Indiana Jones ist entspannt. Jolly Jumper auch. Die beiden Alpakas – eines braun, das andere weiß – stehen in einem kleinen Gatter auf der Freifläche hinter der Messe Graz. Es sind beileibe nicht die einzigen ihrer Art hier: Gatter reiht sich an Gatter, Alpaka an Alpaka. An diesem Donnerstag stehen um die 70 Tiere gemütlich kauend zwischen den Metallzäunen, am Wochenende werden es bis zu 400 sein. Mit der World Alpaka Expo wird Graz zur Alpakahauptstadt der Welt, zumindest kurzzeitig.

Noch bis Sonntag findet in der Messe Graz die World Alpaka Expo statt – mit Verkaufsständen, Showeinlagen und bis zu 400 Tieren. Sie bietet auch einen Einblick in eine freundliche, leicht verschrobene Welt.
Foto: J.J.Kucek

Die Grazer Alpakamesse rühmt sich selbst damit, die größte ihrer Art weltweit zu sein. Von Donnerstag bis Sonntag versammeln sich Züchter, Produzenten von Alpakawaren und andere Interessierte, um sich der gemeinsamen Faszination hinzugeben. "Solche Shows sind das Herz der Alpakaszene", sagt Bernhard Witas, der in Oberösterreich wohnt und selbst 40 Tiere zu Hause stehen hat. An diesem Wochenende gibt es Modenschauen, Vorträge und Schönheitswettbewerbe. Die Aussteller reisen aus Belgien, Deutschland und den USA an. Parallel findet eine Konferenz statt, auf der sich die Profis austauschen. Der Alpakahimmel, er ist an diesem Wochenende in der Messe Graz.

Die flauschigen Tiere erfreuen sich großer Beliebtheit.
Foto: : J.J.Kucek

"Überall, wo es Alpakas gibt, gibt es solche Shows." Robin Näsemann steht in der Halle zwischen den Ständen und lässt die Szenerie auf sich wirken. Der 37-jährige Deutsche ist in der Szene so was wie ein Star: In Europa ist er der einzige Showrichter, der von der Alpaca Owners and Breeder Association (AOBA) zertifiziert ist. Auf mehr als 40 Shows hat er bereits Alpakas bewertet. "Wir schauen uns zum einen den Körperbau an, wo Gesundheit, Langlebigkeit und Reproduktionsfähigkeit die Ziele sind." Für krumme Beine zum Beispiel gibt es Abzüge. Fast noch wichtiger ist aber das Vlies, also das Fell. "Die Fasern sollen so dünn sein wie möglich. Bei Alpakas gibt es eine große Bandbreite, von seidenweich bis kratzig."

Alpakas stammen ursprünglich aus den Anden in Südamerika.
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Fiepen und Quietschen

Alpakas gehören zu den Neuweltkamelen. Im Vergleich zu den Lamas sind sie kleiner und schmächtiger. Es gibt zwei Arten von Alpakas: Das Huacaya hat feine, gekräuselte Fasern mit Deckhaar; das Suri hat gerade Fasern, was es schmaler wirken lässt. Alpakas wurden vor etwa 6.000 Jahren vom Menschen domestiziert. Ihr wichtigstes Produkt ist die Wolle. Im Gegensatz zu anderen Kamelen verlieren sie ihr Fell nicht eigenständig und müssen daher geschoren werden.

Ihre Heimat haben die Wiederkäuer in Peru, wo noch heute knapp 80 Prozent des Bestands leben. Ein wenig bekannter, aber sehr niedlicher Zug der Tiere: Ihre Laute sind eine Mischung aus Fiepen und Quietschen.

Besonders süß: Baby-Alpakas
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"Alpakas sind Herden- und Fluchttiere", sagt Sarah Gollner, während sie den Kot von Indiana Jones und Jolly Jumper zusammenkehrt. "Richtig wohl fühlen sie sich erst ab fünf Tieren." Gemeinsam mit ihrem Freund Peter Bodlus züchtet Gollner in Frohnleiten in der Nähe von Graz im Nebenberuf Alpakas. Sie sind nicht die Einzigen, die mit ihren 19 Tieren aus Frohnleiten nach Graz gekommen sind: Die Familie Eisenberger ist mit sieben Tieren hier, darunter zwei prächtige Deckhengste. Bei den Eisenbergers ist die Liebe zu den Alpakas wirklich Familiensache: Tochter Julia, 15 Jahre alt, ist als amtierende Alpakakönigin (mit Schärpe) angereist.

