Spionage oder bloß zivile Zwecke? Die USA und China streiten über die Hintergründe des über Montana gesichteten Ballons.

Foto: Larry Mayer/The Billings Gazette via AP

Die chinesische Erklärung klingt kaum glaubwürdig: Eigentlich sei es gar kein "Spionage-Ballon" gewesen, sondern viel mehr ein "ziviles Fluginstrument, hauptsächlich genutzt für Wetteraufzeichnungen, das durch eine Force Majeure vom Weg abgekommen sei."

Das aber überzeugte niemanden mehr. Denn nachdem über dem amerikanischen Bundesstaat Montana am Donnerstag ein chinesischer Ballon gesichtet worden war, ist der Schaden für die ohnehin schwer angeschlagenen amerikanisch-chinesischen Beziehungen groß. Zuletzt wurde sogar noch ein zweiter Ballon über Lateinamerika gesichtet. US-Außenminister Anthony Blinken hätte am Wochenende eigentlich auf Arbeitsbesuch in Peking sein sollen. Es wäre das erste Treffen dieses Kalibers in fünf Jahren gewesen. Das Treffen wurde abgesagt.

Verstimmungen seit Taiwan-Besuch

Der Ballon soll etwa die Größe von drei Bussen haben und segelte oberhalb der Höhe des Flugverkehrs. Ob er tatsächlich, wie die chinesische Seite beteuert, vom Weg abgekommen sei, ist fraglich. In Montana sollen auch amerikanische Langstreckenraketen stationiert sein. Dass sich Amerikaner und Chinesen mit solchen Geräten ausspionieren, ist nichts Neues. Auch heißt es von amerikanischer Seite, es seien schön öfter solche Ballons gesichtet worden. Dieses Mal aber habe sich der Ballon ungewöhnlich lange über der Malmstrom Air Force Base in Montana aufgehalten.

Video: USA schießen chinesischen Ballon ab
DER STANDARD

Die amerikanisch-chinesischen Beziehungen sind spätestens seit dem Besuch der damaligen Parlamentsvorsitzenden Nancy Pelosi auf Taiwan im vergangenen Sommer beschädigt. Die Reise sorgte für große Verstimmungen und den Abbruch der Kommunikationskanäle bei einer Reihe von Themen. Die damalige Sprecherin des US-Repräsentantenhauses war trotz massiver Proteste aus Peking nach Taiwan geflogen – ein Besuch, den die chinesische Regierung als Provokation empfand.

China sucht Entspannung

Was den Ukraine-Konflikt betrifft, vermeidet es Peking bisher, sich klar auf die Seite Russlands zu schlagen. Aber China beteiligt sich nicht an den Sanktionen gegen Moskau und kauft russische Energie derzeit zum "Diskontpreis". Gleichzeitig ist man aktuell an einer Entspannung der Beziehungen zu den USA interessiert. Die internen wirtschaftlichen Probleme des Landes nehmen zu: Auf dem Immobilienmarkt droht noch immer eine Schuldenkrise und der private Konsum hat durch die strikte Zero-Covid-Politik stark gelitten.

Empfindlich treffen dürfte China auch das im Oktober verhängte Halbleiter-Embargo: Damit will Washington das Land von modernste Chip-Technologie abschneiden, da Peking aktuell auf Importe aus den USA und Taiwan angewiesen ist. Erst vergangene Woche war es Washington gelungen, die Niederlande und Japan mit ins Boot zu holen.

USA erhöhen militärischen Druck

Auch aus verteidigungspolitischer Sicht wird die Situation für China unangenehmer. Washington drängt Japan zur Aufrüstung, und der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin war vergangene Wochen auf den Philippinen, um weitere Stationierungen von US-Truppen zu vereinbaren. Auch mit Indien schloss Washington neue Vereinbarungen zur militärischen Kooperation.

All das ist freilich nicht im Sinne Pekings. Dort pocht man zwar nach wie vor auf eine Vereinigung mit Taiwan und schließt dabei auch explizit militärische Optionen nicht aus. Gleichzeitig setzt China auf Zeit, und darauf dass durch die wirtschaftliche Übermacht Chinas in der Region Probleme von selbst lösten. Blinkens Treffen mit Präsident Xi Jinping wäre also vor allem für Peking eine willkommene Gelegenheit gewesen, die wirtschaftlichen Beziehungen etwas zu entspannen. Die chinesische Presse sprach deswegen auch davon, dass der Vorfall nur Wasser auf die Mühlen derjenigen sei, die ständig von der "China-Gefahr" warnen. (Philipp Mattheis, 4.2.2023)