Wie in mehreren europäischen Ländern wäre auch in Österreich ein Deckel möglich, bis zu welcher Höhe die Inflation angepasst wird.

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Die Regierung arbeitet daran, bei der Indexierung der Mieten einzugreifen – das lässt sich jedenfalls aus den kryptischen Worten von ÖVP-Konsumentenschutzsprecher Peter Weidinger in der jüngsten "Im Zentrum"-Diskussionsrunde im ORF schließen. Details hat er nicht ausgeplaudert, tags darauf hat aber auch Grünen-Wohnbausprecherin Nina Tomaselli selbiges berichtet. Was könnte das sein?

Deckel: Wie in mehreren europäischen Ländern wäre ein Deckel möglich, bis zu welcher Höhe die Inflation angepasst wird. In der Schweiz darf die Erhöhung nur 40 Prozent der Inflationsrate ausmachen, einige andere Länder haben einen fixen Prozentsatz eingeführt, etwa Spanien und Portugal bei zwei Prozent, Frankreich bei 3,5 Prozent, Dänemark bei vier Prozent, dort aber vorerst befristet bis 2024.

Die Arbeiterkammer fordert für Österreich einen Zwei-Prozent-Deckel, "so lange, bis es eine große Mietrechtsreform gibt", sagte Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunalpolitik und Wohnen der AK Wien, am Dienstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Mietervereinigung (MVÖ).

So ein Deckel wäre eine echte Milderung der Inflation für Mieterinnen und Mieter, denn der Anteil der Inflationsrate, der über diesem Deckel liegt, würde dann einfach entfallen und auch später nicht mehr verrechnet werden. Ein Deckel von zwei Prozent würde den österreichischen Mieterinnen und Mietern heuer beispielsweise eine Linderung um mehr als drei Viertel bescheren, denn laut derzeit gültigem Gesetz müsste die Erhöhung im April 8,6 Prozent betragen. Zu so einer Deckelung ist es in den bisher fast 30 Jahren, die es das Richtwertsystem schon gibt, noch nie gekommen; mehrmals wurde zwar schon politisch eingegriffen, dabei wurden aber stets nur die Parameter verändert oder die Anhebung um ein Jahr verschoben und dann zur Gänze nachgeholt.

Längerer Betrachtungszeitraum: Grundsätzlich sieht das Gesetz derzeit eine Anpassung der Richtwerte alle zwei Jahre vor, im Ausmaß der Inflationsraten der vorangegangenen beiden Jahre. Die werden grob gesagt einfach zusammengezählt (in Wahrheit ist es etwas komplizierter). 2019 machte diese Inflationsanpassung beispielsweise 4,2 Prozent aus, das ergab sich aus den Jahresinflationsraten der Jahre 2017 (2,1 Prozent) und 2018 (2,0 Prozent). 2021 wurde die Anpassung auf 2022 verschoben, im April 2022 betrug sie dann 5,85 Prozent – diese Quote ergab sich aus den Jahresinflationsraten der Jahre 2019 (1,5 Prozent), 2020 (1,4 Prozent) und 2021 (2,8 Prozent).

Denkbar wäre hier eine Glättung in der Form, dass es bei den Richtwerten zwar wieder zu einer jährlichen Anpassung kommt (wie sie bis 2009 üblich war, erst mit der Wohnrechtsnovelle 2009 wurde auf einen Zwei-Jahres-Rhythmus umgestellt), für die Berechnung aber ein Durchschnitt über mehrere Jahre herangezogen wird. Es könnte also jedes Jahr in Höhe der durchschnittlichen Jahresinflationsrate der vergangenen drei Jahre angepasst werden. 2022 hätte die Erhöhung dann 1,9 Prozent ausgemacht, heuer stünde eine Anhebung um 4,23 Prozent bevor. Nachteil dieser Regelung wäre, dass bei sinkender Tendenz der Inflationsrate auch der Rückgang nur zeitverzögert wirksam würde.

Anderer Index oder Orientierung an Zinsniveau: Bisher war nur der Verbraucherpreisindex ausschlaggebend, an ihm orientierte sich bisher sowohl bei den Kategoriebeträgen als auch bei den Richtwerten die regelmäßige Inflationsanpassung. Denkbar wäre aber auch ein eigener Index, wobei es aus Sicht der Mieterinnen und Mieter aber jedenfalls nicht der Baukostenindex sein sollte, denn dieser legte zuletzt noch stärker zu als der VPI.

Oliver Picek, Ökonom beim Momentum-Institut, brachte kürzlich den Tariflohnindex aufs Tapet, der die Entwicklung von Mindestlöhnen und -gehältern aufzeigt. Das sei zwar nicht der ideale Lohnindex, "aber das ist die beste Schätzung der Lohnentwicklung, die wir haben", sagte Picek im STANDARD.

Eine Möglichkeit wäre aber auch, die Mietanpassungen an den Leitzins zu koppeln. Das schlug etwa die SPÖ bereits vor – mit einem zusätzlichen Deckel von zwei Prozent pro Jahr.

Ganz andere Lösung: In Schweden verhandeln Mieterschutzorganisationen und Vermieterverbände jedes Jahr die erlaubte Inflationsabgeltung aus, ganz ähnlich wie bei den Lohnverhandlungen in Österreich. In den Niederlanden gilt seit kurzem, dass sich die Mieten nur um einen Prozentpunkt stärker erhöhen dürfen, als die durchschnittliche Lohnerhöhung im Vorjahr ausfiel.

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr schlug kürzlich im STANDARD vor, nur bei unbefristeten Mietverträgen die (volle) Inflationsabgeltung zuzulassen, nicht aber bei befristeten. "Als erwünschter Nebeneffekt könnte dadurch der unbefristete Mietvertrag wieder an Attraktivität gewinnen."

AK, MVÖ verlangen nach Mitsprache

Vorschläge gäbe es also genug. Vonseiten der Arbeiterkammer und der Mietervereinigung wurde am Dienstag bekräftigt, dass man bei dem Thema die Expertise habe und doch bitte mit ins Boot geholt werden sollte. "Wir wissen, an welchen Schrauben man drehen könnte", sagte die Wiener MVÖ-Vorsitzende Elke Hanel-Torsch. (Martin Putschögl, 7.2.2023)