Der ÖVP-Klub im niederösterreichischen Landtag wird für die nächsten fünf Jahre sehr männlich sein.

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St. Pölten – Der künftige Landtagsklub der niederösterreichischen Volkspartei wird sehr männlich: Nur zwei der 23 Abgeordneten in der schwarzen Fraktion sind Frauen. Grund dafür ist eine bewusste Entscheidung der Partei. Statt auf das normale Listenwahlrecht zurückzugreifen, setzt die Volkspartei ihr eigenes Vorzugsstimmensystem um: Wer auf den Bezirkslisten die meisten persönlichen Stimmen bekommt, erhält ein Mandat.

Das gesetzliche Vorzugsstimmensystem sieht hingegen sehr hohe Hürden vor, bevor es besonders beliebten Kandidatinnen und Kandidaten einen Listenplatz beschert. Um ihr Modell durchzusetzen, müssen hunderte Verzichtserklärungen unterschrieben werden – nämlich von jenen Personen, denen der Listenplatz dem Gesetz nach zustehen würde.

"Vorzugsstimmensystem überdenken"

Dass das System der Partei zu einem so wenig diversen Klub führt, ärgert Doris Berger-Grabner, die Leiterin der niederösterreichischen ÖVP-Frauen. "Durch dieses Vorzugsstimmensystem sind tatsächlich dieses Mal sehr viele Frauen nicht zum Zug gekommen. Für mich stellt sich die persönliche Frage, ob dieses Vorzugsstimmensystem nicht zu überdenken ist", sagte Berger-Grabner zu noe.orf.at. Frauen hätten es etwa aufgrund fehlender Netzwerke in der Politik oft schwerer. Sie bringt ein Reißverschlusssystem ins Spiel, bei dem auf jeder Liste abwechselnd ein Mann und eine Frau kandidieren würde.

Eine systematische Benachteiligung von Frauen sieht man in der Landespartei jedoch nicht: "Egal ob Frau oder Mann, bei uns haben einzig und allein die persönlichen Vorzugsstimmen in den Bezirken über den Einzug in den Landtag entschieden", sagt Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner in einem Statement an den STANDARD. Das schwarze Vorzugsstimmensystem sei "ein bewährtes und faires Modell, da alle Kandidatinnen und Kandidaten die gleichen Chancen bekommen".

Systemwechsel nicht ausgeschlossen

Auch wenn das Modell aus ÖVP-Sicht "bewährt und fair" ist, scheint eine Systemänderung vor der nächsten Landtagswahl nicht ausgeschlossen: "Welches System bei künftigen Wahlen zur Anwendung kommt, wird rechtzeitig vor diesen Wahlgängen entschieden", sagt Ebner. (Sebastian Fellner, 6.2.2023)