Der Puzzle-Shooter "Portal" ist eigentlich schon seit 2007 erhältlich, sieht aber mittels KI-Remastering aus wie ein aktueller Titel.

Foto: Valve

Es gibt Momente als betagter Gamer, da schwelgt man gern einmal in Erinnerungen an Spiele von damals. Nostalgie am Schopf packen und Spiel neu installieren? Schlechte Idee! Jahre später ist man nicht selten enttäuscht von der Diskrepanz der Bilder im Kopf und dem, was man eigentlich am Bildschirm zu sehen bekommt. Die Grafik von PC-Spielen kann dank treuer Community zwar über die Unterstützung der Entwickler hinaus mit Mods am Leben gehalten werden. Das betrifft aber in der Regel nur besonders beliebte Spiele und ist nicht selten mit großem Aufwand verbunden.

Anstatt auf eine Remastered-Version des Entwicklers selbst zu hoffen, was zwar immer öfter passiert, aber unzuverlässig ist, zeigt Grafikchip-Hersteller Nvidia mit der Plattform RTX Remix, dass es in Zukunft möglicherweise auch anders gehen könnte: Mithilfe von künstlicher Intelligenz lässt sich das ganze Prozedere nämlich weitgehend automatisiert und somit wesentlich schneller umsetzen. Wie älteren Spielen auf diese Art zumindest optisch neues Leben "eingemoddet" werden kann, wird mit dem Klassiker "Portal" eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Glänzender Testlauf für einen Evergreen

"Portal with RTX" ist mittlerweile für alle Besitzer des Originalspiels kostenlos als Download über die Spieleplattform Steam verfügbar. Nach schnellem Durchspielen – der Puzzle-Shooter dauert nicht länger als eineinhalb bis zwei Stunden, wenn man sich noch ein wenig an die Rätsel erinnern kann – hat man tatsächlich das Gefühl, optisch einen mehr oder weniger aktuellen Titel mit Raytracing-Support gespielt zu haben.

Vom Spiel zur Tech-Demo: "Portal with RTX" zeigt eindrucksvoll, wie die KI alte Spiele optisch aufbessern kann.
NVIDIA GeForce

Moderne Texturen, zu Demozwecken nicht selten metallisch glänzend oder halbtransparent, reflektieren unterschiedlichste Lichtsituationen der Spielumgebung in Echtzeit. Am auffälligsten sind dabei bewegliche Lichtquellen, aber auch die statische Beleuchtung des Raytracing-Hokuspokus macht teilweise ein ganz anderes Spiel aus "Portal", als man es in Erinnerung hat – diesmal jedoch in positivem Sinne. Und doch wird man den Eindruck nicht los, "nur" eine Tech-Demo gespielt zu haben: Das liegt einerseits daran, dass die Effekte hervorragend, aber mitunter aufgesetzt wirken. Andererseits könnte natürlich auch die Kürze des Spiels an sich dazu beigetragen haben.

So funktioniert RTX Remix

Was also soll das neue Tool von Nvidia so besonders machen? Die Idee dahinter ist, dass einzelne Assets und Texturen eines (alten) Spiels nicht mehr mühsam von Hand überarbeitet werden müssen. Auch im Code des Spiels selbst müssen Modder nicht mehr umrühren, denn das Tool soll direkt ans Spiel andocken und das Bildmaterial mittels KI-Algorithmen erneuern. Mit wenigen Mausklicks kann man so quasi nicht nur Texturwerk verbessern, sondern auch Raytracing und DLSS implementieren.

Die Funktionsweise von RTX Remix.
Foto: Nvidia

Vereinfacht gesprochen fängt RTX Remix per Tastendruck die ursprüngliche Laufzeitumgebung des Spiels ab, erfasst Bestandteile des Spiels wie Texturen, Geometrie, Beleuchtung und Kameras und wandelt sie für die Grafikkarte in einen "modernen" Code um. Dieser Code kann bereits hochskalierte Texturen oder eine realistischere Darstellung von Materialien enthalten. Darüber hinaus lassen sich aufgezeichnete Szenen optional auch in ein offenes (USD-)Format umwandeln und in anderen Programmen nachbearbeiten, um sie dann wieder zurück in die Laufzeitumgebung von RTX Remix zu importieren.

