das 56 russische Diplomaten und eine Diplomatin (als Zweite Botschaftssekretärin). Eine Presseabteilung der Botschaft ist zwar angeführt, dazu gibt es aber keine Angaben zur Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Angaben unterscheiden sich nur leicht von der Personalstruktur der russischen Botschaft vom vergangenen Sommer. Damals nannte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Neos eine Gesamtzahl von 61 Personen, die in Österreich im diplomatischen Dienst der russischen Föderation standen. Die heimische Präsenz an Österreichs Botschaft in Moskau bestand aus 24 Personen mit diplomatischem Status. (faso, simo, red, 2.2.2023)