Wieder ein paar Dieselklagen weniger: Im Jahr acht nach Ausbruch des Dieselskandals beendet Volkswagen Verbraucherklagen noch immer mittels Vergleichen.

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Wien – Am späten Donnerstagnachmittag gab es doch noch eine gütliche Einigung. Fast eine Woche nach Fristablauf überwies Volkswagen die im Vergleich mit einigen Dieselklägern vereinbarte Summe. "Die Volkswagen AG hält sich an ihre Zusagen gegenüber ihren Kunden und geht davon aus, dass deren Anwälte die ihrerseits erforderlichen Schritte zur Beendigung der Verfahren vornehmen", teilte die Volkswagen-Tochter Porsche Austria mit. Somit ist der sehnlich erwartete Spruch des Obersten Gerichtshofs (OGH) in der Causa Thermofenster obsolet.

Vergleich statt Höchstgericht

Der oberösterreichische, auf Dieselklagen spezialisierte Rechtsanwalt Michael Poduschka bestätigt den Zahlungseingang im Auftrag seiner Mandanten. Der vor Weihnachten auf Betreiben von Porsche Austria geschlossene Vergleich ist damit rechtsgültig, die dazugehörige Anzeige des ewigen Ruhens wurde beim OGH eingebracht.

Grund der überraschenden Verzögerungen waren nachträgliche Änderungen, die VW am Tag der Zahlungsfrist im Jänner plötzlich verlangt hatte und die von den Klägern bis dato nicht akzeptiert wurden.

Weitere OGH-Sprüche ausständig

Für an zwölf österreichischen Landesgerichten anhängige Sammelverfahren ist diese Entwicklung naturgemäß nicht vorteilhaft. Sie können sich zwar auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Juli 2022 berufen, wonach temperaturabhängige Abschaltungen der Abgasreinigung unzulässig sind. Ein OGH-Spruch wäre aber zweifellos vorteilhaft gewesen. Denn insgesamt sind seit fünf Jahren 16 Sammelklagen des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) für knapp 10.000 VW-, Audi, Seat- und Skoda-Fahrzeughalter anhängig.

Der Klärung bedarf beispielsweise auch die Frage, wie viel an Nutzungsentgelt vom Schadenersatz abgezogen werden darf. Denn die meisten Kläger benutzen ihr einst mit Schummelsoftware ausgerüstetes Fahrzeug, was eine allfällig zuerkannte Entschädigung mindert. Je länger sich die Gerichtsverfahren hinziehen, desto weniger bleibt übrig vom Schadenersatz.

Temperaturabhängige Abschalteinrichtung

Verharmlosend als Thermofenster werden Abschalteinrichtungen bezeichnet, bei denen die Abgasreinigung bei bestimmten Außentemperaturen automatisch abgeschaltet wird. Sie wurden vom EuGH als unzulässig eingestuft. Eine generelle Abschaltung zwischen 15 und 33 Grad zum Schutz des Motors bei Hitze oder in der kalten Jahreszeit sei nicht zulässig.

Volkswagen sieht das differenzierter. Nach den vom EuGH festgelegten Kriterien seien die in den Volkswagen-Fahrzeugen mit Motor EA189 zum Einsatz kommenden Thermofenster dank des nach dem Dieselskandal aufgespielten Softwareupdates zulässig – weil diese den Motor vor unmittelbaren Risiken in Form von Beschädigungen oder Unfall schützten, betont der Konzern. Ohne Thermofenster bestehe "eine konkrete Gefahr beim Betrieb des Fahrzeugs", deshalb sei es gemäß den Kriterien des EuGH und des deutschen Kraftfahrt-Bundesamts unverändert zulässig.

Ob dies so ist, suchen die Gerichte zu klären. Die Rechtsansicht des OGH wäre dabei wohl nicht von Nachteil gewesen. Doch dazu kommt es vorerst nicht.

Auf dem Prüfstand

Mit der sogenannten Prüfstandserkennung, bei der die Motorsteuerungssoftware erkannte, ob ein Pkw auf einem Rollenprüfstand war oder im realen Straßenbetrieb, sei das Thermofenster nicht zu verwechseln, betont Volkswagen. Diese war 2016 nach Auffliegen des Abgasskandals bereits vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt für unzulässig erklärt worden. Bis dahin war die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand korrekt gelaufen, im Straßenbetrieb hingegen eingeschränkt. Betroffen waren weltweit elf Millionen Diesel-Kfz der Marken VW, Audi, Seat und Škoda. Sie wurden in die Werkstatt zurückgerufen und mit Softwareupdates ausgestattet.

Der Schaden zum Zeitpunkt des Fahrzeugkaufs war freilich längst angerichtet.

Abfindung statt Urteil

Diesen sucht Volkswagen offenbar mittels üppiger Abfindungen – für ein acht Jahre altes Auto wurden laut VKI 35 Prozent des damaligen Neuwagenpreises zuzüglich Gerichts- und Anwaltskosten geboten – zu mindern. Anders als bei Einzelklagen bewege sich VW in den Sammelverfahren, in denen zwanzig Prozent des Kaufpreises gefordert werden, nicht, kritisiert der Leiter der Rechtsabteilung des VKI, Thomas Hirmke. Dort bestreite VW weiterhin grundsätzlich jegliche Haftung und jeden Schaden.

Dass man höchstgerichtliche Urteile mittels Vergleich zu verhindern suche, bestreitet Volkswagen vehement. Bei den nun fixierten Vergleichen handelte es sich um Fahrzeugtypen, auf die diese Thermofensterkriterien gar nicht mehr zuträfen. Diese Fälle hätten keinen Einfluss auf die Mehrheit der anhängigen Verfahren. (Luise Ungerboeck, 3.2.2023)