Das Geständnis von Thomas Schmid hat die Themen des U-Ausschusses zuletzt dominiert.

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Zu lesen wird es in der nächsten Zeit viel geben – jedenfalls über den ÖVP-Untersuchungsausschuss. Der Verfahrensrichter und die Fraktionen sind gerade dabei, ihre Erkenntnisse aus den 46 Sitzungen, 85 Befragungen mit fast 219 Stunden und dem Studium der abertausenden Aktenseiten in Berichtsform zu gießen. Die Grünen haben ihr Resümee am Donnerstag präsentiert; ÖVP, SPÖ, FPÖ und Neos werden folgen.

Viele Facetten werden darin beleuchtet werden, weil jede Fraktion bei den Befragungen ihre eigenen Schwerpunkte gesetzt hat. Einen neuen Schub hatte der U-Ausschuss jedenfalls mit dem Geständnis von Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid bekommen, der ja den Kronzeugenstatus anstrebt. Seine von großem Mediengetöse und hohen Erwartungen begleitete Befragung war in den Augen der Abgeordneten und der Öffentlichkeit aber ein Schlag ins Wasser – sagte der Beschuldigte doch so gut wie nichts. Danach versandete der U-Ausschuss, weil sich die zerstrittenen Fraktionen nicht auf einen weiteren Fahrplan einigen konnten. Ein Blick auf einige der losen Enden der Affären, die Österreich noch einige Zeit beschäftigen werden.

Kurz und Co: Die vielen Ermittlungen gegen (Ex-)Türkise

Am meisten Aufmerksamkeit hat neben Thomas Schmid wohl die Befragung von Sebastian Kurz, Ex-Kanzler und Ex-ÖVP-Parteichef, auf sich gezogen. Er musste den Abgeordneten im Oktober 2022 Rede und Antwort stehen, also rund ein Jahr nach dem Ende seiner Kanzlerschaft.

Deren Schlussphase war durch die Ermittlungen gegen Kurz und dessen Angriffe auf die WKStA geprägt. Die Antikorruptionsbehörde ermittelt wegen der Inseratenaffäre ("Beinschab-Tool") sowie wegen des Verdachts auf Falschaussage.

Da schließt sich der Kreis zum sogenannten Ibiza-U-Ausschuss, der bis September 2021 gelaufen ist: Kurz wird ja vorgeworfen, in seiner Befragung am 24. Juni 2020 falsch über die Umstände von Schmids Bestellung zum Öbag-Chef ausgesagt zu haben. Da geht es unter anderem um die Frage, ob Kurz "informiert oder involviert" gewesen sei.

Die WKStA hat ihre Ermittlungen beendet und ihren Vorhabensbericht, ob sie anklagen oder einstellen will, bereits an die Oberbehörden weitergeleitet. Um denselben Vorwurf geht es bei Kurz’ einstiger Stellvertreterin an der ÖVP-Spitze, Ex-Casinos-Austria-Chefin Bettina Glatz-Kremsner, sowie bei seinem Kabinettschef Bernhard Bonelli. Alle Beschuldigten bestreiten diesen Vorwurf, es gilt die Unschuldsvermutung. Involvierte Juristen erwarten, dass die Entscheidung der Justiz frühestens im April fallen wird.

Schatten auf der FMA: Brisante Chats mit Ex-Minister Müller

Als Kabinettschef und dann auch noch Generalsekretär hat Thomas Schmid das Finanzministerium jahrelang geprägt – manche sagen, er habe dort alle Fäden gezogen. Viele seiner früheren Weggefährten besetzen nach wie vor Schlüsselposition im Ministerium und in dessen Umfeld.

Vor kurzem an den U-Ausschuss übermittelte Chats zeigen einmal mehr, wie eng Schmid etwa mit dem damaligen Sektionschef und späteren Kurzzeitfinanzminister Eduard Müller kooperiert hat. Schmid holte Informationen über Finanzverfahren ein und bat selbigen, sich Steuerverfahren näher anzuschauen – etwa mit den Worten: "Edi, Hans Georg quält den Nitsch! Bitte schaue dir das an." Da ging es um Steuerangelegenheiten von Künstler Hermann Nitsch, der im April 2022 gestorben ist. Viel wurde da auch über Postenbesetzungen kommuniziert. Später, als Schmid schon bei der Öbag war, besprach man in Chats das Verhältnis zwischen Finanzministerium und Staatsholding. "Ich verstehe die Lust auf so viel Involvierung einfach nicht", meinte Schmid damals in Richtung Müller: Ersterer war schon Öbag-Chef, Letzterer vorübergehend Finanzminister.

