Nicht nur FPÖ-Niederösterreich-Chef Udo Landbauer (rechts) freute sich am Sonntag in St. Pölten über den freiheitlichen Wahlerfolg – sondern auch sein Bundesparteivorsitzender Herbert Kickl.

Foto: APA / Helmut Fohringer

Im Burgenland stellt die SPÖ mit Hans Peter Doskozil den Landeshauptmann – und das erfolgreich. Bei der vergangenen Landtagswahl fuhr die SPÖ die absolute Mehrheit ein, bei den Gemeinderatswahlen im Oktober wurde die FPÖ halbiert. Das Erfolgsrezept, wie man sich gegen die Freiheitlichen durchsetzen könne, ist aus Sicht der burgenländischen Sozialdemokraten klar. Es heißt Doskozil. Der sei in allen Belangen besser als Pamela Rendi-Wagner. Die Genossen haben aber versprochen, das bis zu den Wahlen in Kärnten und Salzburg nicht mehr öffentlich an- und auszusprechen.

Daran versuchen sie sich zu halten, auch wenn es schwerfällt. Denn klar ist: Der Erfolg einer Partei geht über die Programmatik, über Inhalte, Authentizität und Glaubwürdigkeit und damit letztlich auch über die Personen, die sie repräsentieren.

Substanzlose Überschriften

Was von Burgenlands Sozialdemokraten kritisiert wird, und das nicht erst seit gestern, sind substanzlose Überschriften, mit denen niemand etwas anfangen könne, sowie das Herumspringen bei Positionen und Themen. Prinzipiell gehe es um Glaubwürdigkeit. Und da müsse man über Rendi-Wagner reden.

Derzeit kursieren mehrere Gerüchte. Eines lautet, dass Doskozil Rendi-Wagner bald ablösen soll – nach der Wahl in Kärnten. Dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser sei Doskozil im Wort, bis zur Wahl "die Bude nicht anzuzünden".

Was im Burgenland als Erfolgsrezept gilt: nahe bei den Menschen und ihren Problemen sein. Zum Beispiel beim Thema Entlohnung. Die Menschen kämen mit ihrem Geld nicht aus. Da gehe es um den Mindestlohn, nicht um eine Viertagewoche. Die Bundes-SPÖ sieht das anders. Noch.

Pragmatischer Zugang

Eines der großen Streitthemen in der SPÖ sind die Bereiche Asyl und Migration. Prinzipiell schwindelt sich die Partei über diese Themen gerne hinweg. Wie man es auch anspricht: Die FPÖ profitiert davon.

Letztlich brauche es einen pragmatischen Zugang: das Thema konkret adressieren, aber nicht zur Ideologiefrage machen. Es geht für die SPÖ um geregelte Migration, Einhaltung der Menschenrechte, Trennung von Asyl und Migration, um den Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit, bilaterale Abkommen, forcierte Rückführungen, um Verfahrenszentren an den Außengrenzen. Da gibt es keine großen Widersprüche in der Partei, dennoch gibt es keine gemeinsame Botschaft. Das müsse sich ändern, sind sich gerade Genossen aus den Ländern einig. Es brauche einen Neustart der Diskussion und eine Entpolitisierung des Themas: Migration dürfe nicht skandalisiert, aber auch nicht verharmlost werden.

Nicht rechts überholen

Stefan Hirsch ist in der Bundespartei für Kommunikation und Strategie verantwortlich. Für ihn ist eines klar: Die SPÖ dürfe nicht den Fehler begehen, die FPÖ rechts überholen zu wollen. "Die FPÖ kann immer noch eins drauflegen. Wir haben Werte, zu denen wir stehen. Das geht sich nicht aus." Hirsch verweist auch auf die Aussagen von Gottfried Waldhäusl. "Dieser Politik der Hetze und des Spaltens müssen wir entgegentreten."

In der Asyl- und Migrationsfrage habe die SPÖ einen Plan, der sachlich und lösungsorientiert sei. Damit könne man die Mitte der Bevölkerung erreichen, ist Hirsch überzeugt. Voraussetzung: Gemeinsamkeit in der Partei, alle müssten an einem Strang ziehen.

Rendi-Wagner habe bereits bewiesen, dass sie die SPÖ Richtung 30 Prozent führen könne. Kernthemen seien Teuerung, Inflation, Pflege, Gesundheit, das müsse man noch vehementer kommunizieren. Das würde auch funktionieren, wenn sich die Partei mit ihren internen Diskussionen nicht selbst im Weg stünde. "Dann dringen wir mit unseren Themen nicht mehr durch."

Also: Doskozil einfangen. Aber das wird nicht gelingen. Denn Doskozil und seine Freunde sind überzeugt, dass Rendi-Wagner die Falsche ist, um glaubwürdig kommunizieren zu können. In der derzeitigen Aufstellung der Partei lässt sich das Problem also kaum lösen.

"Billigpopulismus den Boden entziehen"

Wie also soll die SPÖ unter diesen Rahmenbedingungen auf das Wiedererstarken der FPÖ reagieren? Ein falscher Ansatz, meint Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser. "Reagieren ist nicht der richtige Weg. Es geht darum, zu agieren und selbst Maßstäbe zu setzen. Uns ist da in Kärnten einiges gelungen, wenn auch da und dort mit Fehlern. Aber wir konnten dem Billigpopulismus den Boden entziehen."

