Die Schiedsrichter zücken die rote Karte.

Foto: MAGO/Noah Wedel

Die Ära von Gerhard Milletich als Präsident des Österreichischen Fußballbundes (ÖFB) ist zu Ende, eine Unruhe im Verband ist nicht von der Hand zu weisen. Noch bevor die Weichen gestellt sind, gehen Österreichs Schiedsrichter auf die Barrikaden und fordern eine Grunderneuerung der Strukturen. Dabei geht es um das Schiedsrichterwesen, das international immer mehr an Bedeutung verloren hat, aber auch um das Verbandswesen selbst. Das Ehrenamt soll endlich der Vergangenheit angehören.

"Wir fordern schon lange eine Erneuerung im Schiedsrichterkomitee. Bei den Schiedsrichtern, sowohl aus der Bundesliga als auch international, herrscht seit Jahren Unruhe. Kursinhalte und -gestaltung sind unterirdisch, aber auch die wichtigen internationalen Kontakte zur Uefa und zur Fifa fehlen. Da geht nichts weiter", sagt Bernhard Brugger von Österreichs Schiedsrichtervertretung IG Referee.

Bei den Schiedsrichtern rumort es ordentlich, Ausgangspunkt war, dass der ÖFB Schiedsrichtermanager Andreas Fellinger gekündigt hatte. Fellinger war laut Brugger de facto die "rechte Hand" von Schiedsrichterboss Robert Sedlacek. Sedlacek selbst hatte bei 90minuten.at eingeräumt, dass er von der Kündigung Fellingers bis kurz vor der Verkündung nichts wusste. Bei Brugger schrillten die Alarmglocken: "Wenn Herr Sedlacek angibt, davon nichts zu wissen, ist er entweder in die wichtigen Entscheidungen nicht mehr eingebunden oder verbiegt sich nach links und rechts – er fühlt sich als Chef für manches auch nicht verantwortlich. Untragbar."

Bereits in der Vergangenheit musste mit Fritz Stuchlik ein prominenter Schiedsrichter-Manager gehen: "Die Gründe hierfür liegen wie jetzt im Dunkeln." Für Brugger ist Sedlacek jedenfalls rücktrittsreif. Er habe sich für die Führung in Schiedsrichterangelegenheiten als ungeeignet erwiesen.

Alternativen

Aber wer soll übernehmen? Brugger: "Konrad Plautz, Stefan Meßner, Thomas Einwaller und Robert Schörgenhofer gehören zwar dem ÖFB an, haben aber keine wirklichen Entscheidungsbefugnisse. Die genannten vier sind international gut vernetzt, genießen hohes Ansehen und stehen als Schiedsrichterbeobachter in regelmäßigem Kontakt zu den internationalen Verantwortlichen der Uefa und Fifa. Sie haben einen weitaus höheren Stellenwert als Robert Sedlacek."

Abgesehen von der Causa Fellinger sieht die IG Referee dringenden Reformbedarf im gesamten ÖFB. Ein Neustart sei erforderlich: "Dazu ist es notwendig, eine Führungsebene im ÖFB, und damit auch in der Schiedsrichterführung, zu installieren, die nicht mehr ehrenamtlich arbeitet, sondern die in einem ordentlichen Angestellten- bzw. Dienstverhältnis steht und für die Professionalität im österreichischen Fußball einsteht", heißt es in einer Aussendung vom Mittwoch.

Brugger ergänzt: "Das Ehrenamt ist für mich in der Vergangenheit. Wenn man sich andere Länder ansieht, sind das zumindest Semiprofis, das gilt für das Schiedsrichterwesen, aber eben auch für die Funktionäre." Natürlich würde das den ÖFB "finanziell belasten, aber davon hätten die Vereine ja auch etwas". Für Brugger wäre es auch denkbar, auf Experten aus dem Ausland zu setzen: "Herbert Fandel ist beispielsweise Schiedsrichterboss in Belgien, und bei der Verbandsgröße kann man Belgien und Österreich absolut vergleichen."

Kritikunfähig

Beim ÖFB stoßen die Schiris zumeist auf taube Ohren. Brugger: "Wir haben immer wieder eine Zusammenarbeit angeboten, wurden aber nie eingeladen. Man zeigt sich beim ÖFB komplett kritikunfähig und resistent gegenüber Reformvorschlägen." Reformen scheiterten auch daran, dass man sich im Verband "komplett abgeschottet hat".

Würde sich die IG Referee lieber selbst im Verband, also an den Machthebeln, sehen? "Nein, uns geht es ausschließlich darum, das Schiedsrichterwesen professionalisiert zu sehen. Zwischen unserem Pendant in Deutschland und dem DFB gibt es eine konstruktive Zusammenarbeit", sagt Brugger. Und die Versäumnisse der jüngeren Vergangenheit? "Österreich war zu spät in der Installierung des VAR. Die Verantwortlichen reagierten erst, als klar wurde, dass die Umsetzung unumgänglich ist. Die amateurhaften Bedingungen für Schiedsrichter im Profibereich führen ja dazu, dass wir international isoliert sind", sagt Brugger.

Den Rücktritt von Präsident Milletich sieht man bei den Schiedsrichtern als Chance: "Nun ist die zuständige politische Ebene in der Verantwortung, einen Neustart im Fußballverband einzuleiten", heißt es in der Aussendung. Ein ehemaliger Interessent für den Posten wäre für die Schiedsrichter die optimale Lösung: Georg Pangl. Pangl sagte kürzlich dem STANDARD, dass er unter den "gegebenen Umständen das Amt nicht anstrebt", den Posten des burgenländischen Landespräsidenten könne er sich aber vorstellen. Auch Pangl hält das Ehrenamt für überholt: "Der Job ist aufwendig, den kann man nicht so nebenbei ausüben." Laut Brugger hat Pangl ein offenes Ohr – auch für Schiedsrichter: "Man kann sich mit ihm fachlich austauschen" Und: "Die Schiedsrichter würden sich Georg Pangl wünschen." (Andreas Hagenauer, 3.2.2023)