Es war eine Botschafterbestellung, die in österreichischen Diplomatenkreisen für hochgezogene Augenbrauen sorgte: Der langjährige außenpolitische Kanzlersprecher Etienne Berchtold wurde nach dem Abgang von Sebastian Kurz zum Botschafter in Abu Dhabi ernannt. Ein durchaus wichtiger Posten, gelten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ja als mächtiger Handelspartner. Kurz selbst weilt des Öfteren in Dubai; der Staatsfonds Mubadala ist unter anderem an der OMV beteiligt. Vor dem Abschied Berchtolds nach Abu Dhabi soll es ein ausgedehntes Abendessen in einem Restaurant von Martin Ho gegeben haben, organisiert von Sebastian Kurz.

Sebastian Kurz, flankiert von seinem ehemaligen Sprecher Etienne Berchtold und seiner außenpolitischen Beraterin Barbara Kaudel-Jensen, die Botschafterin in Paris wird.
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Gegen Berchtolds Aufstieg ging ein anderer Bewerber für den Botschafterposten vor. Der sah sich weltanschaulich diskriminiert – und die Gleichbehandlungskommission gab ihm im vergangenen November vollinhaltlich recht. Das Außenministerium (BMEIA) habe den Senat "nicht davon überzeugen" können, "dass die getroffene Personalentscheidung auf einer sachlichen und objektiven Grundlage und eben nicht auf einem weltanschaulichen Motiv beruht", heißt es in einem Gutachten, das dem STANDARD vorliegt.

Erfahrungen im Vergleich

Der unterlegene Kandidat führte aus, dass er selbst Leitungserfahrung an einer Großbotschaft habe, stellvertretender Abteilungsleiter und zuvor Referatsleiter gewesen sei. Er sei stellvertretender Generalkonsul, Stellvertreter des Ständigen Vertreter Österreichs und stellvertretender Botschafter gewesen – Berchtold habe hingegen lediglich als Sprecher im Außenministerium und in der ÖVP gearbeitet und habe nur vor langer Zeit bei der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU in Brüssel Auslandserfahrung gesammelt.

Warum man sich dennoch für ihn entschieden habe? Laut dem unterlegenen Bewerber hat dies mit Berchtolds starker Anbindung an die ÖVP zu tun. Er selbst habe hingegen auch die von der FPÖ nominierte Außenministerin Karin Kneissl beraten und sei aus dem ÖAAB ausgeschieden.

Berchtold ist mittlerweile in der Botschafterrolle angekommen.

In einer Stellungnahme an die Gleichbehandlungskommission argumentierte Berchtold hingegen etwa, er habe als Pressesprecher Führungserfahrung gesammelt, indem er Wirtschafts- und Journalistendelegationen vorbereitet habe, eben auch in die Emirate. Außerdem habe er den Kanzler beraten und Projekte betreut. Berchtold sei außerdem Sprecher bei Shell Austria gewesen und habe so Wirtschaftserfahrungen in einer Branche gesammelt, die gerade in den Emiraten wichtig sei.

Zum Abteilungsleiter sei Berchtold, der einen Doktor in Rechtswissenschaften von der Universität Wien hat, offenbar aber erst nach der Bewerbung gemacht worden, sagt die Gleichbehandlungskommission. Dass diese Tätigkeit in der Entscheidung der Begutachtungskommission dennoch Beachtung fand, könne laut einer Vertreterin des Außenministeriums daran liegen, dass deren Mitglieder "die Bewerberinnen und Bewerber" vermutlich kennen würden und es wohl eine Medienmeldung gegeben habe. Grundsätzlich sei ein Pressesprecher aber "viel wichtiger als ein Abteilungsleiter", sagte die Dienstgebervertreterin vor der Gleichbehandlungskommission. Sie räumt ein, Berchtold habe zwar nur wenig "Auslandserfahrung im eigentlichen Sinn", aber er habe "für sein Alter ungewöhnliche Erfahrung in außenpolitischer Strategie" sammeln können.

