Masken, Abstand halten, regelmäßiges Desinfizieren, die Ausdünnung von Personaltransporten: All dies führte aufseiten der Bauunternehmer zu Mehrkosten.

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Die indirekten Auswirkungen der Pandemie auf den Bausektor sind weiter zu spüren. Bauen ist so teuer wie nie, Materialengpässe und der Personalmangel belasten die Branche, und auch die steigenden Zinsen machen sich langsam in den Auftragsbüchern bemerkbar. Dennoch ist der Bausektor wirtschaftlich erstaunlich erfolgreich durch die letzten Jahre gekommen.

Das ist keine Selbstverständlichkeit: Als die Corona-Krise im Frühjahr 2020 über Österreichs Baustellen hereinbrach, war die Verunsicherung bei Auftraggebern und Bauunternehmen groß. Nach anfänglichen vollständigen Baustopps konnte die Arbeit zwar bald wieder aufgenommen werden, doch die Corona-Verordnungen der Bundesregierung und ein im Eiltempo erarbeiteter Maßnahmenkatalog der Sozialpartner erforderte auch am Bau plötzlich das Tragen von Masken, Abstandhalten, regelmäßiges Desinfizieren, die Ausdünnung von Personaltransporten und mehr.

Streit um (mehr) Geld

Auseinandersetzungen über unerwartete Mehrkosten prägen seit vielen Jahren größere Bau- und Infrastrukturprojekte. Teil des Problems sind knappe Budgets auf Auftraggeberseite und großer Wettbewerbsdruck ("Billigstbieter") bei der Angebotskalkulation aufseiten der Baufirmen. Kommt es dann zu unerwarteten Änderungen oder Problemen auf der Baustelle, ist der Streit vorprogrammiert.

Es überraschte daher nicht, dass Corona-bedingte Mehrkosten schnell in den Fokus rechtlicher Auseinandersetzungen zwischen Bauherrn und Bauunternehmen gerückt sind. Auch wenn bei vielen Projekten außergerichtliche "partnerschaftliche" Lösungen gefunden werden konnten, wurde schon lange auf eine Leitentscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) zu pandemiebedingten Mehrkostenforderungen von Bauunternehmen gewartet.

Mehrkosten können grundsätzlich zustehen

In der am 31.01.2023 veröffentlichten Entscheidung des OGH (OGH 21.12.2022, 6Ob136/22a) musste das Höchstgericht erstmals zu Mehrkosten von Bauunternehmen aus der Corona-Pandemie Stellung nehmen: Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung war die Behauptung eines Bauunternehmens, dass es bei der Arbeit an einer Kärntner Brücke im Jahr 2020 durch die pandemiebedingten Maßnahmen (Tragen von Schutzmasken und dadurch verursachter Leistungsabfall der Arbeiter, laufendes Desinfizieren, Stehzeiten etc.) zu "erheblichen Kosten und Produktivitätsminderungen" gekommen sei. Geltend gemacht wurden rund 30.000 Euro.

Beide Parteien waren sich im Anlassfall angesichts der Vertragslage (typischer ÖNORM-B-2110-Vertrag) grundsätzlich einig, dass die beim Vertragsabschluss nicht vorhersehbaren und nicht abwendbaren Folgen der Pandemie die Auftraggeberin treffen. Ob das aber auch für andere Vertragstypen immer so gilt, ließ der OGH ausdrücklich offen, ist aber zu bezweifeln.

Eine Frage des Beweises

Die beklagte Auftraggeberin wendete die Unschlüssigkeit der Mehrkostenforderung ein, weil keine baustellenspezifischen konkreten Nachweise über die angefallenen Aufwendungen vorgelegt wurden. Das klagende Bauunternehmen stütze sich bei der Berechnung der Forderung nämlich im Wesentlichen auf abstrakte prozentuelle Zuschläge zur ursprünglichen Angebotskalkulation, die aus einem für die Wirtschaftskammer erstellten (nicht auf die konkrete Baustelle bezogenen) bauwirtschaftlichen Sachverständigengutachten abgeleitet wurden. Dreh- und Angelpunkt war damit die Frage, ob die Mehrkosten damit für einen Zuspruch vom klagenden Bauunternehmen ausreichend nachgewiesen wurden.

Der OGH hielt die Mehrkosten im Ergebnis für nicht ausreichend unter Beweis gestellt und sprach dem Bauunternehmen keinen zusätzlichen Werklohn zu. Für die erfolgreiche Geltendmachung von Mehrkostenforderungen ist laut Höchstgericht die Behauptung und der Beweis ganz konkret entstandener Mehrkosten erforderlich. Das Bauunternehmen müsse den Mehraufwand im Detail nachweisen. Ein Zuschlag anhand einer in einem Gutachten vorgenommenen abstrakten Kalkulation sei unzureichend.

Bedeutung weit über Corona hinaus

Die Bedeutung der Entscheidung wird weit über den spezifischen Anlassfall hinausgehen, da sich der OGH erstmals mit der bislang unter Juristen umstrittenen Frage auseinandersetzt, wie detailliert und konkret Bauunternehmen bauwirtschaftliche Mehrkostenforderungen ("MKF", "Nachträge", oder "Claims") vor Gericht beweisen müssen.

Die Aussagen des Urteils lassen sich auch jenseits von Corona generell auf gerichtliche Auseinandersetzungen über unerwartete Mehraufwendungen auf Baustellen übertragen. Um vor Gericht eine Chance zu haben, müssen bauausführende Unternehmen zukünftig noch mehr darauf achten, bereits auf der Baustelle eine möglichst detaillierte Dokumentation der Gründe von Mehrkosten vorzunehmen. Darauf aufbauend müssen die ganz konkreten monetären Auswirkungen nachvollziehbar dargelegt und bewiesen werden.

Keine Klärung der Materialpreissteigerungen

Zur aktuell höchst umstrittenen Frage der eklatanten Materialpreissteigerungen und deren Kostentragung enthält das OGH-Erkenntnis keine Aussagen. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis sich das Höchstgericht auch damit auseinandersetzen wird. (Lukas Andrieu, 7.2.2023)