Die vielsprachige Mannschaft rund um Kapitänin Ida treibt auf offenem Meer ihrem Schicksal entgegen. "Human Flowers of the Flesh" überzeugt mit eindrucksvollen Bildern.

Foto: Grandfilm

Für ein Segelboot ist das ein idealer Name: Don du Vent, Geschenk des Windes. Vor allem, wenn sich es von Marseille aus auf den Weg macht, wenn es den frankophonen Teil des Mittelmeers durchkreuzt, wenn es zuerst einmal keinem anderen Gesetz zu folgen scheint als einem der freien Bewegung. Wo der Wind das Boot eben hintreibt. Die Don du Vent hat eine Frau namens Ida als Kapitänin, ihre Mannschaft: Männer aus aller Welt.

Ein Tscheche ist darunter, ein Grieche, die Sprachen wechseln auf dem Boot wie die Winde, und es werden auch kleinere Sprachen gesprochen, wie auch weniger bekannte Winde wehen. Zum Beispiel der Libeccio aus Südwesten. Die Don du Vent ist das Boot, dem sich auch Helena Wittmann mit ihrem Film Human Flowers of Flesh anvertraut.

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Sie folgt ihrerseits diesem Prinzip einer freien Bewegung, die ihr Ziel findet, indem sie nichts zu suchen scheint, außer ab und zu etwas von den Formen, die das Meer so hervorbringt. Korallen, die unter Medusen wachsen und dort versteinert sind, solche Sachen, aber auch ein Gedicht von Ivana Miloš, in dem von "unvollendeten Schmetterlingen" die Rede ist. Fundstücke, die man in einen Atlas eintragen kann, der nicht auf geografische Orientierung zielt, sondern auf idiosynkratische. Das Mittelmeer wird mit einem alten, halb imperialen, halb präpostkolonialen Namen als Mare Nostrum bezeichnet, auch diese Geste der Stiftung eines Zusammenhangs, der sich dem Verkehr auf dem Meer verdankt, eignet Helena Wittmann sich an.

Rätselhaftes in Marineblau

Sie geht zuerst nahezu rein sinnlich vor, so sinnlich, wie das Kodak-Vision-3-Material und entsprechende Instrumente für die Tonaufnahme es erlauben. Das Knarren der Taue ist ebenso wichtig wie die Veränderung, die sich in einem Bild zeigen, wenn es gleichsam unter der Hand antik wird oder wenn es in ein Marineblau taucht, das wie eine Epiphanie eigener Ordnung wirkt.

Human Flowers of Flesh ist ein Experimentalfilm über das Leben im und auf und mit dem Meer. Motivische Spuren tauchen beiläufig auf, im Abspann werden Texte von Friedrich Glauser, Marguerite Duras und eben Ivana Miloš genannt.

Eine Kinospur wird zum Ende hin prominent, denn Ida trifft auf der algerischen Seite des Mittelmeers, in Sidi bel Abbès, auf einen Mann, den man aus Beau Travail (2000) von Claire Denis kennt: den Fremdenlegionär Galoup, den es anscheinend von Djibouti in den Maghreb verschlagen hat, aus einem rätselhaften Film in einen anderen.

Verschlossene Männlichkeit

In beiden Fällen aber ist die Rätselhaftigkeit Teil eines Spiels mit den Attraktionen des Konkreten. Lavant ist ein Schauspieler, der kaum einmal für Figuren zu haben ist, die psychologisch lesbar werden sollen, er ist eher eine Chiffre für eine verschlossene Männlichkeit. Wittmann stellt ihm nun Ida gegenüber, eine klare Deutsche, von der wir aber auch nichts erfahren, was sie als Individuum mit einer bürgerlichen Geschichte lesbar machen würde. Als sie Galoup zum ersten Mal sieht, wirkt das wie ein Zufall, ein Geschenk, das letztlich auch der Wind gestiftet hat. Ein pneumatischer Wind, heiliger Geist, heilig in einem Sinn, der weit hinter das Christentum zurückgeht, in die Moderne. (Bert Rebhandl, 4.2.2023)