Die Botschaft Russlands in Wien beschäftigt Österreichs Behörden derzeit gleich in doppelter Hinsicht.

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Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Georgien, Großbritannien, Island, Kanada, Lettland, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Polen, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Tschechien und nicht zuletzt die Ukraine. Die Liste an Staaten ist lang, von denen 81 der insgesamt 323 OSZE-Delegierten in einem wütenden Brief gegen die Visavergabe an zehn russische Diplomaten für das sogenannte Wintertreffen der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Wien demonstrieren. Und sie erhöht den Druck auf Österreich, nachdem DER STANDARD bereits am Dienstag von einem drohenden Eklat berichtete, weil einige Diplomaten aufgebracht seien.

Russische Propaganda

Laut einer Mitteilung des Sejm, des Unterhauses des polnischen Parlaments, wird in dem Brief Österreichs Regierungsspitze aufgefordert, jenen russischen Abgeordneten, die aufgrund ihres Verhaltens und ihrer Aktivitäten rund um den Ukraine-Krieg unter internationalen Sanktionen stehen, keine Visa für die Einreise auszustellen. "Wir erwarten, dass Entscheidungen getroffen werden, die ihre Teilnahme verhindern", heißt es darin etwa.

So rechnen die Unterzeichner des Briefes damit, dass die russische Delegation das Forum in Wien für "Desinformation, Fake News und Hassreden" nutzen werde, wodurch die Parlamentarische Versammlung die "Rolle eines Vermittlers russischer Propaganda" einnehme – gerade auch deshalb, weil auf russischer Seite kein aufrichtiges Interesse zu erkennen sei, wonach der Kreml eine friedliche Lösung des Konflikts anstrebe. Die OSZE-Delegierten seien demnach nicht nur ein integraler Bestandteil des Machtsystems, sondern auch "Komplizen bei den Verbrechen, die Russland jeden Tag in der Ukraine begeht", zitiert auch "Die Presse" aus dem Brief.

Die OSZE sei freilich ein Forum für Dialog, aber eben kein bedingungsloses. Und im Rat der OSZE spreche man mit Russland ohnedies noch. Mit der Verletzung zahlreicher OSZE-Verpflichtungen positioniere sich Russland aber zusehends außerhalb der Staatengemeinschaft, welche internationales Recht weiterhin achtet. Da brauche man nicht auch noch die Möglichkeiten zum Dialog ausbauen, wenn eine Seite offensichtlich nicht daran interessiert sei, so die Unterzeichner des Briefs.

Diplomatenausweisung

Das Außenministerium am Wiener Minoritenplatz beharrt bislang jedenfalls darauf, dass es aufgrund des Amtssitzabkommens mit der OSZE der russischen Delegation die Einreise nicht verweigern könne – auch wenn Kritiker von einem Ermessensspielraum in diesen Fragen sprechen würden, wie "Die Presse" schreibt.

Nun ist es im Außenministerium nicht untypisch, dass man mehrere diplomatische Krisen gleichzeitig zu managen hat. Ausgerechnet am Donnerstag aber kam mit der Mitteilung, wonach man vier russische Botschaftsmitarbeiter – zwei davon akkreditiert bei den Vereinten Nationen, die Uno wurde informiert – zu Personae non gratae, also unerwünschten Personen, erklärt habe, auch noch weiterer bilateraler Stress mit Russland dazu.

Vier Männer, die Österreich bis zum 8. Februar verlassen müssen, hätten mit dem "Amtssitzabkommen unvereinbare Handlungen" getätigt. Es soll um Spionageverdacht gehen. Laut "Kurier" wären die vier als "technisches Personal" an besonders sensible Daten gelangt. Einen Zusammenhang mit dem Ärger rund um die Visazulassungen der Russen weist das Außenministerium auf STANDARD-Anfrage vehement zurück.

Russland kündigte jedenfalls an zu reagieren und soll intern schon lautstark protestiert haben. So soll der russische Botschafter in Österreich, Dmitri Ljubinski, von der "Unvermeidlichkeit von Vergeltungsmaßnahmen" gesprochen haben. Österreich beeinträchtige mit "unbegründeten Spekulationen" seine Position "als neutrale internationale Verhandlungsplattform". (Fabian Sommavilla, 2.2.2023)