Henry Rollins, "part animal, part machine", führt im Wiener Gartenbaukino und im Grazer Orpheum das Schwert des Wortes. Das wird hart, das wird lustig.

Foto: Heidi May

Dass die Botschaft des alten Hippies Neil Young ausgerechnet bei einem schwierigen Kind des Hardcore dermaßen verfängt, war nicht abzusehen. Aber wie kaum ein anderer lebt Henry Rollins nach dem Satz "It’s better to burn out than to fade away". Lieber in jedem Moment des Lebens 110 Prozent geben, als wie ein Geist zu verschwinden.

Im Moment gibt Rollins diese 110 Prozent auf einer großen Spoken-Word-Tour, die ihn am Donnerstag ins Wiener Gartenbau Kino führt, tags darauf entlädt er seine Geschichten vor dem Publikum des Grazer Orpheums.

Rollins ist eine lebende Legende der Popkultur. Das ist ein ausgelutschter Begriff, doch der Niederschlag seines Werks ist dermaßen breitgestreut, dass diese Zuschreibung stimmt: Er ist die Ausnahme von der Regel. Ein Arbeitstier, das sich selbst einmal als "part animal, part machine" beschrieben hat.

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Berühmt und berüchtigt wurde der am 13. Februar 1961 geborene US-Amerikaner als Sänger der Hardcore-Band Black Flag. Dort sorgte er als Full-Contact-Mann für Furor und Furore. Schon in den 1980ern begann er mit Spoken-Word-Auftritten, die ihren Stoff aus seiner Kindheit, Jugend und aus seinen Erlebnissen mit Black Flag bezogen haben. Nach dem Ende von Black Flag gründete er die Rollins-Band und erfuhr damit in einer dafür günstigen Zeit globale Anerkennung. Wenige hatten zu der Zeit eine Bühnenpräsenz wie Henry, der Muskelmann mit den vielen Tätowationen, ehrfürchtig "Hank, the Tank" gerufen. Henry, der Panzer.

Stethoskop um den Hals

Die Musik hat er weitgehend hinter sich gelassen, er tritt nur noch selten auf. Butter aufs Brot verdient der in Los Angeles Hauptgemeldete sich zudem als Schauspieler, Voice-over-Artist, Reisender, Autor, Radiomacher, und er kennt Gott und die Welt. Und darüber spricht er in seinen Spoken-Word-Shows. Seine Abende sind abenteuerlich zusammengesetzte Programme von dreckiger Eloquenz, zynischem Humanismus und irrwitzigem Spaß. Traurig kann er sein, wenn er tot ist, das Leben ist zu irre, um sich fertigmachen zu lassen.

Good To See You heißt die aktuelle Tour, auf dem Plakat sieht man Rollins im Ärztekittel mit einem Stethoskop um den Hals. Das lässt sich als Sinnbild für einen deuten, der genau hinhört, aber selten die naheliegenden Schlüsse zieht.

Wer so populär ist wie dieser ewige Einzelgänger, hat auch Kritiker. Diese werfen ihm vor, dass er zu allem und jedem eine Meinung hat und diese auch kundtut. Das stimmt, aber die Perspektive, die er dabei einnimmt, ist doch meist interessanter als die gängigen Standpunkte. Das Einzige, was er sich tatsächlich verbietet, ist die Milde.

Wobei er heutzutage nicht mehr ins Publikum jagt, um dort Störenfrieden eines auf die Nase zu geben wie früher. Heute ist alles sehr zivilisiert. Das Einzige, was wehtut, ist die Wahrheit. (Karl Fluch, 7.2.2023)