Ungarn liegt im Ranking von Transparency International erschreckend weit unten: Ministerpräsident Viktor Orbán.

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Endlich hat es Ministerpräsident Viktor Orbán geschafft: Ungarn ist in einem wichtigen, ja symbolträchtigen Bereich Nummer eins der Europäischen Union geworden. 2020 hat es immerhin zwei Rivalen, Bulgarien und Rumänien, gegeben. 2021 noch Bulgarien, aber 2022 gelang es endlich: Ungarn gilt nun als korruptester Mitgliedsstaat der Europäischen Union. In dreizehn Jahren der Orbán-Regierung stürzte Ungarn vom 46. auf den 77. Platz unter 180 Staaten auf der Rangliste von Transparency International ab.

Trotz dieses Triumphs ist der ungarische Regierungschef bescheiden geblieben. Vor einigen Tagen gab er anlässlich des Freundschaftsbesuches des Präsidenten Aserbaidschans, Ilham Alijew, in Budapest bei einem Pressegespräch zu: Er habe zwar sehr viel von Alijew gelernt, aber noch viel von ihm zu lernen.

Persönliche Freundschaft

Alijew, der Sohn des langjährigen kommunistischen Parteichefs und nach dem Zerfall der Sowjetunion ersten Präsidenten des unabhängigen Aserbaidschan, herrscht seit 20 Jahren in Baku. Sein "Musterstaat" (Orbán über Alijews Regime) liegt auf der 157. Stelle der Korruptionsliste von Transparency International. Alijew selbst wurde schon im Dezember 2012 der Titel "Korruptester Mann des Jahres" von einer internationalen Organisation zugesprochen.

Er wurde für diesen Titel ausgewählt aufgrund von Enthüllungen, die erstmals dokumentiert aufzeigen, wie seine Familie große Anteile der lukrativsten Branchen der Wirtschaft Aserbaidschans – Banken, Telefongesellschaften, Mineral sowie Bauindustrie – übernommen hat. Die enge persönliche Freundschaft zwischen Alijew und Orbán, zwischen den Herrschern von zwei voneinander so entfernten Staaten, geht auf eine höchst umstrittene Entscheidung Orbáns zurück.

Lukrative Geschäftskontakte

Anfang 2004 hatte ein Offizier aus Aserbaidschan bei einem Nato-Kurs in Budapest seinen Zimmernachbarn, einen armenischen Offizier, in der Nacht mit einer Axt ermordet. Er wurde wegen der abscheulichen, aus nationalistischen Motiven begangenen Tat von einem Budapester Gericht zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt. Er wurde aber bereits Ende August 2012 auf Anweisung des Ministerpräsidenten, trotz der Opposition des damaligen Außen- und Justizministers, freigelassen.

Während der begnadigte Offizier in seiner Heimat jubelnd empfangen wurde, brach Armenien aus Protest die diplomatischen Beziehungen zu Ungarn ab. Seitdem blühen die Beziehungen zwischen Baku und Budapest, Präsident Alijew hat Ungarn viermal und Orbán Aserbaidschan dreimal besucht. Beide haben jeweils Lobgesänge aufeinander angestimmt. Eingeweihte Beobachter meinen, dass auf höchster Ebene auch lukrative Geschäftskontakte geknüpft worden seien.

Die Beziehungen zwischen den beiden Familien sind so herzlich, dass Orbán Frau Alijew zur Anerkennung "ihrer karitativen Tätigkeit in Baku" 2016 sogar einen hohen ungarischen Orden überreicht hat.

Inzwischen ist Frau Alijew nach einer Verfassungsänderung 2017 zur Vizepräsidentin, also zur Stellvertreterin ihres Mannes, ernannt worden. Anikó Lévai, Orbáns Frau, gehört übrigens auch zu den einflussreichsten Persönlichkeiten in Ungarn, aber bisher und wohl auch in der Zukunft ohne offizielle Funktion. (Paul Lendvai, 7.2.2023)