Der Terrorprozess fand im Großen Schwurgerichtssaal am Wiener Landesgericht statt.

Foto: APA/EVA MANHART

Wien – Die Staatsanwaltschaft Wien wird nach dem Terrorprozess, der in der Nacht auf vergangenen Donnerstag am Landesgericht mit lebenslangen Freiheitsstrafen für zwei Angeklagte und langjährigen Haftstrafen für zwei weitere mutmaßliche Unterstützer des Attentäters von Wien zu Ende gegangen ist, in zwei Fällen Strafberufung einlegen. Das teilte Behördensprecherin Nina Bussek am Montag auf APA-Anfrage mit. Betroffen davon sind der Dritt- und der Sechstangeklagte. Unterdessen ist ein Slowene, der mutmaßlich als Waffenhändler fungiert haben soll, weiterhin auf freiem Fuß. Die slowenischen Behörden lehnten die Übernahme der Strafverfolgung ab.

Staatsanwaltschaft will höhere Strafen

Der Drittangeklagte hatte in erster Instanz wegen terroristischer Straftaten in Verbindung mit Beteiligung an Mord, Mitgliedschaft in der radikal-islamistischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und Verbreitung von IS-Propagandamaterial 20 Jahre Haft ausgefasst. Sechs von acht Geschworenen waren überzeugt, dass er an Vorbereitungen am Anschlag und an der geplanten Flucht des Attentäters beteiligt war sowie diesen in Richtung Tatbegehung bestärkt hatte.

Der 24-Jährige wäre nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Wien – wie der Viert- und der Fünftangeklagte – ebenfalls zu lebenslanger Haft zu verurteilen gewesen, zumal er den Attentäter bereits 2018 zum IS nach Syrien begleiten hatte wollen. Die beiden IS-Sympathisanten waren damals aber vor dem beabsichtigten Grenzübertritt auf türkischem Territorium festgenommen und von den türkischen Behörden nach Österreich abgeschoben worden. Am 25. April 2019 wurden beide vom Wiener Landesgericht für Strafsachen jeweils zu 22 Monaten unbedingte Haft verurteilt. Die Inhaftierung und das Durchlaufen eines Deradikalisierungsprogramms seitens des Vereins Derad hielt augenscheinlich weder den Attentäter noch – folgt man dem nicht rechtskräftigen vorwöchigen Urteil – seinen 24-jährigen Bekannten nach deren Haftentlassung von der Begehung weiterer terroristischer Straftaten im Namen des IS ab.

Eine höhere Strafe verlangt die Staatsanwaltschaft auch für den Sechstangeklagten, auf dessen Spur die Strafverfolgungsbehörden erst relativ spät gekommen waren. Der Mann wurde erst am 12. April 2021 in U-Haft genommen. Weil er nach Dafürhalten der Geschworenen den Terroranschlag förderte, indem er sich ab April 2020 dafür einsetzte, dass der Attentäter an Schusswaffen kam, und im Juni 2020 den Kontakt zu einem Waffenvermittler herstellte, fasste der 23-Jährige in erster Instanz 19 Jahre Haft aus.

Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet

Die Rechtsvertreter des Dritt- und des Sechstangeklagten hatten bereits unmittelbar nach der Urteilsverkündung jeweils Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet. Dasselbe taten auch die Verteidiger des Viert- und des Fünftangeklagten, die für die Vermittlung der Kalaschnikow und einer Pistole an den Attentäter bzw. Unterstützung und Bestärkung des Attentäters ab Mitte Juli 2020 bis zum Anschlag und Vorbereitens der Tatwaffen jeweils lebenslange Haftstrafen kassiert hatten.

Somit muss sich zunächst der Oberste Gerichtshof (OGH) mit den Rechtsmitteln der vier vom Erstgericht streng Bestraften auseinandersetzen.

Zwei Urteile bereits rechtskräftig

Demgegenüber sind die erstinstanzlichen Urteile gegen den Erst- und den Zweitangeklagten rechtskräftig, denn die Staatsanwaltschaft nahm in diesen beiden Fällen von Rechtsmitteln Abstand, wie Behördensprecherin Bussek darlegte. Die beiden Männer bzw. ihre Verteidiger hatten bereits nach der Urteilsverkündung jeweils auf Rechtsmittel verzichtet.

