Zurückgetreten nach gut einem Jahr im Amt als Landesdirektor nach Vorwürfen über ÖVP-freundliche Einflussnahmen: Robert Ziegler erklärt seinen Rückzug mit seinem Vertrauensverlust in die Redaktion.

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St. Pölten / Wien – Niederösterreichs ORF-Landesdirektor Robert Ziegler tritt zurück, noch bevor die interne Untersuchungskommission ihren Bericht zu Vorwürfen über Einflussnahme im Sinne der ÖVP übergeben konnte. Die Kommission fand die Vorwürfe erhärtet, von denen DER STANDARD, DER SPIEGEL und "Die Presse" im Dezember anhand interner Dokumente berichteten.

Bis zur Bestellung einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers wird Radiodirektorin Ingrid Thurnher interimistisch das Landesstudio Niederösterreich leiten.

Interne Dokumente und Kommunikation verwiesen auf Einflussnahmen Zieglers auf die Berichterstattung im Sinne der ÖVP Niederösterreich und insbesondere von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Die Vorwürfe und ihre Aufarbeitung überschatteten zuletzt die Landtagswahl in Niederösterreich.

Vertrauensverlust – in die Redaktion

"Zum Wohle des ORF und besonders des Teams des ORF Niederösterreich habe ich mich entschlossen, Generaldirektor Roland Weißmann meine Funktion als Landesdirektor des ORF Niederösterreich zur Verfügung zu stellen", ließ Ziegler Freitagfrüh verlauten.

Ziegler erklärt seinen Rücktritt mit verlorenem Vertrauen – und offenbar meint der frühere Betriebsrat des Landesstudios da sein Vertrauen in die Belegschaft. Ihn habe getroffen, dass Vorwürfe und Dokumente seiner Amtsführung heimlich gesammelt und anonym an Zeitungen weitergeleitet und veröffentlicht wurden. Hier sei Vertrauen missbraucht worden.

Ziegler in einer Aussendung: "Das Band des Vertrauens ist gerissen – einer Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mir gegenüber und umgekehrt. Und ich muss zur Kenntnis nehmen, dass manche der Ansicht sind, dass dieses Vertrauen nicht wiederhergestellt werden kann."

Zudem machten die "massive mediale Berichterstattung und die dadurch entstandene Belastung" es ihm "unmöglich, mit voller Kraft die Funktion des Landesdirektors auszuüben".

Ein "selbstkritischer Rückblick" in der ausführlichen Stellungnahme lautet so: "Es tut mir leid, wenn in den sechs Jahren als Chefredakteur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Ansicht gekommen sind, ich hätte meine Funktion nicht adäquat ausgeübt."

"Weiteren Schaden vom ORF und vom Landesstudio abwenden"

ORF-Generaldirektor Weißmann erklärte in einer Aussendung, Ziegler habe ihm "unabhängig vom Ergebnis des Berichts", und "um weiteren Schaden vom Landesstudio Niederösterreich und vom ORF abzuwenden", seinen Rücktritt angeboten: "Es ist dies ein verantwortungsvoller Schritt zum Wohle des Unternehmens, der mir Respekt abringt und der zeigt, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen." Er nahm das Angebot an.

Einflussnahme auf Beiträge auch für die "ZiB"

Der 57-Jährige, in Wien geborene Ziegler wurde mit 1. Jänner 2022 Landesdirektor des ORF Niederösterreich. Die Vorwürfe bezogen sich vor allem auf seine Amtsführung als Chefredakteur von 2015 bis 2021. Er soll O-Töne von ÖVP-Politikern in Beiträge reklamiert haben, auch in solche für die "Zeit im Bild". Er wies Redaktionsmitglieder an, Politiker anderer Parteien in Beiträgen nach hinten zu reihen oder diese nicht aktiv anzufragen. Über Pressekonferenzen und Termine der ÖVP-Landesregierungsmitglieder soll, unabhängig von Themen und Inhalten, auf seine Anweisung berichtet worden sein.

Dokumente und Protokolle verwiesen auch auf Zieglers Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die seinen Anweisungen nicht folgten. Das Redaktionsstatut des ORF sieht vor, dass Beiträge und ihre Inhalte in der Verantwortung der gestaltenden Redakteurinnen und Redakteure liegen.

Ziegler hat die Vorwürfe bisher auf Anfrage als diffus und nicht nachvollziehbar zurückgewiesen, und er soll auch vor der Untersuchungskommission bei dieser Linie geblieben sein. Die Kommission indes fand die vom STANDARD und anderen Medien berichteten Vorwürfe und Vorfälle durch Aussagen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestätigt. Am Montag wollten sie ihren Bericht dem ORF-Generaldirektor vorlegen.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe Mitte Dezember 2022 gab Ziegler die Verantwortung für die Berichterstattung über die Landtagswahl laut ORF an Radiodirektorin Ingrid Thurnher ab (die Vorarlbergerin hat im Landesstudio Niederösterreich ihre ORF-Karriere begonnen). Originell war daran: Der Landesdirektor ist für die Berichterstattung eigentlich nicht zuständig. Nun übernimmt Thurnher nach seinem Rücktritt interimistisch die Landesdirektion.

Kommt Antrag auf Abberufung zuvor

Ziegler kommt mit seinem Rücktritt einem Antrag von ORF-Generaldirektor Weißmann an den Stiftungsrat auf Abberufung als Landesdirektor zuvor. Ein solcher Antrag hätte die Mehrheit ÖVP-naher Stiftungsräte vor die Wahl gestellt, ihren früheren Kollegen abzuberufen oder einen Antrag des von ihr bestellten ORF-Generals abzulehnen.

Ziegler war bis 2015 ORF-Betriebsrat des Landesstudios Niederösterreich und Mitglied des Zentralbetriebsrats im ORF-Stiftungsrat. Auch danach nahm er als Chefredakteur des Landesstudios mehrfach an Fraktionssitzungen der ÖVP-nahen Stiftungsräte teil, berichteten andere Sitzungsteilnehmer dem STANDARD. Auch der Screenshot einer Fraktionssitzung via Skype zeigte Zieglers Teilnahme 2021.

Nach den Berichten über Zieglers Amtsführung im Dezember forderten die Grünen und die FPÖ Niederösterreich seinen Rücktritt, die Landes-SPÖ jenen Mikl-Leitners; die FPÖ forderte kurz vor der Wahl ebenfalls den Rücktritt der Landeshauptfrau.

Über Zieglers künftige Tätigkeit im ORF ist vorerst nichts bekannt. Er tritt nun einen Urlaub an. (fid, 3.2.2023)