Julia Eisenberger mit Alpaka Lisander ist amtierende Alpakakönigin, ihre Familie besitzt sieben Tiere.
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Import verboten

Neuweltkamele erfreuen sich steigender Beliebtheit. Um die 10.000 Alpakas gibt es in Österreich, im Zuchtverband sind 146 Züchter organisiert. Alpakas sind genügsame Nutztiere. Das Wetter in Mitteleuropa macht ihnen wenig aus, zum Fressen brauchen sie nur Gras und Heu. Mit ihrer gespaltenen Oberlippe selektieren sie ihr Futter selbst und kommen so mit Flächen zurecht, auf denen andere Grasfresser nicht mehr ausreichend zu fressen finden würden.

Der Import von Tieren aus Peru ist mittlerweile verboten, es finden sich aber von früher noch einige Zuchtlinien mit ausschließlich "echten" peruanischen Alpakas. Man erkennt sie daran, dass ihrem Namen ein "Peruvian" vorangestellt ist.

Die Alpakatherapie

Am Nachmittag steht die Wahl zum "Publikumsliebling" an. Zwei große Hengste, darunter einer namens Arcadia Invincible, und zwei wenige Monate alte Tiere werden durch die Halle zu einer Freifläche geführt.

Robin Näsemann, jetzt in der Rolle des Moderators, lädt das Publikum ein, sich den Tieren vorsichtig zu nähern. Mit der Vorsicht ist es schnell vorbei: Die Menschen umringen die Alpakas und beginnen, ihnen durch das Vlies zu streichen. Die Tiere bleiben cool: Charakterlich sind Alpakas gutmütig. Solange man ihnen nicht alle Fluchtwege abschneidet, lassen sie sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie werden deshalb nicht nur als Begleiter für Wanderungen, sondern auch zur Therapie eingesetzt.

"Alpakas zwingen dich auch quasi zur Ruhe: Du musst selbst entspannt sein, wenn du mit den Tieren arbeiten willst", sagt Gollner. "Die spüren das sofort." Bei der Wahl zum Publikumsliebling lässt am Ende ein großer, weißer Deckhengst die Konkurrenz hinter sich.

Die Alpakaszene ist überschaubar, es bleibt alles in der Familie. Das Geschäft läuft meistens folgendermaßen ab: Die Alpakazüchter und -halter scheren die Tiere und schicken die Wolle zu spezialisierten Betrieben, wo sie zu Hauben, Schuheinlagen oder anderen Textilien verarbeitet werden. Diese Produkte gehen dann wieder zu den Züchtern, die sie in ihren Hofläden oder auf Märkten verkaufen, oft nebenberuflich. An diesem Wochenende sind alle Züchter und auch die Produzenten der Waren da. Wer an den Ständen entlangspaziert, entdeckt alles von Kleidung über Alpakamilch-Seife bis hin zu Schermaschinen.

Bei der Expo werden Pullover und Handschuhe aus Alpakawolle angeboten, aber auch Seife und Schermaschinen.
Foto: J.J.Kucek

Der Chef spuckt

Wer sich gerne zwei bis drei Alpakas in den Garten stellen möchte, für den gibt es schlechte Nachrichten: Alpakas sind für viele ein Hobby. Sie sind aber auch Nutztiere mit entsprechenden Ansprüchen. Die gesetzlichen Mindestanforderungen sind in der Tierhaltungsverordnung festgehalten. Für drei Alpakas braucht man schon 800 Quadratmeter Fläche, für jedes weitere 80 Quadratmeter mehr. Das ist aber nur die Unterkante, alle Züchter sagen: Es braucht mehr. Wichtig ist auch, ein Gespür für die Tiere zu bekommen. "Alpakas zeigen erst spät, wenn es ihnen nicht gutgeht", sagt Gollner. Das Spucken wird übrigens fast nur für Rangordnungskämpfe innerhalb der Herde eingesetzt. "Als Mensch wird man selten Opfer einer Spuckattacke. Außer man gerät ins Kreuzfeuer."

Noch bis Sonntag bietet die World Alpaka Expo einen Einblick in eine freundliche, leicht verschrobene, aber nicht zuletzt sehr flauschige Welt. Und wer weiß, vielleicht lässt man sich ja von der Begeisterung anstecken. "Wir nennen es gern das ‚Alpakafieber‘", sagt Bernhard Witas. "Wer einmal Alpakas hat, der gibt sie nicht mehr her." (Jonas Vogt, 4.2.2023)