Am Samstag wurde der Ballon vor der US-Küste abgeschossen.

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Vor genau 40 Jahren sang Nena in ihrem Hit 99 Luftballons darüber, wie ein Missverständnis über Ballons einen Weltkrieg auslöst. So weit wird es beim chinesischen Flugkörper nicht kommen, den die US-Luftwaffe über dem Atlantik nun abgeschossen hat. Aber der kugelrunde Zankapfel ist symptomatisch für die zerrütteten Beziehungen zwischen den Großmächten: ein aufgeblasener Konflikt mit viel heißer Luft, der dennoch gefährlich werden kann.

Es ist unverständlich, warum China die USA mit einem so sichtbaren Spionageinstrument provoziert, das kaum Mehrwert gegenüber ihren zahlreichen Satelliten bietet. Genauso wenig bringt dem Weißen Haus der Abschuss eines Ballons, der die USA bereits eine Woche lang überquert hat.

Es kann nur einen Sieger geben

Aber Präsident Joe Biden steht unter starkem innenpolitischem Druck, Härte gegenüber einem Peking zu zeigen, das selbst immer aggressiver auftritt. Beide Seiten inszenieren einen großen geopolitischen Konflikt, in dem es nur einen Sieger geben kann. Diese Haltung zerstört nicht nur eine jahrzehntelang für beide Seiten fruchtbare Beziehung, sondern richtet politischen und wirtschaftlichen Schaden weltweit an.

Trotz der ideologischen Kluft zwischen den liberalen USA und dem diktatorischen China teilen beide genügend Interessen, um eine friedliche Koexistenz zu rechtfertigen. Die USA stellen das Machtmonopol von Chinas Kommunisten nicht infrage, und China strebt – anders als einst die Sowjetunion – weder nach einem Export seines Systems noch nach der Weltherrschaft. Selbst in der heiklen Taiwan-Frage ist eine Verständigung möglich, mit der alle leben können.

Mehrere Entwicklungen sprengen diesen Status quo: China Staatschef Xi Jinping ist zu dem Schluss gelangt, dass der wirtschaftliche Aufstieg die Vorherrschaft der Kommunistischen Partei bedroht; dem wirkt er nun mit Repression nach innen und Feindbildpolitik nach außen entgegen. Weder die aggressive Handels- und Investitionspolitik noch die provokante Wolfskrieger-Diplomatie fördern Chinas nationale Interessen. Aber wenn die Führung in Peking als Hauptziel nicht den eigenen Wohlstand, sondern – wie einst das wilhelminische Deutschland – den geopolitischen "Platz in der Sonne" sieht, dann stellt das die USA sehr wohl vor eine Herausforderung.

Angst vor wirtschaftlichem Abstieg

Dort kommt noch dazu die Angst vor dem wirtschaftlichen Abstieg, der nicht eigenen Versäumnissen zugeschrieben wird, sondern dem Bruch der globalen Handelsregeln durch Peking. Dass es die gibt, steht außer Zweifel. Aber dass nach Donald Trump auch Biden die einzige Antwort darin findet, das Regelwerk des Freihandels selbst einzureißen, lässt sich nur durch eine Mischung aus Innenpolitik und Irrationalität erklären.

Auf der politischen Ebene lebt die Hoffnung, dass der Konflikt – anders als der mit Russland – Getöse bleibt. Ein positives Zeichen wäre, wenn US-Außenminister Anthony Blinken seinen Peking-Besuch bald nachholte. Für die Weltwirtschaft stehen die Zeichen weniger gut. Der kalte Wirtschaftskrieg zwischen USA und China wird alle ärmer machen. (Eric Frey, 5.2.2023)