Der Verfassungsgerichtshof hatte 2018 entschieden, dass Menschen, deren Geschlecht nicht eindeutig männlich oder weiblich ist, ein Recht auf eine entsprechende Eintragung im Zentralen Personenstandsregister und in Urkunden haben.

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Wien – Das Verwaltungsgericht Wien hat in einer Entscheidung den Geschlechtseintrag "nicht-binär" zugelassen und die Voraussetzungen für eine Änderung des bisherigen Eintrags erleichtert. Bisher war dies nur Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung möglich, die das mit einem Fachgutachten nachweisen konnten – nicht aber Menschen, deren körperliche Geschlechtsmerkmale eindeutig einem binären Geschlecht zugeordnet werden können. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Gegenstand des Verfahrens war ein Bescheid, mit dem eine Berichtigung beziehungsweise Änderung des Eintrags im Zentralen Personenstandsregister (ZPR) abgewiesen wurde. Die klagende Person begründete ihren Antrag damit, dass sie sich als "nicht-binär" identifiziere und sowohl den Eintrag "männlich" als auch "weiblich" als unrichtig empfinde. Unter anderem ergebe sich aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), dass eine Beschränkung der möglichen Geschlechtszuschreibungen auf "männlich" und "weiblich" sowie die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag offen zu lassen, nicht grundrechtskonform sei. Der VfGH hatte 2018 entschieden, dass Menschen, deren Geschlecht nicht eindeutig männlich oder weiblich ist, ein Recht auf eine entsprechende Eintragung im ZRP und in Urkunden haben.

Menschenrechtskonvention grundlegend

Die Behörde argumentierte unter Berufung auf einen Erlass des Innenministeriums damit, dass Änderungen oder Berichtigungen des Geschlechtseintrags nur für Menschen möglich seien, "die eine nachweisbare Variante der Geschlechtsentwicklungen aufweisen, die sich durch eine atypische Entwicklung des chromosomalen, anatomischen oder hormonellen Geschlechts kennzeichnen und wo nicht Transidentität vorliegt (das heißt, jemand, der genetisch oder anatomisch beziehungsweise hormonell eindeutig einem anderen Geschlecht zugewiesen sei, sich dadurch falsch oder unzureichend beschrieben fühlt)".

Die klagende Person empfindet sich laut den Feststellungen des Gerichts seit 2017 als "mittig zwischen männlich und weiblich und ist in dieser geschlechtlichen Identität gefestigt". Es liege "im medizinischen Sinne das klinische Bild der Transidentität, Transsexualismus und sonstigen Störung der Geschlechtsidentität vor". Genaue Abgrenzungen der Fallkonstellationen der Variante der Geschlechtsentwicklung und der Transidentität hielt das Gericht nicht für nötig. Aus dem in der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens ergebe sich, dass Menschen "(nur) jene Geschlechtszuschreibungen durch staatliche Regelung akzeptieren müssen, die ihrer Geschlechtsidentität entsprechen".

Leichtere Abänderung

Die im Herbst erfolgte Änderung des Meldegesetzes, wonach auf Meldezetteln neben "männlich" und "weiblich" auch die Eintragungen "divers", "inter", "offen" und "keine Angabe" möglich sind, habe bisher keine Erleichterungen gebracht, hieß es auf APA-Anfrage aus dem "Verein nicht binär" (Venib). Denn am Meldezettel dürfe man nicht einfach ankreuzen, was man wolle, sondern müsse sich eben an das ZPR halten. Mit der aktuellen Entscheidung könnten die Einträge dort aber nun leichter geändert werden.

Das Erkenntnis habe damit zwei Anliegen auf einmal erledigt: einerseits die leichtere Änderung des Personenstands an sich und andererseits die Einführung der Kategorie "nicht-binär". Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig – das Verwaltungsgericht ließ ein ordentliches Rechtsmittel zu, "weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu vorliegt, ob ... ein Geschlechtseintrag 'nicht-binär' überhaupt ermöglicht und – sollte diese Frage zu bejahen sein – unter welchen sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen ein solcher Geschlechtseintrag erfolgen kann". (APA, 2.2.2023)