Als gebe es in der Ukraine wegen des Krieges nicht schon genug Probleme, erschüttern nun auch mehrere Korruptionsaffären das Land. Und eine wirft ausgerechnet auf das Verteidigungsministerium ein schlechtes Licht. Lebensmittel für Soldaten sollen zu deutlich überhöhten Preisen eingekauft worden sein.

Unter Verteidigungsminister Oleksij Resnikow fand Korruption in dessen Ressort statt – er selbst weist jede Involvierung von sich, wird aber dennoch gehen müssen.
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Die Aufdeckung der Machenschaften kommt zu einem Zeitpunkt, an dem die Ukraine ihre Verbündeten um weitere Waffen bittet und nach außen hin vor allem eines versucht: das Bild eines verlässlichen Partners für den Westen – vor allem aber auch für die Europäische Union, deren Vollmitglied sie so rasch wie möglich werden will – abzugeben. Dem Verteidigungsministerium kommt in dieser spezifischen Lage naturgemäß eine ganz besondere Bedeutung zu.

Schon seit Tagen wurde vermutet, dass es deshalb zu einer Neubesetzung kommen könnte, ja müsste; und dass Verteidigungsminister Oleksij Resnikow, der die Vorwürfe von sich weist, in das Justizministerium oder in das Ministerium für strategische Industrien wechseln könnte. Am Montag hieß es dann: Ein Ministerwechsel könnte bevorstehen – aber nicht sofort. Kurz vor der für die kommenden Tage befürchteten russischen Großoffensive sei das Risiko zu groß, argumentieren Beobachter.

Ungelöste Personalprobleme

Als Resnikows möglicher Nachfolger wird der 37-jährige Militärgeheimdienstchef Kyrylo Budanow gehandelt, der in den vergangenen Jahren an mehreren Sabotageaktionen in von Russland besetzten Teilen des Donbass und auf der Krim beteiligt gewesen sein soll. Doch damit sind die Personalprobleme nicht wirklich gelöst, denn Kiew steht dann vor einer weiteren Herausforderung: Die Frage, wer als Militärgeheimdienstchef auf Budanow folgen könnte, bleibt offen.

"Die Richtung stimmt", sagen jedenfalls Aktivistinnen und Aktivisten, wenn sie zum Kampf gegen die Korruption befragt werden. Immerhin hat Präsident Wolodymyr Selenskyj bereits eine ganze Reihe hochrangiger Staatsbediensteter kurzerhand ausgewechselt – trotz der Sorge, sich vorrangig um den Krieg kümmern zu müssen.

Für die "richtige Richtung" spricht auch, dass die jüngsten Korruptionsskandale allesamt von ukrainischen Medien selbst aufgedeckt wurden. Unabhängige Journalistinnen und Journalisten wie der Aufdecker Jurij Nikolow können also erwiesenermaßen auch in Kriegszeiten ihre wertvolle Arbeit verrichten – selbst wenn die Vorwürfe mancher, es handle sich dabei um russische Manipulation und Propaganda, nie lange auf sich warten lassen.

Die Bevölkerung hat genug

Zur "Financial Times" sagte Nikolow kürzlich, dass er vor allem von einer Lesergruppe viel Zuspruch und Dank erhalten habe: von den Soldaten in den Schützengräben. Das ist viel wert und sagt viel über die Reife der Gesellschaft aus.

In der Zivilbevölkerung schwindet in Sachen Korruptionsbekämpfung nicht nur die Geduld jener, die bereits 2013 und 2014 an den Maidan-Protesten teilnahmen und seither dafür eintreten, dass die Ukraine die notwendigen Reformen in Richtung EU unternimmt: Auch die vielen Bürger und Bürgerinnen, die seit Kriegsbeginn teils aus eigener Tasche für die Armee und die Geflohenen spenden, haben für Tricksereien und Bereicherung kein Verständnis mehr. Völlig zu Recht, so hart das Leben in der Ukraine zurzeit auch sein mag. Oder gerade deswegen.

Die Hoffnung bleibt, dass der Krieg zumindest in dieser Hinsicht eine Chance für das Land bedeutet. (Daniela Prugger, 7.2.2023)