Gegen Gottfried Waldhäusl als Landesrat in Niederösterreich ist nicht viel zu tun.

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Gottfried Waldhäusls Worte tragen Früchte. In der Nacht auf Freitag brachten mutmaßlich Rechtsextreme ein Banner an, das die Ideen des niederösterreichischen FPÖ-Landesrats unterstützt – und zwar an der Schule von Jugendlichen, denen gegenüber sich Waldhäusl rassistisch geäußert hatte.

Waldhäusl hatte am Dienstag bei einer Diskussionssendung auf Puls 4 die Wortmeldung einer Schülerin aus dem Publikum beantwortet. Sie wies den Freiheitlichen darauf hin, dass sie und der Rest ihrer Klasse nicht hier wären, wenn Waldhäusls Politik umgesetzt worden wäre. Waldhäusl gab ihr Recht und erklärte: "Dann wäre Wien noch Wien."

Die Kritik folgte breit und heftig: Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) findet die Aussage "jenseitig", Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) verurteilte sie ebenfalls, für die Grünen handelt es sich um "Hetze". Anwalt Wilfried Embacher brachte eine Anzeige wegen Verhetzung ein.

Megafon statt Hundepfeife

In der Kommunikationswissenschaft spricht man von "Hundepfeifen-Politik", wenn gezielt gewählte Worte für die Allgemeinheit harmlos klingen, von Eingeweihten aber als radikale Botschaft oder Gewaltaufruf verstanden werden. Waldhäusl arbeitete mit seiner Aussage aber nicht mit der Hundepfeife, sondern mit dem Megafon. Und doch stehen seine Chancen, Mitglied der niederösterreichischen Landesregierung zu sein, sehr gut. Wie kann das sein?

grafik: der standard

Die Grundlage dafür liegt im politischen System des Bundeslandes. Es gilt der Proporz, das heißt: Die Sitze in der Landesregierung werden auf die großen Parteien gemäß ihrer Stärke aufgeteilt. Nach dem Wahlergebnis vom Sonntag stehen der ÖVP vier Sitze in der Landesregierung zu, der SPÖ zwei, und die FPÖ erhält drei. ÖVP und FPÖ erhalten zudem fix die zwei Posten der Landeshauptfrau-Stellvertreter – sie brauchen eine Mehrheit unter allen Abgeordneten des Landtags.

Udo Landbauer und Gottfried Waldhäusl sind sich nicht immer einig.
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Was die Wahl einfacher Regierungsmitglieder angeht, hat die Mehrheit der gewählten Mandatare aber schlicht nichts mitzureden. Bei der konstituierenden Landtagssitzung im März werden die Landesrätinnen und Landesräte gewählt – allerdings nicht vom gesamten Landtag, sondern nur von ihren eigenen Parteifreundinnen und Parteifreunden. Auch eine spätere Abwahl ist nur mit Zustimmung der eigenen Partei möglich.

Wobei "Parteifreundschaft" ja ein dehnbarer Begriff ist, auch und vor allem in der FPÖ Niederösterreich: Landesparteiobmann Udo Landbauer und Landesrat Waldhäusl gelten intern nicht als die besten Freunde.

Landbauers Schweigen

Das wird auch von Landbauers Reaktion auf Waldhäusls aktuelle Aussage unterstrichen. Landbauer sagte auf STANDARD-Anfrage nämlich: nichts. Weder zur Frage, ob sich der Sohn einer nach Österreich eingewanderten Iranerin von Waldhäusls Rassismus betroffen fühlt. Noch zur Frage, ob sein Parteikollege einen der drei blauen Posten in der Landesregierung erhält und weiter für Asyl zuständig sein soll.

