Die für Russen erteilten Visa sorgen weiter für Diskussionen.

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Jedes Jahr, am Donnerstag und Freitag der vierten Woche des Februars, treffen die Delegierten der Parlamentarischen Versammlung (PV) der OSZE in Wien für ihr erstes von drei Treffen zusammen. Gesprochen wird etwa über die parlamentarische Umsetzung jener Beschlüsse, die Staats- und Regierungschefs bei OSZE-Gipfeln treffen – über Sicherheit, Wirtschaft und Demokratie.

Während die anderen Austragungsorte unter den Mitglieds- und Partnerparlamenten alternieren, ist die "Wintertagung" am Sitz des OSZE-Sekretariats in Wien ein Fixpunkt. Dass Wintertreffen und Jahrestag des Ukraine-Krieges und auch noch der Akademikerball nebenan zusammentreffen, sei also Zufall – immerhin sei in Wien Ballsaison, erinnert die Pressestelle der PV auf STANDARD-Anfrage. Eine Verschiebung wurde nie diskutiert.

Und nachdem die Russen die letzten beiden Male nicht eingeladen wurden bzw. keine Visa erhielten, stehen sie diesmal bereit: "Wir beschäftigen uns jetzt mit dem Erhalt des Visums und bereiten uns auf die Reise vor. Ich denke, alles wird normal", sagte der Vizechef des Außenausschusses im russischen Föderationsrat, Wladimir Dschabarow, am Freitag der Zeitung Parlamentarskaja Gaseta. Österreich habe versichert, den elf russischen Abgeordneten Visa zu erteilen.

Russischer Protest

Dies ist im Einklang mit den Aussagen von Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), der sagte, er werde "sicher keinen Rechtsbruch begehen". Aber wie erklärt das Außenministerium (BMEIA) ein dem STANDARD vorliegendes Dokument, aus dem ersichtlich wird, wie Russland noch am 1. Februar bei einer Sitzung des OSZE-Forums für Sicherheitskooperation protestierte? Österreich verweigere zahlreiche Visa russischer Experten, und auch bei der Botschaft zur OSZE sei man mit "ähnlichen Problemen konfrontiert", heißt es dort. Das BMEIA sagt, dass es sich dabei nicht um Konferenzvisa handle. Weil bei Dienstantrittsvisa natürlich genauer hingeschaut werde, dauere es manchmal eben länger. Im Fall der Winterversammlung sei aber die "OSZE formell an das BMEIA mit dem Ersuchen um Ausstellung der Visa für die russischen Delegierten herangetreten".

Der Vizepräsident der PV und OSZE-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Reinhold Lopatka (ÖVP), beruft sich bei der Visagenehmigung wie das Außenministerium auch auf das Amtssitzabkommen zwischen Österreich und der OSZE.

Gerade da sieht der Völkerrechtsexperte von der Uni Innsbruck, Peter Hilpold, aber Spielräume. Das Abkommen verpflichte Österreich, Delegationsmitgliedern die Einreise "zu erleichtern". Das Sanktionsthema werde hier aber nicht angesprochen. "Erleichtern bedeutet also nicht unbedingt eine Verpflichtung zur Ausnahme von Sanktionen", so der Experte. Insgesamt befinde sich Österreich in einer gehörigen Zwickmühle, die womöglich ein EU-Gericht lösen könnte, so Hilpold.

Die Ex-SPÖ-Abgeordnete und ehemalige Präsidentin der OSZE-PV, Christine Muttonen, spricht sich im Gespräch mit dem STANDARD dennoch für die Vergabe der Visa aus. Foren wie die OSZE seien für solche Krisenzeiten gemacht, sagt sie. "Erst dann kann man sie testen." Es gelte, russische Parlamentarier mit den Gräueltaten Moskaus zu konfrontieren. Das funktioniere auf dieser Ebene oft besser als auf Regierungsebene, immerhin gelte in der PV bei Beschlüssen auch das Mehrheitsprinzip, keine Einstimmigkeit.

Offenbar dünne Beweislage

Zwar wird das Außenministerium nicht müde zu betonen, dass die jüngste Ausweisung von vier Diplomaten nichts mit dem Visakomplex zu tun habe und dass man damit auch nicht dem Anschein der Russlandfreundlichkeit zuvorkommen wollte. Erstaunlich ist jedoch, was dazu aus Geheimdienstkreisen zu hören ist. So habe man abseits von "Indizien" durch Partnerdienste bisher nichts Hieb- und Stichfestes gegen die vier ausgewiesenen Diplomaten in der Hand. Durch die Presseaussendung des Außenministeriums habe man gar erst jetzt mit weiteren Ermittlungsmaßnahmen begonnen. Das BMEIA weist diese "absurde Behauptung" zurück, man sei in regelmäßigem Austausch mit den zuständigen Diensten. (Fabian Sommavilla, Fabian Schmid, Kate Manchester, 4.2.2023)