RTX Remix am Beispiel von "The Elder Scrolls III Morrowind".
GameSpot Trailers

So wie RTX Remix momentan zu verstehen ist, wird es die Plattform künftig einerseits als kostenloses Tool für Mods der Community geben, für Infos zur Nutzung muss man sich hier anmelden. Andererseits zeigen Projekte wie "Portal with RTX", dass auch komplette Spiele direkt in Kooperation mit dem Entwickler neu überarbeitet werden können.

Nicht ohne Haken

Die schlechte Nachricht zuerst: Natürlich hat die ganze Sache mehrere Haken. Im Anschluss gleich die gute: aber gar nicht so viele, wie man von Nvidia vermuten würde. Zunächst ist RTX Remix nur mit 3D-Spielen kompatibel, die auf Basis von DirectX 8 und DirectX 9 laufen. Inwiefern sich das in Zukunft ändern wird, ist noch nicht abzuschätzen, zumal es weder eine konkrete Roadmap für RTX Remix gibt, noch ist das Tool überhaupt schon so etabliert, dass sich eine weitere Entwicklung in diese Richtung aufdrängt.

Jedenfalls zu verbessern ist auch noch die Performance dieser Methode, weil die abgefragte Leistung dahinter offenbar noch enorm hoch ist. Es mag als Showcase zwar erfreulich sein, dass "Portal with RTX" auf der RTX 4090 des Testsystems einigermaßen flüssig läuft. Aber erstens läuft es eben nur "einigermaßen" flüssig, und zweitens hat verständlicherweise fast niemand eine RTX-Grafikkarte für 2.000+ Euro im Rechner stecken. Und wenn, dann bestimmt nicht für die Remastered-Version eines Spiels, das mehr als 15 Jahre auf dem Buckel hat. Hier stellt sich die Frage, ob Nvidia mit einer Optimierung der Software nicht besser eine größere Zielgruppe erreichen sollte, um die zweifelsohne vorhandenen Vorteile dieser Methode schneller unter die Gamer zu bringen. Jedenfalls so schnell, dass RTX Remix nicht wieder verschwindet, bevor es überhaupt irgendwo angekommen ist.

Auf dem Boden kugelt eine RTX 4090 nur in "Portal with RTX" herum.
Foto: Screenshot/bbr

Das wäre insbesondere vor dem Hintergrund wichtig, dass Nvidia dieses Projekt offen ausgelegt hat. Die reine Spielbarkeit ist erstaunlicherweise nicht nur auf die neueste Grafikkarten-Generation von Nvidia beschränkt. Grundsätzlich können Spiele, die auf diese Art und Weise komplett überarbeitet worden sind, mit allen Grafikkarten betrieben werden, die Raytracing und die Vulkan-API unterstützen. Lediglich das Erstellen der Mods benötigt eine dedizierte Nvidia-GPU vom Typ RTX mit mindestens acht Gigabyte Grafikspeicher.

Spannendes Konzept, ungewisse Zukunft

Mit RTX Remix hat Nvidia ein überraschendes Konzept auf die Beine gestellt, das einmal mehr vor Augen führt, wie man künstliche Intelligenz für die Verbesserung der grafischen Darstellung in Spielen sinnvoll einsetzen kann. Sowohl die Funktionsweise von RTX Remix in Form eines kostenlosen Tools für Modder als auch das komplett überarbeitete "Portal with RTX" zeigen klare Stärken dieser Methode auf.

Noch ist es aber zu früh, um von einer Bereicherung für das Aufpolieren alter Games zu sprechen. In vorliegender Form scheint RTX Remix viel zu leistungshungrig, um für eine breite Masse einsatzfähig zu sein. Selbst wenn die Verbreitung von Grafikkarten mit Raytracing-Support mittel- bis langfristig eine Zukunft haben wird, dürfte Nvidia für einen Erfolg von RTX Remix noch einen langen Weg der Optimierung vor sich haben. (Benjamin Brandtner, 5.2.2023)