Es hätte die Causa Waldhäusl nicht gebraucht, um zu zeigen, dass die FPÖ Niederösterreich nicht regierungsfähig ist. Die Partei hat grundlegende Probleme mit den Werten der österreichischen Gesellschaft. Das zeigte schon Landesparteiobmann Udo Landbauer, als er die Menschenrechte infrage stellte. Jetzt beweist Integrationslandesrat Gottfried Waldhäusl mit der Beschimpfung einer Schulklasse, dass er ein Rassist ist. Was der Vorfall verdeutlicht, ist aber: Das Proporzregierungssystem in Niederösterreich ist nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern gefährlich.

Ein System, das Gottfried Waldhäusl zum Landesrat macht, kann kein gutes System sein.
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In dem Bundesland sind starke Parteien automatisch in der Regierung vertreten. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) lobt das als "ein starkes Instrument der direkten Demokratie", was gleich auf mehreren Ebenen Unsinn ist. Denn erstens werden die Landesrätinnen und Landesräte vom Landtag gewählt – also nur indirekt durch die Bevölkerung bestimmt. Und zweitens ist eine Proporzregierung wie in Niederösterreich nicht besonders demokratisch, sondern das Gegenteil davon.

Das ist der Kern des Problems: Mitglieder der Landesregierung können vom Landtag nicht abgewählt werden. Ein Merkmal entwickelter Demokratien ist, dass eine Mehrheit im Parlament eine Regierung oder ihre Mitglieder aus dem Amt entfernen kann. So ein Misstrauensvotum ist in Niederösterreich schlicht nicht vorgesehen. Waldhäusl und Landbauer können gegen den Willen der Mehrheit regieren – man stelle sich vor, was so ein Modell für die Bundesregierung und den Nationalrat bedeuten würde.

Fehlende Sicherheitsmechanismen

Dazu kommt, dass Sicherheitsmechanismen wie im Bund in Niederösterreich vollständig fehlen: Der Bundespräsident kann etwa, legitimiert mit den Stimmen der Mehrheit, selbst eine Regierungsspitze auswählen und einzelne Ministerinnen oder Minister ablehnen. Das hat der Republik wohl schon einiges erspart.

In Niederösterreich können Parteien maximal ankündigen, mit bestimmten Personen in der Regierung nicht zusammenzuarbeiten. Mikl-Leitner hat das mit Landbauer nach der Liederbuchaffäre 2018 gemacht. Ohne absolute Mehrheit im Rücken scheint das nach dieser Landtagswahl aber wohl kein Thema mehr zu sein.

Bei all diesen Dingen sprechen wir noch gar nicht von den möglichen Pattsituationen, die sogar zu einer Verfassungskrise führen könnten. So müssen die beiden Landeshauptfrau-Stellvertreter von der stärksten und der zweitstärksten Partei gestellt werden – gleichzeitig brauchen sie aber auch eine Mehrheit im Landtag (anders als einfache Landesräte, die nur von ihrer eigenen Partei gewählt werden).

Landbauer möchte sehr gerne Landeshauptfrau-Stellvertreter werden, und es ist wohl davon auszugehen, dass ihm ÖVP und SPÖ diesen Wunsch erfüllen werden, um das Land funktionsfähig zu halten. Doch allein die Möglichkeit einer solchen Krise zeigt, dass sich das Proporzsystem selbst ad absurdum führen kann.

Solche verfassungsrechtlichen und demokratiepolitischen Diskussionen sind wichtig, und sie müssen in Niederösterreich mit Nachdruck geführt werden. Am Ende gibt es aber ein ganz einfaches, plastisches Argument für eine Demokratiereform in dem Bundesland:

Ein System, das Gottfried Waldhäusl zum Landesrat macht, kann kein gutes System sein. (Sebastian Fellner, 2.2.2023)