Außenminister Alexander Schallenberg (vorne) und der damalige Kanzler Sebastian Kurz (hinten) in Abu Dhabi. Dort ist nun Etienne Berchtold Botschafter, der Sprecher der beiden ÖVP-Politiker war.

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Der einstige Sprecher von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, Etienne Berchtold, wurde laut einem Gutachten der Gleichbehandlungskommission aus "parteipolitischen Gründen" zum Botschafter in Abu Dhabi ernannt, ein besser qualifizierter Kandidat war diskriminiert worden – diese Meldung des STANDARD schlug am Sonntag große Wellen in der österreichischen Politik. Nun meldet sich auch der Koalitionspartner der ÖVP zu Wort, und zwar deutlich: Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, sagt, dass "jegliche Form der Diskriminierung im öffentlichen Dienst auf das Schärfste abzulehnen" sei.

Ärger über Medien

"Das Außenministerium wäre somit im eigenen Interesse gut beraten, sofort die nötigen Konsequenzen im Sinne einer Abberufung des Botschafters zu ziehen", sagt Ernst-Dziedzic.

Das Außenministerium selbst erteilt der Forderung am Montag eine deutliche Absage: "Dafür gibt es überhaupt keinen Grund."

Außenminister Alexander Schallenberg, ebenfalls ÖVP-Mitglied und stets ein enger Kurz-Vertrauter, betonte am Sonntagabend in der ZiB 2, dass er dem Vorschlag der vierköpfigen Begutachtungskommission bei der Bestellung gefolgt sei: Diese habe Berchtold als Ersten gereiht. Bisher sei er immer allen Empfehlungen der Begutachtungskommission gefolgt – und so sei er auch in diesem Fall vorgegangen. Es habe eine klare Erstreihung gegeben, sagte Schallenberg: "Von einer parteipolitischen Besetzung ist hier überhaupt nicht die Rede." Berchtold war, als Schallenberg nach dem Rücktritt von Sebastian Kurz Ende 2021 Bundeskanzler wurde, auch dessen Sprecher.

Dem STANDARD liegt allerdings ein Dokument zur Besetzung der ständigen Begutachtungskommission im Außenministerium vor – und deren Vorsitzende Sigrid Berka war einst selbst Kollegin von Berchtold im Kabinett des damaligen Außenministers Sebastian Kurz. Zwei der drei weiteren ständigen Mitglieder sind Personalvertreter und bei der ÖVP-nahen Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG).

Welche der vier Mitglieder und sechs Ersatzmitglieder tatsächlich über Berchtolds Bewerbung entschieden haben, ist noch unklar. Die Personalie Berchtold wurde anschließend allerdings einstimmig im Ministerrat angenommen, ernannt wurde er von Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Die Bestellung von Etienne Berchtold haben mittlerweile sämtliche Oppositionsparteien kritisiert, während die ÖVP zum Rundumschlag ausholte.

Kanzlersprecher Daniel Kosak kritisierte etwa, dass ORF.at die Meldung über das Gutachten der Gleichbehandlungskommission prominent platziert hatte, jene über die künftige Finanzierung des ORF aber nicht. Auch das Team Kurz rückte auf Twitter aus: Der Altkanzler persönlich sprach davon, dass Berchtold drei Studien absolviert habe, fünf Sprachen spreche und mehr als neun Jahre internationale Erfahrung besitze – laut Gutachten der Gleichbehandlungskommission handle es sich aber um vier Studien und drei Sprachen. Fast jeder Vertraute und jede Vertraute des einstigen Kanzlerteams äußerte sich in sozialen Medien.

Fünf Minuten reichen

Die frühere ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner meinte: "Jeder, der sich einmal fünf Minuten mit Berchtold unterhalten hat, weiß, dass seine Qualifikation und Kompetenz unbestritten ist."

Wobei Berchtolds Fähigkeiten ohnehin auch quer durch politische Lager kaum angezweifelt wurden. Laut Gleichbehandlungskommission habe es aber einen anderen Kandidaten mit mehr Erfahrung und besseren Qualifikationen gegeben, der wegen Beratungstätigkeiten für die damalige Außenministerin Karin Kneissl dem blauen Lager zugerechnet werde. Angesiedelt ist die Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt, über weltanschauliche Diskriminierung entscheidet ihr Senat II. (Fabian Schmid, Giuli Fink, 6.2.2023)