Die Hölle, das sind die anderen, konstatierte Jean-Paul Sartre einst in seinem bekanntesten Stück "Huis clos". Doch die Wissenschaft widerspricht: Eine Langzeitstudie an Menschen zeigte erst kürzlich, dass es gerade die Gesellschaft anderer ist, die uns letztlich über die Maßen glücklich macht.

Glück ist bei Tieren schwerer zu messen als bei Menschen, die in der Lage sind, Fragebögen auszufüllen. Doch auch Tiere profitieren von den positiven Effekten von Gesellschaft, wie eine nun im Fachjournal "Nature Communications" veröffentlichte Studie zeigt.

Hufeisennasen sind für besondere Langlebigkeit bekannt. Von den sonst ähnlichen Spitzmäusen unterscheiden sie sich unter anderem durch ihre Lebensweise in Gruppen.
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Ein Team von Forschenden aus Peking untersuchte mit Methoden der Genetik die Verwandtschaftsbeziehungen von rund 1.000 Arten von Säugetieren. Dabei zeigte sich, dass ein Zusammenhang zwischen Langlebigkeit und dem Leben in Gruppen besteht.

Zwei oder 200 Jahre

Die Lebensspannen von Säugetieren unterscheiden sich dramatisch. Während Spitzmäuse nur etwa zwei Jahre leben und die Sunda-Riesenratte sogar nur einige Monate, kann der Grönlandwal als Rekordhalter aller Säuger bis zu 200 Jahre alt werden, wovon im Speck gefundene Harpunen historischer Walfänger zeugen. Wale benötigen dafür einige genetische Tricks, um das durch ihre Größe gestiegene Krebsrisiko auszugleichen, mit großem Erfolg, wie es scheint. Doch auch unter verwandten Spezies sind die Unterschiede teils groß. So hat der Nacktmull, ein Verwandter der Spitzmaus und eines der sonderbarsten und offiziell hässlichsten Säugetiere des Planeten, eine Lebenserwartung von etwa 30 Jahren.

Die nun erschienene Studie interessierte sich genau für solche Unterschiede zwischen verwandten Tierarten und versuchte festzustellen, ob es Muster gibt, die auf besondere Langlebigkeit hindeuten. Ein solches dürfte nun gefunden worden sein.

Der Grönlandwal gilt als das langlebigste Säugetier und kann ohne Probleme 200 Jahre alt werden. Früher war er weit verbreitet und wegen seiner langsamen Fortbewegung bei Walfängern ein beliebtes Ziel.
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Die beiden Forschenden Xuming Zhou und Ming Li vom CAS Key Laboratory of Animal Ecology and Conservation Biology interessierten sich besonders für molekulare Mechanismen, die den evolutionären Beziehungen zwischen Sozialität und Langlebigkeit bei Säugetieren zugrunde liegen. Bei der Analyse kurzlebiger und langlebiger Tierarten, zu denen auch der erwähnte Nacktmull und der Grönlandwal zählten, zeigte sich, dass in Gruppen lebende Tiere wie Elefant, Ringelschwanz-Lemur, Bergzebra und Hufeisenfledermaus tendenziell länger leben als allein lebende Tiere wie Dugong, Erdferkel und Erdhörnchen.

Langlebige Hufeisenfledermäuse

Besonders auffällig war der Unterschied bei Spitzmäusen und Hufeisenfledermäusen, die in etwa gleich viel wiegen. Während alleinlebende Spitzmäuse nur zwei Jahre alt werden, leben in Gruppen organisierte Hufeisenfledermäuse bis zu 30 Jahre lang. Die Körpergröße scheint also nicht wesentlich zu sein.

94 der 974 untersuchten Tiere wurden zudem einer genetischen Analyse unterzogen, die 31 Gene, Hormone und mit dem Immunsystem in Verbindung stehende Signalwege identifizierte, die mit sozialer Organisation und Langlebigkeit in Verbindung stehen. Neben den Ergebnissen früherer Forschungen, die feststellten, dass in Gruppen lebende Tiere geringerer Gefahr durch Raubtiere ausgesetzt sind, dürften diese molekularen Faktoren für die Langlebigkeit ausschlaggebend sein.

Wölfe leben in Rudeln und dürften daher einen Vorteil haben, wenn es um Langlebigkeit geht.
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Gesellschaft scheint sich also positiv auf die Lebenserwartung unserer Säugetier-Verwandtschaft auszuwirken. Das deckt sich mit Ergebnissen, die bei Pavianen für einzelne Individuen feststellten, dass soziale Tiere langlebiger sind. Doch auf der Ebene von Tierarten ließ sich der Effekt bisher nicht nachweisen.

Natürlich ist Gesellschaft aber nicht immer von Vorteil. Studien zeigen, dass vor allem der soziale Rang eine Rolle spielt, etwa bei engen Verwandten des Nacktmulls, doch in Summe scheint sich die Beschäftigung mit anderen, mit allen Vor- und Nachteilen, auszuzahlen. (Reinhard Kleindl, 3.2.2023)