Callcenter als Pluspunkt

Auf die Frage des Senats, warum als Pluspunkt für Berchtold sogar dessen Erfahrungen aus einer Callcenter-Tätigkeit während des Studiums (für das BMEIA und zu konsularischen Angelegenheiten, Anm.) angeführt wurden, erklärte das Außenministerium, man habe wohl versucht zu zeigen, dass Berchtold "trotz seiner Jugend und ohne eine Standardkarriere im Außenministerium vorweisen zu können, sehr wohl Tätigkeiten unter großem Druck mit großer Resilienz und großem außenpolitischen Gespür ausgeübt" habe.

Die Gleichbehandlungskommission konnte mit diesen und anderen Argumenten nicht überzeugt werden. Im Gutachten heißt es, Berchtolds berufliche Laufbahn "lässt nicht gerade auf eine Höchstqualifikation für die Leitung einer Botschaft schließen". Es sei "nicht zu übersehen, dass die Präferenz für ihn nicht auf sachlichen Aspekten beruhte". Es bestehe "kein Zweifel", dass hier ein "parteipolitisches Motiv" den Ausschlag gegeben habe.

Die Entscheidung offenbart einmal mehr einen Konflikt, der in vielen Ministerien stattfindet: Beamte, die in der sogenannten "Linie" ihre Karriere machen, fühlen sich durch politische Mitarbeiter benachteiligt, die in die Verwaltung wechseln. Ähnliche Fälle gab es im Innen- und im Finanzministerium. Zu hören ist allerdings auch, dass die Erfahrung in Kabinetten nur schlecht in formale Qualifikationen übersetzt werden kann. Wenn Pressesprecher oder Kabinettschef den Minister oder Kanzler zu Gesprächen in den Kreml oder ins Weiße Haus begleiteten, sammelten sie dort wichtige Erfahrungen, die man als Beamter eben nicht mache, argumentieren manche.

Schadensersatz?

Das Außenministerium sagt auf Anfrage des STANDARD: Die Einschätzung der Begutachtungskommission sei "auch im konkreten Anlassfall objektiv erfolgt" und "kein Bediensteter persönlich benachteiligt worden". Wie kommt die Gleichbehandlungskommission dann zu ihrem Ergebnis? "Die ständige Begutachtungskommission des BMEIA und die Bundes-Gleichbehandlungskommission haben verschiedene Aspekte der Qualifikationen der Bewerber:innen unterschiedlich gewichtet und daher anders beurteilt bzw. rechnerisch gegenübergestellt", heißt es aus dem Außenministerium. Da man das Ergebnis der Gleichbehandlungskommission nicht teile, werde man "keinerlei Zahlungen an den unterlegenen Bewerber in Aussicht" nehmen.

Der kann nun rechtlich gegen das Außenministerium vorgehen und das entgangene Gehalt einfordern – auch die Gleichbehandlungskommission verweist in ihrem Gutachten auf "schadensersatzrechtliche Ansprüche". Bezahlt werden würde das übrigens mit Steuergeld. Kritik gibt es naturgemäß aus den Reihen der Opposition. "Weiterhin ist die Parteinähe für Karrieren entscheidend", sagt Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper. Dass die Regierung den Vorgang verteidigt, zeigt laut Krisper, dass ihr "politisch Kraft und Wille für die nötige Sanierung unserer Demokratie fehlen".

"Als wäre in den letzten Jahren nichts gewesen, glaubt die ÖVP immer noch, die Republik gehöre ihr und Regeln gelten für alle, nur für sie nicht", sagt SPÖ-Klubvize Jörg Leichtfried, der auf "so viele hochqualifizierte Beamtinnen und Beamte mit hoher außenpolitischer Kenntnis und Berufserfahrung" verweist.

"Diese Vorgangsweise lässt wieder einmal tief blicken und zeigt, wie wichtig der Untersuchungsausschuss ist", sagte Christian Hafenecker, FPÖ-Generalsekretär, am Sonntag dazu. "Wenn es der ÖVP ernst ist, sorgt sie für die sofortige Abberufung Berchtolds und eine faire Neuausschreibung." (Fabian Schmid, Fabian Sommavilla, 5.2.2023)