Die Maske gehöre längst in den Müll, sind sich auf Social Media wieder einmal viele einig. Grund dafür ist eine aktuelle Cochrane-Analyse. Doch diesen Schluss lässt die Analyse gar nicht zu.

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Die Maske und ihre Sinnhaftigkeit machen wieder einmal die Runde auf Social Media und Twitter. Tenor der Meldungen: Masken haben keinerlei Auswirkung auf die Ausbreitung eines Virus und seien demnach sinnlos. Das soll eine Analyse des renommierten Forschungsnetzwerks Cochrane zeigen. So zumindest lesen es jene, die in ihrer Einstellung maßnahmenkritisch sind.

Der Hintergrund: Cochrane, ein globales, unabhängiges Netzwerk aus Wissenschaftern, Ärztinnen, Angehörigen der Gesundheitsfachberufe, Patientinnen und weiteren an Gesundheitsfragen interessierten Personen, die regelmäßig Studien auf ihre Richtigkeit abklopfen, hat zahlreiche Studien analysiert, die physikalische Eingriffe untersuchen – etwa das Tragen einer Maske –, die die Ausbreitung von Atemwegsviren verhindern sollen.

Nun wird behauptet, die Analyse beweise, dass Masken nicht oder kaum vor einer Übertragung des Virus schützen. Doch so eine Deutung lässt die Arbeit gar nicht zu. In der Analyse bündeln die Autorinnen und Autoren Studienergebnisse zur Wirksamkeit von nichtpharmakologischen Maßnahmen wie Händewaschen, Abstand halten oder eben dem Tragen von Maske.

Schwerpunkt auf früheren Infektionswellen

Insgesamt wurden 78 Studien analysiert, zum Influenzavirus, zu Sars-CoV-2 oder auch zum Schweren Akuten Respiratorischen Syndrom (Sars). Der Großteil der Studien bezieht sich auf Hochsaisonen für Atemwegsviren bis ins Jahr 2016, also eine Zeit lange vor der Corona-Pandemie. Insgesamt sechs Studien wurden während der Covid-19-Pandemie durchgeführt: zwei aus Mexiko, je eine aus Dänemark, Bangladesch, England und Norwegen.

In der Analyse der gesichteten Studien kommen die Verfasserinnen und Verfasser zu dem Schluss, dass "das Tragen von Masken in der Bevölkerung wahrscheinlich einen geringen oder gar keinen Einfluss auf das Auftreten von Erkrankungen wie Grippe und Corona" habe. Sie weisen aber auch ganz klar darauf hin, dass "das hohe Risiko von Verzerrungen, die Unterschiede bei der Messung der Ergebnisse und das relativ geringe Befolgen der Maßnahmen während der Untersuchungszeiträume es schwer machen, eindeutige Schlüsse zu ziehen". Wie gut Masken tatsächlich vor dem Coronavirus schützen, müsse deshalb dringend weiter untersucht werden, hier gebe es eindeutig noch Forschungslücken.

Den "weitreichenden Deutungen in sozialen Medien" will Cochrane Deutschland auch selbst gleich vorgreifen, indem es in einer Stellungnahme darauf hinweist, welche Einschränkungen die analysierten Studien aufweisen. Unter anderem Mängel im Studiendesign und unzureichende Aussagekraft, weil die Studien mit anderen Viren als Sars-CoV-2 durchgeführt wurden. Die Frage, ob die Studienteilnehmenden ihre Masken wirklich regelmäßig und korrekt getragen haben, sei außerdem schwer zu überprüfen.

Experte beurteilt Ergebnisse kritischer

Der Schluss, dass das Maskentragen nicht wirke, wird von dieser Stellungnahme der Autorinnen und Autoren bereits entkräftet. Und auch Experten sehen die Analyse kritischer. Gerald Gartlehner, Epidemiologe und Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation an der Donau-Universität Krems, interpretiert die Analyse anders als die Cochrane-Autoren: "Hier werden Studien herangezogen, die respiratorische Infekte über viele Jahre untersucht haben, der Großteil bereits vor Sars-CoV-2. Da ist immer die Frage, wie konsequent die Maske tatsächlich getragen wurde. Das war bei Corona sicher viel konsequenter als vor 20 Jahren."

Und Gartlehner betont, dass die größte analysierte Studie, die tatsächlich während der Corona-Pandemie durchgeführt wurde, jene aus Bangladesch, schon klar positive Effekte durch das Tragen von Maske zeigt. "Nicht alle erhobenen Daten sind statistisch signifikant, das bedeutet aber nicht, dass die Maßnahme nicht wirkt. Und gerade die großen Studien zeigen einen positiven Effekt der Maske. In Bangladesch hat man auch den Nutzen eines Mund-Nasen-Schutzes untersucht, nicht nur der FFP2-Maske, und auch die zeigt einen positiven Effekt."

Auch DER STANDARD hat bereits ausführlich über den Nutzen von Masken berichtet, Expertinnen und Experten sind sich einig, dass der individuelle Nutzen stark davon abhängt, wie konsequent man die Maske trägt. Auf gesellschaftlicher Ebene reduziert sich der Nutzen vor allem dadurch, dass viele Menschen die Maske nicht oder nicht richtig tragen.

Weitere in der Pandemie durchgeführte Studien, wie etwa eine im Fachjournal "The Lancet" veröffentlichte von Mitte 2020 oder eine Ende 2021 im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) publizierte, zeigen ebenfalls, wie gut Masken wirken können: Wenn eine nichtinfizierte und eine infizierte Person jeweils gut sitzende FFP2-Masken tragen, beträgt das maximale Ansteckungsrisiko nach 20 Minuten selbst auf kürzeste Distanz in einem Raum kaum mehr als ein Promille. (Pia Kruckenhauser, 6.2.2023)