Der Wiener Verein "Bündnis Kinderschutz" hatte den möglichen Missbrauch eines Dreijährigen öffentlich gemacht. Die Kinderschutzzentren fordern nun Qualitätskriterien für professionellen Kinderschutz.

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Keine zwei Wochen ist es her, dass die Regierung ein großes Maßnahmenpaket zum besseren Schutz von Kindern in Österreich präsentierte – schon wird das Land von neuen Missbrauchsverdachtsfällen erschüttert: Dieses Mal betrifft es eine Vorarlberger Kinderbetreuungseinrichtung im Skiort Lech. Ein Mitarbeiter soll dort einen dreijährigen Buben aus Wien während des Skiurlaubs im Jänner schwer sexuell missbraucht haben. Dieser hatte, zurück in Wien, den Eltern und in der Folge einer beigezogenen Psychotherapeutin von den Übergriffen erzählt. Der Vater erstattete am 25. Jänner Anzeige.

Zu diesem Verdachtsfall kamen nun neue Vorwürfe und Details ans Licht. Offenbar dürfte es sich nicht um einen Einzelfall handeln, wie der Wiener Verein "Bündnis Kinderschutz", an den sich auch der Vater des Dreijährigen wandte, mitteilte: Laut Verein hätten diesem zwei Familien, eine aus Australien, eine aus der Schweiz, ebenfalls vom veränderten Verhalten der Kinder, die im gleichen Kurs waren, berichtet. Diese hätten plötzlich nicht mehr in den Skikurs gehen wollen, sich "festgeklammert" und "fürchterlich geweint", wie Vereinsobmann Roberto D’Atri sagte.

Polizei gibt keine Auskunft

Diese zwei Fälle waren der Vorarlberger Landespolizeidirektion zumindest bis Sonntag nicht bekannt. Man wisse nichts von weiteren Verdachtsfällen, hieß es. Auf erneute STANDARD-Nachfrage wollte diese nun generell keine Auskünfte mehr geben. Was feststeht: Die Ermittlungen gegen den sich seit Ende Jänner nicht mehr im Dienst befindlichen Betreuer laufen. Laut APA-Informationen soll der "Mittzwanziger aus dem westlichen EU-Ausland" bereits einvernommen worden sein. Offen sei jedoch, ob sich der Tatverdächtige derzeit noch in Vorarlberg aufhält.

Und ein weiteres Detail sickerte am Montag durch: Laut dem Bündnis Kinderschutz dürfte eine Mitarbeiterin der Lecher Skischule die Tat mitbekommen haben. Der Verein verweist dabei auf Aussagen des Dreijährigen selbst, die er bei der Psychotherapeutin zu Protokoll gab. Die Mitarbeiterin soll demnach den Tatverdächtigen erwischt und mit ihm gestritten haben. Den Jungen soll sie nach dem Übergriff gebadet haben. Die Frau selbst sei nur wenige Tage später abgereist, obwohl deren Arbeitsvertrag noch bis April gedauert hätte, sagt der Vereinsobmann, der den Behörden unterstellt, zu langsam und "zu schlampig" gearbeitet und nicht umgehend alle Familien kontaktiert zu haben.

Kinderschutzzentren mit Kritik am Verein

Kritik am Bündnis Kinderschutz kam indes am Montagabend vom Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren, der sich "klar von den Aktivitäten des Vereins distanziert": Skandalisierung helfe betroffenen Kindern nicht weiter, sagte die Vorsitzende Petra Birchbauer in einer schriftlichen Mitteilung. Es brauche klare "Qualitätskriterien für Organisationen, die sich als Kinderschutzeinrichtungen bezeichnen oder im Namen des Kinderschutzes agieren". Beim Bündnis Kinderschutz sei das nicht der Fall.

Auf STANDARD-Anfrage war die betroffene Einrichtung in Lech am Montag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Kinderbetreuungsstätte hatte sich am Sonntag "schockiert" über den Verdachtsfall hinsichtlich des Wiener Buben gezeigt. "Wir arbeiten seit der ersten Minute intensiv mit der Polizei zusammen, damit eine rasche und umfassende Aufklärung möglich ist", teilte die Leiterin mit. Man habe stets Verantwortungsbewusstsein und Vorsicht walten lassen und mit einem eigenen "Raumkonzept" zum Schutz der Kinder Vorsorge getroffen. Dem hatte der nun selbst in der Kritik stehende Verein Bündnis Kinderschutz vehement widersprochen. (etom, 6.2.2023)