Landbauers Schweigen eröffnet Interpretationsspielraum: Möglich ist, dass er Waldhäusl ohnehin loswerden möchte und sich deshalb bedeckt hält. Ebenfalls denkbar: Der Landesparteiobmann will bei den fremdenfeindlichen Aussagen Waldhäusls nicht anstreifen, ihm aber auch nicht widersprechen – weil Waldhäusl mit rechtsorientierten Bewohnern des ländlichen Raums eine für die FPÖ Niederösterreich wichtige Zielgruppe anspricht.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner findet Waldhäusls Aussagen "jenseitig", eine Zusammenarbeit schließt sie aber nicht aus.
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Rechtlich ist das einzige Kriterium für den Job als Landesrat, dass das Regierungsmitglied in spe das passive Wahlrecht in Niederösterreich hat – also in dem Bundesland wohnt, alt genug ist und nicht wegen bestimmter Delikte frisch verurteilt wurde oder im Gefängnis sitzt. Gottfried Waldhäusl erfüllt diese Voraussetzungen, auch sein Landesparteichef Landbauer, der die Menschenrechte infrage stellt, ist demnach qualifiziert.

Die Parteien haben also viel Freiheit in der Auswahl ihrer Regierungsmitglieder. Das Proporzsystem stammt aus der Nachkriegszeit, als es galt, die in der Ersten Republik verfeindeten Lager der Sozialisten und Konservativen zu versöhnen – über eine zwangsläufige gemeinsame Regierungsverantwortung. Die meisten Bundesländer haben das System im Laufe der Jahre abgeschafft, aber noch heute gilt das Prinzip in Niederösterreich, Oberösterreich und Wien – wobei die Bundeshauptstadt nicht amtsführende Stadträte erlaubt.

Zwangszuständigkeit

In Niederösterreich hingegen müssen Regierungsmitglieder für etwas zuständig sein – und wer welche Verantwortung trägt, entscheidet der Landtag per Mehrheitsbeschluss. Deswegen richtet sich die Kritik in der Causa Waldhäusl derzeit auch an ÖVP und SPÖ, die dem blauen Landesrat schon 2018 die Zuständigkeiten für Asyl und Integration übertragen haben. Damals war der bisherige blaue Klubobmann für Landbauer eingesprungen, mit dem Mikl-Leitner die Zusammenarbeit wegen der Liederbuchaffäre verweigert hatte.

Entspannt war die Regierungsarbeit mit Waldhäusl aber auch nicht: Der Landesrat träumte laut von einer Ausgangssperre für Asylwerber und ließ das Quartier für jugendliche Flüchtlinge in Drasenhofen mit Stacheldraht umzäunen und mit Hunden bewachen. Wegen seines Agierens in Drasenhofen klagte ihn die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sogar an, die Landeshauptfrau musste als Zeugin aussagen. Das Gericht sah aber keinen Beweis für Amtsmissbrauch und sprach Waldhäusl frei.

Neo-SPÖ-Chef Sven Hergovich hat eine Zusammenarbeit mit Waldhäusl ebenfalls nicht ausgeschlossen.
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Asylagenden nur mit Mehrheit

Werden Schwarz und Rot Waldhäusl auch 2023 diese heiklen Aufgaben zusprechen? Das ist noch unklar: Mikl-Leitner wünscht sich die Wirtschaftsagenden, der designierte SPÖ-Chef Sven Hergovich wäre gerne für Arbeit zuständig. Auch wenn sie ähnliche Ansagen gegen eine Asylzuständigkeit Waldhäusls machen könnten, tun sie es (noch) nicht. Dass der umstrittene Waldviertler Landesrat wird, können Volkspartei und Sozialdemokratie nicht verhindern – auf die Gestaltung seiner Befugnisse haben die beiden Parteien mit ihrer Landtagsmehrheit sehr wohl Einfluss.

Den Parteien stehen also spannende Koalitionsgespräche in St. Pölten bevor. Ob und worauf sich die Parteien im Licht der Causa Waldhäusl mit der FPÖ einigen, wird eine der spannenden Frage vor der Angelobung der neuen Regierung im März. (ANALYSE: Sebastian Fellner, 4.2.2023)