Warum gibt es Light-Getränke, aber keine Light-Süßigkeiten? Diese Frage bildete vor zwölf Jahren den Grundstein für Manuel Zellers Unternehmen Neoh. Einen zuckerfreien Schokoriegel zu entwickeln machte er sich zum Ziel. "Der Zugang war wahnsinnig naiv", erzählt Zeller im STANDARD-Gespräch. "Ich bekam jede mögliche Variante von 'Das geht nicht' zu hören. Und es war wirklich ein langer, schwieriger Weg."

Seit Ende 2017 gibt es Neoh im Lebensmittelhandel, und das 20-köpfige Team erwartet mit den zuckerfreien Riegeln, Waffeln und Schokoladetafeln heuer einen Umsatz in Höhe von zwölf Millionen Euro. Vergangenes Jahr seien es neun Millionen gewesen.

Schnell zeigt sich bei dem Wiener Unternehmen, dass Zucker der erklärte Feind ist. Neoh habe Zucker ersetzt und alle Kohlenhydrate beseitigt, die im Blut sofort als Glukose auftauchen, heißt es auf der Website. Die geheime Zuckeraustauschformel nennt sich "Enso 16" und bestehe hauptsächlich aus pflanzlichen Ballaststoffen und fermentiertem Mais.

Neoh setzt auf Sucralose, Erythrit und Ballaststoffe, um dem Geschmack von Zucker in der Schokolade nahezukommen.
Foto: Danzer

Studie der Med-Uni

Rückenwind bekommen Zeller und sein Team von der Medizinischen Universität Wien. Neoh hat dort eine Studie in Auftrag gegeben, und die Abteilung für klinische Pharmakologie bestätigt, dass die Zuckerersatzformel im Vergleich zu Zucker "keine oder nur minimale Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel hat".

Hat Neoh also den heiligen Gral des Naschens gefunden? Nicht unbedingt, meint die Diätologin Elisabeth Pail von der FH Joanneum: "Neoh hat einen hohen Ballaststoffanteil, was den Blutzucker langsamer steigen lässt." Die beiden Süßungsmittel Sucralose sowie Erythrit seien kalorienfrei und hätten keine Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel. "Wegen der bekannten Wirkweise zwischen Sucralose und Erythrit kombiniert mit Ballaststoffen, ist in der Studie exakt dieses Ergebnis zu erwarten gewesen", sagt Pail.

Neoh für Diabetiker

Für die Diätologin sind Neoh-Produkte wegen des hohen Energie- und Fettgehalts kein Freibrief für hemmungsloses Naschen. So wie bei anderen Light-Produkten auch sei der Konsum nur in Maßen sinnvoll. "Neoh-Milchschokolade hat im Vergleich zu herkömmlicher aber nur 54 Kalorien weniger, aber einen um zehn Gramm höheren Fettgehalt." Für zuckerkranke, aber auch übergewichtige Menschen seien die Produkte aber passend, weil sie den Blutzucker- sowie Insulinspiegel kaum ansteigen lassen.

Manuel Zeller ist eigentlich gelernter Informatiker, wollte aber lieber den Zucker aus der Schokolade rausbringen.
Foto: Neoh

Kein Patent

Patent gibt es auf die Enso-Formel keines. Zeller will auch keines. Einerseits weil die Formel ständig weiterentwickelt werde, andererseits weil man anderen damit Einblick ins eigene Produkt gewähre. Wie in der Lebensmittelbranche durchaus gängig, setzt Neoh auf strenge Geheimhaltungsvereinbarungen, "Coca-Cola-Modell" nennt es Zeller.

"Ob Patent oder Geheimhaltung besser passt, kommt auf das Produkt an", sagt Patentanwalt Rainer Schultes von der Kanzlei Geistwert. "Wer seine Erfindung öffentlich macht, bekommt mit einem Patent als Belohnung für 20 Jahre das Monopol darauf." Die Idee dahinter sei, den technischen Fortschritt zu fördern und andere Erfinder anzuregen. Um ein Patent zu bekommen, muss eine Technologie gewerblich anmeldbar, neu und gegenüber dem Bekannten auch einen erfinderischen Schritt gemacht haben. "Wie man eine Formel schützt, bleibt dann jedem selbst überlassen", meint Schultes.

Preis runterbringen

Im nächsten Schritt möchte Neoh, die in Österreich und Deutschland produzieren, neue Märkte wie Deutschland erschließen und den Preis nach unten bringen. Drei Schokoriegel kosten aktuell 3,99 Euro, vier Waffeln ebenso. "Das ist zu teuer für die breite Masse", sagt der 40-jährige Niederösterreicher, der ein sehr sportliches Ziel verfolgt: "Bis 2040 wollen wir das Naschregal signifikant verändert haben", erklärt Zeller. Um den Bekanntheitsgrad zu steigern, gibt es bereits Kooperationen mit Rapper Raf Camora und Tennis-Star Dominic Thiem, der auch eingestiegen ist.

Investments und AG

In der Firmenhistorie von Neoh stehen millionenschwere Investments. Zeller betont aber, auf organisches Wachstum zu setzen. "Wir stellen erst Leute ein, wenn es wirklich sein muss, und Investments laufen ins Produkt und nicht aus Expansionswut ins Marketing." Hinter Neoh stand bis vor kurzem ein verstricktes Gesellschaftskonstrukt mit einer GmbH und einer Aktiengesellschaft. Um Kleinaktionäre an Bord holen zu können, wurde die AG gegründet, in der mittlerweile alles zusammenläuft. Für die Zukunft steht auch ein Börsengang zur Debatte. (Andreas Danzer, 17.2.2023)