Journalistinnen und Journalisten haben künftig besseren Zugang zum Grundbuch. Laut einer aktuellen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) dürfen sie in Fällen, in denen das öffentliche Interesse an einer Recherche überwiegt, direkt nach Namen suchen. Das erleichtert die Recherche – zum Beispiel die Suche nach Vermögenswerten von sanktionierten Personen (OGH 5.12.2022, 5 Ob 178/22w).
Anlass des aktuellen Urteils war eine Recherche der Journalisten Michael Nikbakhsh ("Profil") und Martin Thür (ORF). Sie wollten herausfinden, welche Vermögenswerte russische Oligarchen in Österreich besitzen. Das ist zwar theoretisch über das öffentliche Grundbuch möglich, allerdings nur unter schwierigen Voraussetzungen.
Denn grundsätzlich kann man im Grundbuch nicht nach Namen suchen, sondern nur nach Grundstücken. Wer eine Adresse kennt, kann also den Eigentümer eines Grundstücks finden, nicht aber umgekehrt. Ausnahmen von dieser Regel gibt es nur für Personen, die ein "rechtliches Interesse" vorweisen können – etwa Rechtsanwälte oder Notarinnen.
Erfolg in letzter Instanz
Aus Sicht von Thür und Nikbakhsh muss dieses "rechtliche Interesse" aber auch für Journalisten gelten, die im öffentlichen Interesse recherchieren. Sie stellten daher den Antrag, im Grundbuch ebenfalls direkt nach Namen suchen zu dürfen. Sowohl das Bezirksgericht Innere Stadt als auch das Landesgericht Wien wiesen das Ansinnen ab. Der Oberste Gerichtshof hat das in seiner aktuellen Entscheidung nun anders gesehen.
Das Informationsinteresse der Medien und deren Recht auf Zugang zu Informationen seien ein "verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht". Wenn Journalistinnen und Journalisten im öffentlichen Interesse recherchieren, können sie deshalb ein "rechtliches Interesse" daran haben, im Grundbuch nach Namen zu suchen.
Das gilt etwa dann, wenn es um Personen geht, die auf den Sanktionslisten der Europäischen Union stehen. In diesem Fall überwiegt laut OGH "das Interesse der Presse am Erhalt der begehrten Informationen das Recht auf Datenschutz der im Grundbuch eingetragenen, von den EU-Sanktionen erfassten Personen". Schließlich gehe es dabei um die für die öffentliche Diskussion wesentliche Kenntnis, "ob Österreich die Sanktionen (ausreichend) mitträgt".
Erfolgreich war die Recherche inhaltlich aber nicht, wie Thür in einem Blogpost schreibt. Die sanktionierten Personen sind oft nicht direkte Eigentümer der Liegenschaften, sondern greifen auf Familienangehörige oder Strohmänner zurück. Damit scheinen sie auch nicht im Grundbuch auf.
Einschnitt bei Transparenzregister
Für Aufsehen hatte zuletzt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gesorgt, das den öffentlichen Zugang zum Wirtschaftliche-Eigentümer-Register (Wiereg) einschränkte. Das Register soll die wahren Eigentümerinnen und Eigentümer hinter verschachtelten Firmenkonstrukten aufdecken. Bislang hatte jeder gegen eine Gebühr von ein paar Euro Zugang. Künftig gilt das nur noch für Personen, die ein "berechtigtes Interesse" vorweisen können.
Der EuGH hatte jedoch gleich in seinem Urteil klargestellt, dass dieses "berechtigte Interesse" auch bei zivilen Organisationen und bei der Presse gegeben ist. Recherchen dürften trotzdem schwieriger werden. Denn künftig entscheiden Behörden darüber, ob das berechtigte Interesse tatsächlich vorliegt. Im Zweifel müssten Journalistinnen und Journalisten wieder vor Gericht dafür kämpfen. (japf, 2.2.2023)