Die Tendenz, den rechtlichen Schutz des Wolfes zu schwächen, lehnen Umweltministerin Gewessler und elf ihrer Amtskollegen per Schreiben ab.

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Brüssel – Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und elf EU-Amtskollegen haben sich auf EU-Ebene für den Wolf starkgemacht. Die Ressortchefs kritisieren in einem Schreiben an die EU-Kommission eine Resolution des EU-Parlaments scharf: Die Themen seien "wichtig", aber in Zeiten einer Biodiversitätskrise "ist die Tendenz der Entschließung, den rechtlichen Schutz des Wolfes zu schwächen, eindeutig" abzulehnen, heißt es in dem von der Slowakei initiierten Brief.

Das EU-Parlament hatte im November vergangenen Jahres eine rechtlich nicht bindende Resolution verabschiedet, in der die Mehrheit der EU-Abgeordneten eine "Überprüfung des Schutzstatus von Wölfen" fordert.

Bei der Koexistenz mit Großraubtieren sind Schäden an Nutztieren unvermeidlich, so die Umweltminister weiter. Sie seien aber "überzeugt, dass ein strenger Schutz zusammen mit einem wirksamen System von Präventivmaßnahmen, gerechten Entschädigungen, aber auch der Kommunikation mit Experten, den betroffenen Akteuren und der Öffentlichkeit die beste Lösung darstellt".

Kritik durch ÖVP und SPÖ

Der Umgang mit dem Wolf ist in der EU seit 30 Jahren in der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH), die den Artenschutz gewährleisten soll, geregelt. Der Wolf ist darin als "streng zu schützende Tierart von gemeinschaftlichem Interesse" gelistet und darf damit nur in ganz wenigen Ausnahmen abgeschossen ("entnommen") werden. Für eine Änderung der FFH-Richtlinie bedarf es der Zustimmung aller 27 EU-Staaten, zuständig dafür sind die Umweltminister, also Ressortchefin Gewessler.

Die Vorstoß von Gewessler und ihren Kollegen führte indes zu scharfer Kritik von prominenten Vertretern der Tiroler Koalitionsparteien ÖVP und SPÖ. Er nehme dies "kopfschüttelnd" zu Kenntnis, meinte ÖVP-Klubobmann Jakob Wolf in einer Aussendung. "Die EU muss den Schutzstatus des Wolfs dringend senken, und an die heutigen Lebensrealitäten anpassen. Bei uns in Tirol sind effektive Herdenschutzmaßnahmen großteils nicht möglich, zum Schutz der Weidetiere und der heimischen Almwirtschaft bleibt deshalb lediglich die Entnahme von Schad- und Problemwölfen", erklärte der Klubchef.

Er sei froh, dass es im Bundesland in der Sitzung des Landtages kommende Woche "eine breite Einigkeit" geben werde "und wir Problemtiere in Zukunft rasch und unbürokratisch entnehmen können".

Dornauer: Querschüsse durch Bundesregierung

Noch schärfer indes Tirols SPÖ-Landeshauptmannstellvertreter Georg Dornauer: Gewessler habe sich "gegen eine Lösung des Wolfsproblems in Tirol und für einen realitätsfernen Schutzstatus von Großraubtieren starkgemacht", ritt Tirols oberster Roter eine Attacke und sprach von einem Schlag ins Gesicht der Tiroler Landwirte. "Das Tiroler Wolfsproblem wird im Februarlandtag gelöst. Wir halten ein, was wir den Tirolerinnen und Tirolern vor der Landtagswahl versprochen haben, und lassen uns dabei auch nicht von Querschüssen durch die Bundesregierung irritieren. Das sind wir den Weidetieren und der hiesigen Almwirtschaft schuldig", so Dornauer.

Und der SPÖ-Chef legte gar Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nahe, Gewessler aus dem Amt zu entfernen: "Ministerin Gewessler in diesem Schlüsselressort weiterhin zu dulden zeugt von politischer Verantwortungslosigkeit." Es wäre für Nehammer im konkreten Fall an der Zeit zu zeigen, "wer denn der Primus inter Pares in dieser seit Monaten schwächelnden Bundesregierung ist".

Der Vollzug der EU-Richtlinie liegt in Österreich bei den Ländern. Zuletzt kündigte die schwarz-rote Tiroler Landesregierung an, durch eine Änderung des Jagdgesetzes Problem- und Risikowölfen den Garaus ausmachen zu wollen. In Tirol wurde noch kein einziger Wolf legal geschossen. In Kärnten hingegen wurden nach mehreren Dutzend Abschussgenehmigungen bisher zwei Wölfe abgeschossen. (APA, red, 2.2.2023)