Klarere Töne als jene von Papst Franziskus haben die beiden Kriegsfürsten im Südsudan noch nicht an den Kopf geschleudert bekommen.

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Dieser Papst ist weder zimperlich noch nimmt er ein Blatt vor den Mund. Während seiner sechstägigen Afrika-Reise ließ Franziskus in der vergangenen Woche keine Gelegenheit aus, die für Afrikas Misere verantwortlichen Kräfte zu geißeln: Von den einstigen Kolonialnationen, die mit der "schrecklichen Ausbeutung" von Ländern wie dem Kongo begannen; bis zur "giftigen Gier" ausländischer Mächte und Unternehmen, die diesem "riesigen Land voller Leben, dem Zwerchfell des Kontinents, einen derartigen Schlag in den Magen versetzten, dass es seit einiger Zeit schon nach Atem ringt." "Hände weg vom Kongo! Hände weg von Afrika", fuhr der Papst bei seiner Auftaktrede am Dienstag in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa fort: "Afrika ist keine Mine, die man auskratzen, und kein Gebiet, das man plündern kann."

Drei Tage später warf der Pontifex den beiden um die Macht wetteifernden Führern im jüngsten und korruptesten Land der Welt, dem Südsudan, an den Kopf: "Künftige Generationen werden entweder euren Namen verehren oder sie werden euch aus ihrem Gedächtnis löschen…Die ungleiche Verteilung der Staatsmittel, die heimlichen Komplotte zur Selbstbereicherung, die Patronage-Deals und der Mangel an Transparenz: All das verschmutzt das Flussbett einer menschlichen Gesellschaft."

Stockender Versöhnungsprozess

Vor vier Jahren hatte Franziskus Präsident Salva Kiir und Rebellenführer Riek Machar bei deren Besuch im Vatikan noch die Füße geküsst: Sie sollten im ewigen Bürgerkriegsstaat endlich für Frieden sorgen, flehte er sie an. Doch am Freitag beklagte sich der Papst darüber, dass "der Versöhnungsprozess zum Stocken gekommen und das Friedensversprechen unerfüllt geblieben" sei: "Schluss (Basta!) mit dem Blutvergießen", beschwor Franziskus die Streithähne im Garten der Präsidentenvilla in der Hauptstadt Juba: "Genug der Gewalt und genug der gegenseitigen Beschuldigungen." Klarere Töne haben die beiden Kriegsfürsten noch nicht an den Kopf geschleudert bekommen – abgesehen davon, dass noch kein ausländischer Präsident jemals nach Juba kam. Der 86-jährige Kirchenführer mit Knieproblemen als Afrika-Pionier.

Papst Franziskus mit Südsudans Präsident Salva Kiir.
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Franziskus hat sich seinen vierten Besuch des Kontinents nicht leicht gemacht. Die Demokratische Republik Kongo und der Südsudan sind zwar Hochburgen des Katholizismus in Afrika. Vor allem sind sie jedoch Hochburgen der Gewalt, der Korruption und des Scheiterns der Staaten. "Ich sehe kein Geld vom Export unseres Erdöls", sagt Südsudans Erdölminister Puot Kang Chol: "Ich sehe nur Zahlen auf dem Papier." Die Erdölvorkommen im Land haben den Südsudanesen nur zwei Dinge gebracht: Krankheit und Krieg.

Auch die Priester des Papstes bekamen klare Worte zu hören. "Im Unrecht gibt es keine Neutralität", stellte Franziskus am Samstag vor Hunderten von Geistlichen in Jubas Kathedrale der Heiligen Therese klar: "Wenn Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch herrscht, müsst Ihr euch einmischen." Solche Sätze haben Afrikas Priester von ihrem Oberhaupt – wenn überhaupt – schon lange nicht mehr gehört: Franziskus versteht den katholischen Glauben nicht als Segensspender für die Mächtigen oder als Weihrauch fürs Unrecht. Schließlich stammt der Papst aus Lateinamerika, der Heimat der Befreiungstheologie.

Wunsch nach Frieden

Doch werden seine klaren Worte auch klare Wirkung haben? Sowohl der Kongo wie der Südsudan befinden sich in einer entscheidenden Phase in ihrer Geschichte. Dem Kongo droht ein neuer Krieg mit dem Nachbarland Ruanda, und im Südsudan droht die labile Einigung zwischen Kiir und Machar wieder zu zerbrechen. Hier könnten die eindringlichen Worte des Pontifex die Streithähne zur Besinnung bringen – vor allem den altersstarren Präsidenten Kiir, der sonntags gerne selbst in der Kirche predigt.

Zweifellos wünscht sich die Bevölkerung des Südsudans nichts sehnlicher als Frieden: Eine rund 60-köpfige Gruppe marschierte neun Tage lang von Rumbeck in die Hauptstadt Juba, nur um den Papst zu sehen. "Wenn Du den Tod und die Hoffnungslosigkeit gesehen und gerochen hast, suchst Du mit aller Kraft nach Frieden", sagte eine erschöpfte Pilgerinnen der BBC: "Der Papst ist ein Prophet. Um was er in unserem Land auch immer bittet, wird in Erfüllung gehen." Franziskus sorgte außerdem für eine Premiere der Kirchengeschichte: Er teilte sich in Juba das Rampenlicht mit dem anglikanischen Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, und dem Moderator der Kirche von Schottland, Iain Greenshields. Praktizierte Ökumene.

Papst Franziskus (Mitte) mit dem anglikanischen Erzbischof von Canterbury, Justin Welby (rechts), und dem Moderator der Kirche von Schottland, Iain Greenshields (links).
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Unwahrscheinlicher ist ein bleibender Erfolg der Papstreise im Kongo. Im umkämpften Osten des Riesenreichs von der Größe Westeuropas tummeln sich derzeit neben der kongolesischen Armee über 120 Milizen und Rebellentruppen sowie Soldaten aus den Nachbarstaaten. Sie haben vor allem ein Interesse: ihre Hände an die Bodenschätze zu bekommen. Ende dieses Jahres soll im Kongo außerdem gewählt werden: Dem 95 Millionen Einwohner zählenden Staat steht eine höchst unruhige Zeit bevor.

Am Mittwoch wurden dem Papst in Juba vielfach vergewaltigte Frauen sowie vom grausamen Tod ihrer Angehörigen traumatisierte Männer vorgeführt, die der Pontifex segnete. Um der seit Jahrzehnten anhaltenden Gewalt im Osten des Landes ein Ende zu bereiten, müssten sie ihren Opponenten eine "große Amnestie des Herzens" gewähren, sagte Franziskus. Die blutige Gier nach den Bodenschätzen wird allerdings auch davon nicht ausradiert. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 5.2.2023)