Ein gut erhaltenes Wikingerschiff in einem Museum in Norwegen. Laut den neuen Erkenntnissen transportierten die Wikinger damit auch Pferde.
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Die Wikinger waren brutale Invasoren und Räuber, aber zugleich ein Volk mit faszinierender Kultur, einer eigenen Runenschrift und der Fähigkeit zum Bau eleganter Schiffe, die sie nicht nur auf die britischen Inseln trugen, sondern auch über Grönland bis nach Nordamerika oder über die Seine nach Süden ins mittelalterliche Paris, wovon die äußerst gelungene Serie "Vikings" des Historienspezialisten Michael Hirst erzählt. Dabei beschränkten sich ihre Aktivitäten keineswegs auf Raubzüge, die es freilich gab, sie ließen sich auch nieder und betrieben regen kulturellen Austausch, von dem es noch heute viele Zeugnisse gibt, etwa den Namen der französischen "Normandie".

Über ihre Lebensweise in Großbritannien gibt es nun neue Erkenntnisse, von denen eine Studie im Fachjournal "Plos One" berichtet. Ihr Verhältnis Tieren gegenüber könnte empathischer gewesen sein als bisher bekannt. Das schließen Forscher der Universitäten Durham, Brüssel und York aufgrund von Knochenanalysen aus England.

Verbrannte Knochen von Pferden geben Aufschluss über die Lebensweise von Wikingern in Großbritannien.
Foto: Löffelmann et al., 2023, PLOS ONE, CC-BY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)

Knochen von Pferd und Hund

Der Studie zufolge brachten die skandinavischen Eroberer Tiere auf ihren Schiffen über die Nordsee nach Großbritannien mit und ließen sie bei Feuerbestattungen gemeinsam mit menschlichen Überresten verbrennen. Das ergab eine Analyse von Pferde- und Hundeknochen, die an einer Bestattungsstelle in der Grafschaft Derbyshire gefunden wurden. Sie besteht aus 59 Grabhügeln, von denen zwanzig untersucht wurden, meist in den 1940er- und 1950er-Jahren. Das Team entnahm kleine, verbrannte Fragmente von Oberschenkel- und Schädelknochen aus den Überresten von zwei Erwachsenen und einem Jugendlichen. Außerdem untersuchte man drei tierische Überreste, die von einem Pferd, einem Hund und vermutlich von einem Schwein stammten. Bereits die Brandspuren deuteten auf einen starken skandinavischen Einfluss hin, da die lokal ansässige Bevölkerung dieser Zeit Erdbestattungen vorzog.

Die Fundstätte liegt in Derbyshire im englischen Peak District.
Foto: imago images/robertharding

Um herauszufinden, woher die Tiere stammten, wurde der Gehalt an dem Metall Strontium untersucht. Das Element lagert sich über die Nahrungsaufnahme in Knochen ab und kann Aufschluss auf die Herkunft längst verstorbener Menschen und Tiere geben. Die Untersuchungen ergaben, dass es sich nicht um heimische Tiere handelte. Sie stammten demnach aus dem in der Geologie als Baltischer Schild bezeichneten Teil Skandinaviens.

Tiere auf Wikingerschiffen

Bisher wurde davon ausgegangen, dass die Wikinger Tiere bei ihrer Ankunft in England von der lokalen Bevölkerung entwendeten. Dass aber auch Pferde, Hunde und womöglich andere Tiere an Bord der Wikinger-Langschiffe reisten, sehen die Forscher als Hinweis auf eine enge Beziehung zwischen Haltern und Tieren.

"Es zeigt, wie sehr Wikinger-Anführer ihre persönlichen Pferde und Hunde schätzten, dass sie sie von Skandinavien mitbrachten und dass die Tiere geopfert wurden, um mit ihren Haltern bestattet zu werden", sagt Co-Autor Julian Richards von der Universität York. Studienleiterin Tessi Löffelmann von der Universität Durham sagte der BBC, sie empfinde die Ergebnisse als "wirklich rührend, und sie legen nahe, dass bisher unterschätzt wurde, wie wichtig Tiere für Wikinger waren". Damit widersprechen die Ergebnisse auch den Ausführungen der "Angelsächsischen Chronik", einer Sammlung zeitgenössischer Schriften, die berichtet, dass die Wikinger die Tiere von der lokalen Bevölkerung geraubt hätten. (rkl, APA, 3.2.2023)