Seit Februar 2020 ist Müller im Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA) und im Finanzministerium karenziert. Die Oppositionsparteien haben im U-Ausschuss seinen Rückzug gefordert. Müller bestreitet die Vorwürfe, auch für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Umstrittene Vergaben: Umfragen, Kampagnen und Wahlkämpfe

Stunden- und tagelang haben Abgeordnete und Auskunftspersonen das Thema Ministeriumsaufträge abgehandelt. Die Opposition vermutet, dass ÖVP-geführte Ministerien wie das Landwirtschafts- oder das Finanzressort parteinahe Agenturen bevorzugt beziehungsweise über den Umweg solcher Vergaben die ÖVP gefördert haben.

Ein Auslöser für die Einsetzung dieses U-Ausschusses war die Causa Beinschab. In der geht es auch um den Vorwurf, das Finanzministerium habe Studien und Umfragen bezahlt, deren Daten und Veröffentlichung der ÖVP zugutegekommen seien. Beinschab ist Kronzeugin, ermittelt wird gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP), Kurz und einige Berater, die die Vorwürfe bestreiten.

Ein ähnliches Umfragemodell will die SPÖ rund um ein weiteres Meinungsforschungsinstitut gefunden haben, das von einem früheren ÖVP-Funktionär geleitet wird. Kurz vor der Niederösterreich-Wahl wurde bekannt, dass die SPÖ auch die Agentur Media Contacta angezeigt hat, die als ÖVP-nah gilt, weil sie in vielen Wahlkämpfen beauftragt wurde. Die WKStA ermittelt gegen sechs Beschuldigte wegen des Verdachts wettbewerbsbeschränkender Absprachen. Auch hier werden die Vorwürfe bestritten. ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger gab sich über die Anzeige derart empört, dass er weitere Sitzungen des U-Ausschusses unterband.

Personalbesetzungen: Ermittlungen gegen den Nationalratspräsidenten

Als wäre Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) als U-Ausschussvorsitzender nicht umstritten genug, platzte im Frühjahr auch noch eine politische Bombe: Die WKStA hat Ermittlungen gegen den Inhaber des zweithöchsten Amtes im Staat eingeleitet, es geht um Postenbesetzungen in seiner Zeit als Innenminister.

Einmal mehr wurde der Vorsitzende also selbst Thema im U-Ausschuss – beim Ibiza-Ausschuss war es ja oft um Sponsoring des Glücksspielkonzerns Novomatic für das von Sobotka mitgegründete Alois-Mock-Institut gegangen.

Bei der Jobcausa geht es um Spitzenpositionen bei der Polizei, die Verdachtsmomente ergeben sich aus Chats von Sobotkas einstigem Kabinettschef Michael Kloibmüller. Beide bestreiten die Vorwürfe, und es gilt die Unschuldsvermutung.

Einmal mehr wechselte der 67-jährige Hobbygärtner also im Camineum der Nationalbibliothek vom Platz des Vorsitzenden nach rechts auf den der Auskunftsperson. Befragt wurde er im Oktober auch zu einer "Interventionsliste", die eine Kabinettsmitarbeiterin für ihn angelegt haben will.

In Umfragen, in denen das Vertrauen der Bevölkerung zu Politikern abgefragt wird, schnitt Sobotka zuletzt kläglich ab. Nicht einmal im Niederösterreich-Wahlkampf war er viel zu sehen. Aus der Couleur der ÖVP ist zu vernehmen, dass sein Rückhalt in der Partei immer mehr schwindet.

Steuercausen: Ermittlungen gegen Benko und Wolf

Einschneidende Folgen hatten die Chats von Thomas Schmid auch für mehrere prominente österreichische Unternehmer. Die bekanntesten sind wohl Signa-Gründer René Benko und Siegfried Wolf, einst bei Magna, mittlerweile eng mit dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska verbunden. Der wiederum steht auf mehreren Sanktionslisten. Deripaska ist indirekt mit ungefähr 28 Prozent am Baukonzern Strabag beteiligt. Er streitet mit anderen Miteigentümern inzwischen vor Gericht.

Sowohl Wolf als auch Benko werden verdächtigt, über Schmid Einfluss auf ihre Steuerangelegenheiten genommen zu haben. Schmid bestätigt das in seinem Geständnis. Er wirft Benko vor, ihm einen Job bei der Signa in Aussicht gestellt zu haben. Laut WKStA hat Benko "dem damaligen Generalsekretär (Schmid) für die parteiische Unterstützung im Steuerprüfungsverfahren seines Konzerns einen Vorteil, nämlich eine gutbezahlte Führungsposition in diesem Konzern, angeboten". In Chats schrieb Schmid an Benko, "deine und unsere Leute hatten gutes Treffen! ... war gutes Gespräch – läuft in die richtige Richtung! ... jetzt müssen wir noch den Rest hinbringen."

Wolf hingegen soll die Chefin des für seinen Akt zuständigen Finanzamts bestochen haben, und Schmid soll ihm dabei geholfen haben. Die beiden Unternehmer bestreiten die Vorwürfe, und es gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, Fabian Schmid, 5.2.2023)