Die Geschworenen hatten in der vergangenen Woche nach mehrstündiger Beratung die beiden Männer mit jeweils 6:2 Stimmen vom Vorwurf der Beteiligung am Mord als terroristischer Straftat freigesprochen. Dem 23-jährigen Erstangeklagten nahmen die Laienrichter mehrheitlich ab, dass er den Attentäter in Unkenntnis von dessen Terrorplänen in die Slowakei chauffiert und in ein Waffengeschäft begleitet hatte, wo dieser Munition für sein Sturmgewehr kaufen wollte. Der 23-Jährige wurde wegen Mitgliedschaft beim IS und Verbreitens von IS-Propaganda zu 24 Monaten Haft verurteilt, davon acht Monate unbedingt. Den unbedingten Strafteil hatte der Mann in der U-Haft verbüßt, aus der er schon vor längerer Zeit entlassen worden war.

Der 22-jährige Zweitangeklagte war demgegenüber seit 6. November 2020 bis zur Hauptverhandlung durchgehend in U-Haft gesessen, weil ihm vorgeworfen wurde, dem Attentäter am Tag des Anschlags bei der Vorbereitung geholfen und ihn dabei bestärkt zu haben, den Anschlag durchzuziehen. Davon wurde er am Ende von den Geschworenen mit 6:2 Stimmen freigesprochen. Für die Mitgliedschaft beim IS und das Verbreiten von IS-Propaganda erhielt der 22-Jährige ebenfalls 24 Monate, davon acht Monate unbedingt. Er befindet sich seit vergangenem Donnerstag, 1.30 Uhr früh, wieder auf freiem Fuß und will sich jetzt einen Job suchen und ein "neues Leben" beginnen, wie sein Verteidiger Manfred Arbacher-Stöger der APA versicherte.

Mutmaßlicher Waffenhändler auf freiem Fuß

Im Zusammenhang mit dem Terroranschlag von Wien hat Slowenien die Strafverfolgung eines mutmaßlichen slowenischen Waffenhändlers abgelehnt, der im Verdacht steht, dem Attentäter auf Vermittlung des in der Vorwoche – nicht rechtskräftig – zu lebenslanger Haft verurteilten Fünftangeklagten, Adam M., das beim Attentat verwendete Sturmgewehr und später die Munition nach Wien gebracht zu haben. Das teilte Behördensprecherin Nina Bussek mit.

Der Mann – er ist slowenischer Staatsbürger – wird verdächtigt, im Juni 2020 auf Betreiben von Adam M. das Sturmgewehr in einem roten Mazda von Slowenien in die Bundeshauptstadt geliefert zu haben. Der spätere Attentäter soll die Waffe in einer Tasche in der Nähe einer Shisha-Bar in Wien-Leopoldstadt entgegengenommen haben. Wenige Wochen vor dem Anschlag soll der Attentäter dann auch noch die Munition in einem Plastiksackerl bekommen haben, die der Slowene wiederum entgeltlich nach Wien gebracht haben soll. Bei beiden Verkäufen soll der Waffenhändler Marsel O. neben Adam M. dabei gewesen sein, hatte Letzterer nach seiner Festnahme im Ermittlungsverfahren angegeben.

Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigte am Montag der APA, dass gegen Marsel O. weiter ein Inlandsverfahren geführt wird – notgedrungen, wie Bussek erläuterte: "Wir haben Slowenien um die Übernahme der Strafverfolgung ersucht." Das sei abgelehnt worden. Auf die Frage nach dem Warum bemerkte Bussek: "Dazu können wir nichts sagen." Jedenfalls werde von der Wiener Anklagebehörde "der Sachverhalt ermittelt".

Ob diese Ermittlungen am Ende von Erfolg gekrönt sein werden, ist insofern fraglich, als sich Marsel O. auf freiem Fuß befindet, wie Bussek weiter erklärte: "Es gab nie einen Haftbefehl." Der Mann befinde sich folglich auch nicht in Haft. (APA, red, 6.2.2023)