Wenigstens in Niederösterreich wurden die Weichen jetzt richtig gestellt, findet Robert Misik, Buchautor und Kurator des Kreisky-Forums, im Gastkommentar.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten: Die SPÖ-Zentrale kommt nicht zur Ruhe.
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Sehr viele gute Nachrichten gibt es augenblicklich ja nicht für die Sozialdemokraten, so wollen wir hier mit der einen beginnen: Endete der Wahltag in Niederösterreich in einem Desaster, so ist es seither wenigstens ganz famos gelaufen. Nach einer Schrecksekunde trat Franz Schnabl zurück, und mit Sven Hergovich übernahm ein junger Progressiver, der noch kein Leben in den Apparatschikseilschaften hinter sich hat.

Neues Tandem

Als vor einigen Jahren US-Linke wie Bernie Sanders, Alexandria Ocasio-Cortez und linke Ökonominnen wie Stephanie Kelton eine "job guarantee" als wirtschafts- und sozialpolitische Idee ins Gespräch brachten, sagte sich Hergovich als Chef des niederösterreichischen AMS: "Das probier ich aus." In einem ganzen Bezirk – rund um das legendäre Marienthal – garantierte er allen Langzeitarbeitslosen eine Stelle, um zu beweisen, dass das funktionieren kann. Er hat die Geisel der Arbeitslosigkeit dort regelrecht ausgerottet. Aus aller Welt kamen Reporter von CNN bis zum New Yorker, um die Realität gewordene "konkrete Utopie" des zupackenden Reformers zu bestaunen. Sagen wir so: Die SPÖ hat schon schlechtere Personalentscheidungen getroffen.

Für viele Rote eine Zukunftshoffnung: Sven Hergovich übernimmt die niederösterreichische Landespartei nach der Wahlschlappe.
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Ist Hergovich einer, der die Angst und die Bedrängnis aus dem Leben der einfachen Leute bringen will, so soll er in Niederösterreich die Partei jetzt in einem Tandem mit Andreas Babler reformieren, den man halbironisch schon den "guten Menschen von Traiskirchen" nennt. Ein Linker, der zu seinen Werten und Grundsätzen steht, aber ohne jedes akademische Mittelschichtsgehabe, ein geerdeter Typ, der von den Leuten in seiner Stadt ganz selbstverständlich als "einer von uns" angesehen wird. Man soll grundlegende programmatische Ausrichtungen nicht mit Personalentscheidungen verwechseln, aber wenn Personen so etwas wie ein Weltbild verkörpern, dann ist dieses Duo nicht so schlecht ausgewählt. Sieh an, es geht ja.

Blau-rotes Duell

Die nächste Nationalratswahl wird ein Duell zwischen FPÖ und SPÖ um Platz eins. Jetzt starren wieder alle auf die extremistische Radaupartei wie die Kaninchen auf die Schlange.

Die "ideale Besetzung": Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner streut dem neuen SPÖ-NÖ-Chef Rosen. Sie selbst bleibt umstritten.
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Viele Menschen wissen nicht einmal mehr, wie sie ihre Rechnungen begleichen sollen, in das Leben ziehen mehr und mehr Stress und Angst ein, während alle sehen, dass es sich die Reichen, Wohlsituierten, die Champagnisierer und Gutvernetzten richten können. Eine Sozialdemokratie, die ihren Aufgaben gerecht werden will, muss die Anwältin der Benachteiligten und der ganz normalen Leute sein, die nicht mit goldenen Löffeln im Mund geboren wurden, und das nicht nur mit einigen exemplarischen Vorschlägen untermauern, sondern auch mit der ganzen verbalen und nonverbalen Kommunikation ihrer Spitzenleute verkörpern.

Die Sozialdemokratie muss aber auch nicht in eine Konkurrenz um die rabiateste "kantige" Opposition mit den rechten Radikalinskis und Herbert Kickls Hasspredigern einsteigen. Erstens weil vernünftige Menschen diesen Überbietungswettbewerb Richtung närrisches "Dagegensein" immer verlieren werden, zweitens aber auch, weil es ein grundlegendes Bedürfnis nach Sicherheit gibt. Wer glaubhaft macht, dass er oder sie die Dinge gut regeln wird, der oder die wird auch gewinnen. Kleiner Hinweis nebenbei: Olaf Scholz hat das in Deutschland nicht ganz schlecht vorgemacht, und sein zentraler Claim "Respekt" traf einen Nerv.

Hans Peter Doskozil – der Herausforderer aus dem Burgenland.
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Opportunistisch wackeln?

Zugleich braucht es eine klare Kante gegen die FPÖ und die autoritäre Rechte, denn das gehört zur DNA und historischen Aufgabe einer Bewegung für Demokratie, gesellschaftlichen Fortschritt und Modernisierung. Wer hier opportunistisch wackelt und glaubt, man könne andererseits glaubwürdig als Vertreter der einfachen Leute dastehen, lügt sich in den Sack. Es ist ganz einfach: Entweder bist du ehrlich, oder du bist ein taktierender Zickzackfahrer, der vertritt, was gerade passt. Entweder bist du glaubwürdig – oder du bist es nicht. Tertium non datur.

Das ist das Grundlegende, über dem sich sozusagen das politische Showgeschäft erhebt. Klar: Du brauchst einige erkennbare Botschaften, eine Kernidentität, für die du stehst, und die darf nicht im Getöse erratischer Ideen und des Geplappers untergehen. Ein Mindestmaß an Gemeinschaftsgeist kann üblicherweise auch nicht schaden. Dass die Bundesspitze der Partei, die Vorsitzende, ihr Team in der Parteizentrale, die Mann- und Frauschaft im Parlamentsklub seit Jahren kläglich dilettieren, ist für jedermann und jedefrau augenscheinlich. Mit einem Kreisligateam wird man in der Bundesliga nicht leicht reüssieren. (Robert Misik, 5.2.2023)