Bewertungen können für betroffene Unternehmen unangenehm sein – vor allem dann, wenn sie gar nicht stimmen.

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Nahezu täglich sind wir mit kleineren und größeren Entscheidungen konfrontiert. Sei es hinsichtlich des Restaurants für das Abendessen, der nächsten Schule für die Kinder oder des nächsten Arzttermins. Während man sich früher allein mit Bekannten über deren Erfahrungswerte ausgetauscht hat, werden heute vermehrt Bewertungsportale zusätzlich zur Entscheidungsfindung hinzugezogen, die immer größere Beliebtheit und eine enorme Breitenwirkung genießen. So beeinflussen sie mittlerweile die Meinungsbildung am Markt wesentlich und können sich auf den Wettbewerb sowohl positiv als auch – bei schlechter Kritik – negativ auswirken.

Doch nicht nur in der Entscheidungsfindung spielen Bewertungsportale eine wichtige Rolle. Sie bieten den Nutzern eine Plattform, um ihre Erfahrungen – oft auch anonym oder unter einem Pseudonym – zu teilen. Die Möglichkeit anonymer Bewertungen birgt jedoch die Gefahr von Missbrauch und Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Personen bzw. Unternehmen. Zudem erschwert die Anonymität bei Rechtsverletzungen, direkt gegen die Portalnutzer vorgehen zu können, weswegen Betroffene die Unterstützung der Bewertungsportale benötigen, um ihre Rechte zu schützen. Das dadurch entstandene Spannungsverhältnis zwischen der Meinungs- und Informationsfreiheit einerseits und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte andererseits sowie auch die damit verbundenen datenschutzrechtlichen Aspekte werfen zahlreiche rechtliche Fragen auf, insbesondere zur Wahrung der Transparenz und zum Umfang der Überwachungs- bzw. Prüfpflicht von Bewertungsportalen.

Anonyme Bewertungen zulässig

Mit derartigen Fragen hatten sich die Gerichte in Österreich bereits näher befasst: In der Entscheidung über die App Lernsieg, die auch in der breiteren Öffentlichkeit einige Aufmerksamkeit bekommen hat, ging es um die Zulässigkeit einer Lehrer-App für die Bewertung von Schulen und Lehrern durch Nutzer, die sich mit ihrer Mobiltelefonnummer auf der Bewertungsplattform registrieren mussten. Der Oberste Gerichtshof (OGH) kam nach umfangreicher Würdigung aller involvierten datenschutz- und persönlichkeitsrechtlicher Argumente zu dem Ergebnis, dass die Lehrer-App rechtlich nicht zu beanstanden sei. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Interessen der bewerteten Lehrer nicht höher wiegen als das Interesse der Gesamtheit der App-Nutzer daran, die Unterrichtstätigkeit der beurteilten Lehrer zu bewerten. Zwar müsse kein Lehrer die Bewertung von Personen, die keine persönliche Erfahrung mit ihm gemacht haben, hinnehmen, jedoch sei diese Missbrauchsgefahr bei der Lehrer-App nicht derart groß, dass deshalb die Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit sämtlicher App-Nutzer gerechtfertigt ist (OGH 2.2.2022, 6 Ob 129/21w).

Zum gleichen Ergebnis kam das österreichische Höchstgericht auch in Bezug auf das Ärztebewertungsportal Docfinder, auf dem Nutzer Ärzte in einem Verzeichnis auffinden sowie in verschiedenen Kategorien nach einem Punktesystem durch Vergabe von null bis fünf Punkten bewerten und Erfahrungsberichte schreiben können. Auch in diesem Fall erkannte der OGH ein ganz erhebliches Interesse der Öffentlichkeit an den im Portal angebotenen Informationen über die bewerteten Ärzte, welche geeignet sind, zu mehr Leistungstransparenz im Gesundheitswesen beizutragen. Dabei betonte das Gericht, dass das Persönlichkeitsrecht kein Recht vermittelt, in der Öffentlichkeit so dargestellt zu werden, wie es dem eigenen Selbstbild und der beabsichtigten öffentlichen Wirkung entspricht. Die Grenzen solcher Bewertungsportale sind allerdings dort erreicht, wo die Bewertung für kreditschädigende oder beleidigende Aussagen über einen Arzt missbraucht wird. Denn an der Verbreitung von Beleidigungen, unwahren rufschädigenden Tatsachenbehauptungen oder von Wertungsexzessen besteht kein von der Meinungsäußerungsfreiheit gedecktes Interesse (OGH 29.8.2022, 6 Ob 198/21t).