Natürlich verfüge dafür die SPÖ als Regierungspartei – wie in Kärnten – über bessere Voraussetzungen als im Bund, in Opposition. Dennoch: Es müsse gelingen, "selbst Themen zu setzen und diese auch zuzuspitzen". Etwa: "Klare Ansagen zum Mindestlohn formulieren, und das fünfmal täglich wiederholen, im Verein mit der Gewerkschaft." Dasselbe bei der Teuerung: Die Position zuspitzen und das SPÖ-Konzept "immer und immer wieder kommunizieren", meint Kaiser.

Auch bei Migration müsse die Position pointiert vermittelt werden. Für alle, die um Asyl ansuchen, soll ein verpflichtendes Sozialjahr eingeführt werden, das sei SPÖ-intern schon festgeschrieben. "Dann könnten die Menschen aktiv etwas für die neue Heimat tun, in der sie leben wollen", sagt Kaiser. Dies entspreche genau dem Geist des Integrationspapiers, das er mit dem burgenländischen Landeshauptmann Doskozil ausgearbeitet habe. Stichwort: Integration vor Zuzug.

Asylthema hat Konjunktur

Auch die ÖVP ringt mit ihrem Zugang zur FPÖ und hat noch keine Lösung gefunden, was man den blauen Erfolgen entgegensetzen kann. Zur ÖVP-Niederlage in Niederösterreich trugen auch Corona-Maßnahmen und Impfpflicht besonders bei, darunter litt die Kanzlerpartei. "Das haben wir in der Partei wirklich selbst verbockt", sagt ein ÖVP-Mann in zentraler Funktion.

Das spätestens seit Sommer wieder sehr präsente Migrationsthema spielte in Niederösterreich auch eine wichtige Rolle – und wird es bundespolitisch weiter tun. Wenn Asyl und Migration Themenkonjunktur haben, profitieren in erster Linie die Freiheitlichen.

Im Infight

Im Innenministerium bestreitet man vehement, Entscheidungen, wie das Veto gegen Rumäniens Schengen-Beitritt, im Hinblick auf die Niederösterreich-Wahl getroffen zu haben. Um eine längerfristige, auch strategische Positionierung zum Thema gehe es aber sehr wohl. Und die werde man beibehalten. Dementsprechend feiert man die jüngste Aussage von EU-Innenkommissarin Ylva Johannson, wonach sie "physische Infrastruktur" zum Schutz der EU-Außengrenzen nicht ausschließe, als österreichischen, sprich: ÖVP-Erfolg. "Das ist ein Ergebnis unserer hartnäckigen Überzeugungsarbeit auf europäischer Ebene", kommentierte Karner das Statement.

Aber ist ein Fokus auf das Migrationsthema bei den aktuell so starken FPÖ-Zugewinnen tatsächlich erfolgversprechend für die ÖVP? Denn gerade für eine Mitte-rechts-Partei im Infight mit Rechtspopulisten birgt das Thema immer ein Dilemma: Überlässt man das Feld mehr der FPÖ, kann sie es praktisch exklusiv beackern – und wird fast automatisch Zugewinne auf türkise Kosten verbuchen. Stürzt man sich dagegen sehr stark auf Asyl und Migration, steht im Raum, das Thema in Wahrheit für die Blauen aufzubereiten – die durch ihre quasi historische Themenführerschaft als "Anti-Ausländer-Partei" mehr davon profitieren als die Volkspartei.

Schmied und Schmiedl

Das wurmt viele Türkise: Die FPÖ könne bei Migration Fundamentalopposition ohne konstruktive Vorschläge betreiben, während man als Regierungspartei für Inhaltliches zuständig sei. "In Wahrheit sind bei diesem Thema wir der Schmied und die FPÖ der Schmiedl", heißt es aus dem Innenressort. "Die FPÖ kann dazu krakeelen, wir haben die internationalen Kontakte." Mit diesen, konkret mit mehreren EU-Mitgliedsstaaten, pflege man bereits länger intensiven Austausch zum Aufbau einer europäischen Allianz.

Und von dieser erhofft man sich künftige Erfolge in der Abwehr illegaler Migration: Ringt sich die EU doch zur Finanzierung von Mauern und Stacheldraht an ihren Außengrenzen durch, kann die ÖVP im Inland darauf verweisen, das in "Pionierarbeit" von der Kommission gefordert zu haben – auch im Rahmen ihrer umstrittenen Schengen-Blockade. Wenn die Zahl der Asylanträge, die im Vorjahr ein Allzeithoch erreichte, wieder sinkt – worauf vieles hindeutet –, ließe sich das als türkiser Erfolg verkaufen, lautet die Hoffnung der Parteistrategen.

Dass all das reicht, um der FPÖ wirksam etwas entgegenzusetzen, darf bezweifelt werden. Die Parteien wollen es glauben. Möglicherweise werden sich die Wählerinnen und Wähler nicht daran halten. (Walter Müller, Martin Tschiderer, Michael Völker, 4.2.2023)