Der vom österreichischen Nobelpreisträger Erwin Schrödinger geprägte Begriff der "Verschränkung", von Einstein noch mit dem Attribut "spukhaft" versehen, hat sich inzwischen längst als real herausgestellt – nicht ohne größere Anstrengungen, an denen auch Anton Zeilinger mit seinen nobelpreisgekrönten Arbeiten beteiligt war. Nachdem sich die Verwirrung darüber etwas gelegt hat, rücken nun nach und nach die technischen Anwendungen in den Vordergrund, etwa für einen lange erwarteten Durchbruch bei Quantencomputern oder das weit ausgereiftere Konzept einer absolut abhörsicheren Quantenverschlüsselung.

Erstmals wurden Ionen über eine Distanz von mehreren hundert Metern verschränkt.
Bild: Uni Innsbruck/Harald Ritsch

Verschränken lassen sich im Prinzip alle physikalischen Objekte. Während verschränkte makroskopische Objekte wie Katzen aber nach wie vor Gegenstand von Gedankenexperimenten sind, können Lichtteilchen bereits über weite Distanzen verschränkt und so Information für Quantentechnologien mittlerweile auch in Glasfaserkabeln transportiert werden.

Viele wichtige Anwendungen von Quantentechnologien beschäftigen sich allerdings nicht mit Licht, sondern mit Ionen – also mit Atomen, denen eines oder mehrere Elektronen fehlen. Sie werden im luftleeren Raum in Schwebe gehalten und mit Lasern manipuliert. Viele Quantencomputer-Konzepte arbeiten mit verschränkten Ionen. Doch während verschränkte Lichtteilchen längst hunderte Kilometer zurücklegen, gelang das Verschränken von Ionen nur bei direkt benachbarten Teilchen.

230 Meter Luftlinie

Hier schaffte ein Team aus Innsbruck nun einen Durchbruch. Ihm ist es erstmals gelungen, Ionen über eine größere Distanz zu verschränken. Wie die Forschenden im Fachjournal "Physical Review Letters" berichten, konnten sie zwei gefangene geladene Atome über eine Distanz von 230 Metern Luftlinie miteinander über das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung verbinden. Damit werde gezeigt, dass gefangene Ionen eine vielversprechende Plattform für Quantennetzwerke sind, teilte die Universität Innsbruck am Freitag mit.

In Hochvakuum-Kammern gefangene Ionen sind sehr gut kontrollierbare Quantensysteme. Mit ihnen lassen sich Quantenbits (Qubits) realisieren, die grundlegende Quanteninformationseinheit. Damit bilden sie die technologische Basis für Quantencomputer oder Quantensimulatoren. Für Quantenkommunikationsnetzwerke eigneten sich gefangene Ionen bisher nicht, da sie nur über kurze Distanz im Labor miteinander verschränkt werden konnten, nach wenigen Metern war bereits Schluss.

Informationsübertragung auf Licht

Forscher um Tracy Northup und Ben Lanyon vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck haben in den vergangenen Jahren ein Verfahren entwickelt, bei dem die Atome in sogenannten optischen Resonatoren gefangen werden. Damit lässt sich Quanteninformation effizient auf Lichtteilchen übertragen. Schickt man diese dann durch Lichtleiter, können Atome an verschiedenen Orten miteinander verbunden werden. Aufgrund der Wellenlänge der dabei verwendeten Photonen war es bisher allerdings nicht möglich, größere Entfernungen zurückzulegen.

Nun konnten Northup und Lanyon mit ihren Teams also zwei Ionen über eine Distanz von 230 Metern Luftlinie miteinander verschränken. "Wir haben dazu einzelne mit den Ionen verschränkte Photonen über einen 500 Meter langen Lichtleiter geschickt und miteinander überlagert. Dies überträgt die Verschränkung auf die beiden Ionen", sagt Northup. Sie erwartet sich, "dass gefangene Ionen eine vielversprechende Plattform für die Realisierung zukünftiger großflächiger Netzwerke von Quantencomputern, Quantensensoren und Atomuhren sind". (rkl, APA, 3.2.2023)