Johanna Mikl-Leitner schließt eine Zusammenarbeit mit Gottfried Waldhäusl nicht aus – der Proporz zwingt sie jedenfalls dazu, mit ihm gemeinsam zu regieren.

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Landesrat Gottfried Waldhäusl steht zu seiner rassistischen Aussage.

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Mikl-Leitner und Waldhäusl bei einer Landtagssitzung in Niederösterreich 2018.

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St. Pölten – Am vierten Tag nach der Wahl beginnt die niederösterreichische Volkspartei, Fehler einzugestehen – zumindest nach außen hin und ohne diese Fehler zu benennen. Zwar sei die politische Großwetterlage ungünstig für große Parteien, weshalb nun auch die ÖVP in Niederösterreich "gleichauf" mit Parteien wie der CSU in Bayern oder der SPÖ in Wien sei. Das bedeute aber nicht, "dass wir uns einbilden, alles richtig gemacht zu haben", sagte Landesparteiobfrau Johanna Mikl-Leitner am Donnerstag nach einer Sitzung des Landesparteivorstands.

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Um die Fehler zu benennen, brauche es aber eine "ganz genaue Analyse", die derzeit in Arbeit sei. Aktuell liefen Gespräche mit allen anderen Parteien. "Ich sage Ihnen, wir alle können ganz normal miteinander reden", trotz des teils heftig geführten Wahlkampfs. Bis daraus eine mögliche Zusammenarbeit innerhalb der Landesregierung entsteht, werde es aber noch dauern. Die ÖVP braucht erstmals einen Regierungspartner, weil sie die Mehrheit in der Landesregierung verloren hat.

Waldhäusl-Sager "jenseitig"

Mikl-Leitner präsentierte ihr geschrumpftes Regierungsteam: Der ÖVP steht ja gemäß dem Proporzsystem automatisch eine gewisse Anzahl an Regierungsmitgliedern entsprechend ihrer Stärke im Landtag zu. Weil die Partei am Sonntag zehn Prozentpunkte eingebüßt hat, verliert sie zwei Landesräte. Wohnbaulandesrat Martin Eichtinger scheidet damit aus dem Team aus, Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger wird Klubobmann. Die Wirtschaftsagenden will Mikl-Leitner selbst übernehmen.

Auf die rassistischen Sager von Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) gegenüber einer Schülerin angesprochen, sagte Mikl-Leitner: "Was die Aussage betrifft, reicht, glaube ich, ein Wort: jenseitig." Zu einer etwaigen Zusammenarbeit mit Waldhäusl und seiner möglichen weiteren Zuständigkeit für Integration wollte sich die Landeshauptfrau am Donnerstag nicht äußern – es gelte, die Gespräche abzuwarten. Waldhäusl hatte seine Aussage am Donnerstag im Gespräch mit der APA noch bekräftigt, er stehe dazu.

Die Situation zeigt einen der Fallstricke des Proporzsystems auf: Die FPÖ kann in die Landesregierung wählen, wen sie will. Der Landtag hat keinerlei Möglichkeit, ein Regierungsmitglied zu verhindern oder abzuwählen. Die Zuständigkeiten werden per Mehrheitsbeschluss verteilt – auch darüber kann die ÖVP also nicht allein entscheiden (sehr wohl aber könnte sie sich mit der SPÖ einig werden, Waldhäusl die Agenden für Integration und Asyl nicht noch einmal zu überantworten).

Schwierige Koalitionsverhandlungen

Die Gespräche zwischen den Parteien fanden dieser Tage hinter verschlossenen Türen statt. Die tatsächlichen Koalitionsverhandlungen sollen erst Mitte Februar starten. Fix ist, dass der scheidende ÖVP-Klubobmann Klaus Schneeberger und der neue SPÖ-Chef Sven Hergovich ihre Parteien in den Verhandlungen anführen werden. Die Parteien müssen sich neben einem Koalitionspapier auch auf die Aufteilung der Zuständigkeiten einigen. Ein Überblick über den Poker der Ressortaufteilung.

  • Finanzen und Mobilität Ein großes Ressort vereint ÖVP-Landesrat Ludwig Schleritzko hinter sich. Mit Finanzen und Mobilität verwaltet er Budget, Planung und Erhaltung von Straßen sowie den öffentlichen Verkehr. In den Verhandlungen wird die ÖVP das Finanzressort nicht leichtfertig abgeben. Möglich ist eine Trennung, sodass die Volkspartei Mobilität als Kompromiss SPÖ oder FPÖ überlassen könnte. Beim Thema Verkehr hat die ÖVP Schnittstellen mit beiden Parteien. ÖVP und SPÖ wollen die Öffis ausbauen, während sich auch Schwarz und Blau bei Lobautunnel und Marchfelder Schnellstraße einig sind.
  • Bildung und Soziales Kinderbetreuung war zentrales Wahlkampfthema. Allen voran die SPÖ forderte einen ganztägigen Ausbau der Kindergärten, die FPÖ will Eltern bei der Betreuung zu Hause mehr unterstützen. Derzeit verantwortet ÖVP-Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister das Ressort, alle drei Parteien könnten Anspruch darauf erheben.
  • Integration Das Integrationsressort hatte bisher FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl inne. Kritik gab es an ihm nicht erst seit dem fremdenfeindlichen Sager gegenüber einer Schülerin, sondern etwa auch schon wegen des Asylzentrums Drasenhofen. In einer schwarz-roten Koalition könnten die Roten als Bedingung stellen, das Ressort nicht an die FPÖ zu übergeben. Diese fährt aktuell einen besonders radikalen Kurs.
  • Kliniken und Energie Neben Landwirtschaft und Energie umfasst das Ressort von ÖVP-Landesvize Stephan Pernkopf auch die Landeskliniken. Auch seine Themen brennen der SPÖ und FPÖ unter den Fingern und werden Gegenstand intensiver Verhandlungen sein. (Sebastian Fellner, Max Stepan, 2.2.2023)