Die zwei Szenen, die vor mehr als vier Jahrtausenden in einer altägyptischen Grabkammer verewigt wurden, gelten als die ältesten bekannten Darstellungen eines chirurgischen Eingriffs. Das Marmorrelief kann auch noch bei heutigen Betrachtern – die männliche Form ist beabsichtigt – ein gewisses Unbehagen erzeugen. Offensichtlich geht es um Eingriffe am Penis, vermutlich um Beschneidungen an zwei erwachsenen Männern.

Kein Wunder, dass über diese expliziten Illustrationen bereits viele medizinhistorische Texte verfasst wurden, die das schmerzhafte Geschehen beschrieben und deuteten. Nun kam eine neue Interpretation hinzu: Womöglich ist hier erstmalig eine lokale Betäubung – oder deren Folge – bildlich festgehalten.

Doch alles der Reihe nach. Beim Grab handelt es sich um jenes von Ankhmahor, der ein politischen Berater von König Teti aus der Sechsten Dynastie war. Das Grab befindet sich in der Nekropole von Sakkara in Gizeh (20 Kilometer südwestlich von Kairo) und wurde auf das Jahr 2.340 vor unserer Zeitrechnung datiert. Obwohl es keine Hinweise darauf gibt, dass Ankhmahor selbst ein Arzt war, wird seine Gruft wegen der verschiedenen medizinischen Szenen, die in die Wände eingemeißelt sind, als "Arztgrab" bezeichnet.

Das Original der zwei Beschneidungsszenen an den Wänden der Grabkammer von Ankhmahor.

Berühmte Penisoperationen

Die berühmteste dieser Szenen ist die Beschneidungsszene, die seit ihrer Entdeckung durch Victor Loret im Jahr 1897 Gegenstand zahlreicher Interpretationen ist. Die Szene ist in zwei Abschnitte unterteilt und zeigt zwei Phasen oder Versionen einer Penisoperation. Auf der linken Seite wird ein Mann offenbar von einem anderen Mann gefesselt, während eine dritte Figur an seinem Penis herumwerkt und (in Hieroglyphen) sagt: "Haltet ihn still. Lasst ihn nicht ohnmächtig werden."

Auf der rechten Seite hingegen ist der Mann, an dessen Glied manipuliert wird, ungefesselt. Der Patient sagt in diesem Fall, er solle – vermutlich die Vorhaut – "wirklich gründlich abtrennen". Auf diesen mutigen Befehl hin verspricht der Operateur "behutsam vorzugehen".

Verschiedene Interpretationen

Eine geläufige Interpretation geht davon aus, dass die rechte Seite der Szene einen jungen Mann zeigt, der sich bei der Vorbereitung auf die Beschneidung tapfer verhält, während die linke Seite dieselbe Person einige Augenblicke später während des Eingriffs am Rande der Ohnmacht zeigt.

Darstellung der Szenen auf einer ägyptischen Postkarte aus modernen Zeiten.

Eine andere Lesart der Szene geht davon aus, dass es sich bei dem linken Teil der Szene gar nicht um eine Beschneidung handeln könnte, sondern um eine chirurgische Behandlung, eine Paraphimose, die auch als "spanischer Kragen" bezeichnet wird. Eine Paraphimose tritt auf, wenn eine infizierte Vorhaut anschwillt und sich bis unter die Eichel des Penis zurückzieht, wodurch der Blutfluss unterbrochen wird und es zu einem Wundbrand kommen kann. Dies würde die stärkeren Schmerzen des Patienten auf der linken Seite erklären, während die Beschneidung auf der rechten Seite als Anleitung zur Vorbeugung von Paraphimose betrachtet werden könnte.

Neue Deutung mit Betäubung

Eine neue Interpretation des Marmorreliefs geht nun davon aus, dass die Szenen zwei verschiedene Techniken zur Durchführung einer Beschneidung darstellen. Der unglückliche Mann auf der linken Seite, so Mohammad Hazem I. Ahmad Sabry (Medizinische Fakultät der Universität Alexandria), scheint sich ohne Schmerzmittel beschneiden zu lassen, was erklären könnte, warum er festgehalten und daran gehindert werden muss, ohnmächtig zu werden.

Der überraschend entspannte Mann auf der rechten Seite hingegen hat möglicherweise ein Schmerzmittel erhalten und fühlt sich daher weniger unwohl. "Wir haben keine Informationen über die Art des Stoffes, der verwendet wurde, um zu verhindern, dass der Beschnittene zu kämpfen hat", schreibt Ahmad Sabry im Fachblatt "Anesthesiology". Dennoch kommt er zum Schluss, dass die alten Ägypter womöglich Kenntnisse lokaler Betäubungsmittel hatten.

Legendärer "Stein von Memphis"

Dazu gibt es eine weitere Interpretation: Der schmerzempfindliche Mann auf der linken Seite könnte gerade mit dem "Stein von Memphis" behandelt worden sein. Dieses lokale Betäubungsmittel ist aus der Antike bekannt und bestand üblicherweise aus einer Paste aus Marmorstaub und Essig, die, auf die Haut aufgestrichen, diese unempfindlich gegen Schmerzen machen sollte. Es könnte also sein, dass der Mann auf der linken Seite tatsächlich derjenige ist, der ein lokales Betäubungsmittel erhält – um dann auf der rechten Seite ohne Schmerzen beschnitten werden zu können. (tasch, 6.2.2023)