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Nicht-wahrhaben-Wollen, Zorn, Depression, Akzeptanz: Die Verarbeitung einer Krebs-Diagnose verläuft selten linear. Umso wichtiger ist professionelle Unterstützung.

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Hilflosigkeit, Niedergeschlagenheit, Angst, Trauer, Nicht-wahrhaben-Wollen, Zorn: Die Diagnose Krebs ist für die meisten erst einmal nicht greifbar, die Verarbeitung der Diagnose verläuft selten linear. Umso wichtiger ist professionelle Unterstützung, die bei der Einordnung der unterschiedlichen Gefühle hilft, findet Psychoonkologe Carsten Witte: "Krebs ist eine Erkrankung, die mehrere Ebenen hat, eine medizinisch-biologische, eine soziale und auch eine psychische. Medizinisch ist die Therapie wichtig. Aber für die anderen beiden Ebenen braucht es Seelsorgerinnen, Psychoonkologen, Sozialpädagoginnen." Das sei vor allem in den zwei schwierigsten Phasen, wenn man die Diagnose bekommt und wenn die Therapie zu Ende ist, entscheidend. Denn "mit inneren Ressourcen, einem starken sozialen Umfeld und psychoonkologischer Unterstützung kann eine Krebserkrankung gut bewältigt werden", ist Witte überzeugt.

Offener Umgang

Hierzulande erkranken jährlich mehr als 42.000 Menschen an Krebs, auch darauf will der Weltkrebstag am 4. Februar aufmerksam machen. Ein Drittel der Betroffenen erlebt im Therapieverlauf psychische Probleme wie Angststörungen oder Depressionen. "Gute Aufklärung vom Arzt oder von der Ärztin ist das A und O. Denn oft ist die Diagnose kein Todesurteil, ein rationaler Blick auf klare Fakten kann helfen", sagt Witte. Darüber hinaus sollte man so offen wie möglich mit der Erkrankung umgehen. "Wir müssen allgemein Tabuthemen wie Krebs oder Tod aus der Schweigezone holen." Betroffenen rät er, klar zu kommunizieren, was sie gerade brauchen, und Dos and Don’ts für das Umfeld zu formulieren.

Das ist bei jedem und jeder Betroffenen etwas anderes. "Frauen suchen eher Hilfe, Männer machen vieles mit sich selbst aus", berichtet der Psychoonkologe aus der Praxis. Wenn man dazu neigt, Dinge eher mit sich selbst auszumachen, können digitale Angebote helfen, rät Witte, der auch selbst als Coach bei der App Mika ("Mein interaktiver Krebsassistent") tätig ist: "Bei digitalen Hilfsangeboten können sich Betroffene in ihrem eigenen Tempo den verschiedenen Facetten der Erkrankung stellen."

Die Frage nach dem Warum

Bei Krebs gibt es in den seltensten Fällen einen kausalen Zusammenhang. Betroffene können nichts dafür, hätten nichts anders machen können. Die quälende Frage "Warum ich?" kann in der Aufarbeitung besonders herausfordernd sein: "Krebs sorgt für viel mehr Fragen, als es Antworten gibt. In Gesprächen muss dieser Ungewissheit Raum gegeben werden", rät der Experte.

Und auch Angehörige oder Bekannte als eine Art Patient oder Patientin ernst zu nehmen. Für viele von ihnen ist die psychische Belastung mindestens so stark wie für die Betroffenen selbst. "Man sollte sich an einen imaginären runden Tisch setzen und gemeinsam alle Fragen und Ängste klären", sagt Witte. Außerdem können vielleicht praktische Dinge wie Einkaufen und Putzen oder die Gestaltung der "krebsfreien Zeiten" von Angehörigen übernommen werden. Das vermittelt ihnen das Gefühl, Teil vom Heilungsprozess zu sein und unterstützen zu können. (poem, 4.2.2023)