Fehlender Kundenkontakt schadet

In den beiden Entscheidungen konnte sich der OGH auf die bereits umfangreiche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Deutschland zu Bewertungsportalen stützen und schloss sich dieser an. Im Fokus der Gerichte in Deutschland stand dabei zuletzt die Thematik, ob Bewertungen auch dann hinzunehmen sind, wenn der Bewertete bestreitet, dass der Kunde bei ihm war. Dies führte im aktuellen Fall zu der Frage, ob ein Hotelbewertungsportal prüfen muss, ob die Bewertung eines Hotelbesuchs durch einen Kunden erfolgte, der auch tatsächlich Gast dieses Hotels war.

Aus Sicht des deutschen Höchstgerichts reicht grundsätzlich bereits eine Rüge des Bewerteten aus, um Prüfpflichten des Bewertungsportals auszulösen. Dies gilt umso mehr, wenn der Bewertung keinerlei Anhaltspunkte entnommen werden können, aus welchen das Hotel erschließen könnte, ob es sich überhaupt um einen realen Gästekontakt handelt. Nur dann, wenn sich die Identität des Bewertenden für den Bewerteten ohne weiteres aus der Bewertung selbst ergibt, bedarf es für die Behauptung des fehlenden Gästekontakts einer näheren Begründung.

Wenn das Hotel also bestreitet, dass der Verfasser einer Bewertung Gast war, muss das Bewertungsportal vom Verfasser der Bewertung Nachweise über den Hotelbesuch (dies könnte zum Beispiel die Hotelrechnung oder ein identifizierendes Foto sein) einholen. Bleibt eine solche Aufforderung ohne Nachweise oder gar unbeantwortet, kann davon ausgegangen werden, dass die bewertete Leistung nicht beansprucht wurde. Da in solchen Fällen kein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung einer falschen Bewertung besteht, ist diese vom Betreiber des Bewertungsportals letztlich zu löschen (BGH 9.8.2022, Vl ZR 1244/20).

Neue EU-Regeln zu Rankings

Die zunehmende Bedeutung von Bewertungsportalen und deren Konfliktpotenzial hat auch der europäische Gesetzgeber erkannt und sich des Themas "Rankings" in seinen letzten Gesetzesakten angenommen. Durch den am 16.11.2022 in Kraft getretenen und ab 16.2.2024 in der gesamten EU unmittelbar anwendbaren Digital Service Act werden (auch) Betreiber von Bewertungsportalen zwar nicht zur allgemeinen Überwachung oder proaktiven Nachforschung von rechtswidrigen (ruf- oder kreditschädigenden) Inhalten verpflichtet. Der Digital Service Act legt aber auch für Bewertungsportale besondere Sorgfalts- und Haftungsanforderungen fest, welche sie unter anderem zur Einrichtung von Melde- und Abhilfeverfahren verpflichtet, über die Betroffene vermeintlich rechtswidrige Inhalte melden können. Der Meldung ist eine hinreichende Begründung über den Grund der Rechtswidrigkeit beizugeben. Die Entscheidung des Portalbetreibers über das Begehren eines Betroffenen, eine als unzutreffend oder sonst rechtswidrig gemeldete Bewertung zu löschen, muss begründet werden.

Daneben wurden die nationalen Verbraucherrechte in den Unionsmitgliedsstaaten durch die sogenannte Omnibus-Richtlinie modernisiert und an das digitale Zeitalter angepasst. Die Mitgliedsstaaten hatten bis Mai 2022 unter anderem gesetzliche Schutzmaßnahmen zu setzen, die Online-Marktplätze (nicht jedoch reine Bewertungsportale) verpflichten, Verbraucher transparent über das Zustandekommen ihrer Rankings sowie über ihre Maßnahmen zur Verhinderung von Fake-Reviews zu informieren. Eine Prüfpflicht über die inhaltliche Richtigkeit einer Bewertung trifft Unternehmen jedoch nicht. In Österreich wurde diese Richtlinie durch das Modernisierungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (MoRUG), welches zu Änderungen im Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz führte, und das Modernisierungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz II (MoRUG II), welches das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) novellierte, umgesetzt. Beide Umsetzungsmaßnahmen sollen zu einer noch größeren Transparenz von Bewertungsportalen führen. (Georg Kresbach, 8.2.2023)