Wo die höchsten Gehälter gezahlt werden.

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Knapp 100.000 Software-Entwickler würden aktuell alleine im deutschsprachigen Raum fehlen, der Bedarf an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sei aber in ganz Europa nach wie vor groß, sagt Rudi Bauer, Chef der Plattform We Are Developers. Ob künstliche Intelligenz (KI) oder Internet of Things, im Haushalt oder im Auto – überall hat Software Einzug gehalten. Das alles schreibe sich nicht von selbst. Viele neue Geschäftsbereiche entstehen gerade, daher sei auch der Bedarf an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit diesen Skills hoch.

Das zeigt auch der Spezialistenindex des Personaldienstleisters Hays deutlich. Im Vergleich zu 2021 sind im Vorjahr die offenen Jobs im Bereich IT insgesamt um rund zwölf Prozent gestiegen. Um 43 Prozent sind die Stellenausschreibungen verglichen mit 2021 für Entwickler Embedded Systems gestiegen, 37 Prozent machte der Anstieg bei IT-Security-Spezialisten aus, 19 Prozent mehr offene Stellen gab es für Mitarbeiter im IT-Support. Für diesen Index wertet der Personaldienstleister die Stellenanzeigen der meistfrequentierten Online-Jobbörsen, von Tageszeitungen sowie dem Businessnetzwerk Xing aus. Trotz Rückgängen bei bestimmten Skills bleibt die Nachfrage nach Fachkräften generell stabil, lautet das Fazit von Hays.

Nachfrage bleibt hoch

Auch Rudi Bauer erwartet sich keinen Rückgang bei der Nachfrage im Developer-Bereich. Die Kündigungswelle bei den großen US-amerikanischen Tech-Firmen sieht er gelassen. "Das kann für den europäischen Arbeitsmarkt auch ein Vorteil sein, weil damit Ressourcen frei werden, die wir in Europa dringend benötigen", ergänzt er. Viele Themen – gerade bei den Tech-Riesen im Silicon Valley – schwächen mit der Zeit ab, das sei ein natürlicher Verlauf, und dann würden die Experten für bestimmte Aufgaben einfach nicht mehr gebraucht. Der Mitarbeiterabbau führe auch nicht dazu, dass die Nachfrage nach weiteren Fachkräften zum Erliegen komme. Möglicherweise werde sich die Kurve in Europa etwas abflachen, aber eine ähnliche Entwicklung wie in den USA sehe er für Europa nicht.

Rudi Bauer ist seit 2020 Geschäftsführer von We Are Developers.
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Durch diesen hohen Bedarf an neuen Fachkräften habe sich die Art und Weise, wie neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefunden werden, geändert. Die Zeiten, in denen HR-Abteilungen auf Jobanzeigen einen Stapel an Bewerbungen erhalten haben, sind laut Bauer vorbei. "Um offene Stellen besetzen zu können, müssen Leute angesprochen werden, die bereits einen Job haben", ergänzt er. Und dafür müssen sich Unternehmen anders vermarkten und vor allem ihre Zielgruppe genau verstehen. "Diese Verhaltensänderung bei der Mitarbeitersuche ist aktuell in vielen Wirtschaftsbereichen bemerkbar, bei Developern ist das aber schon die Normalität."

Im Vorjahr habe die Plattform We Are Developers auch eine Umfrage unter Mitgliedern gemacht, um die Gründe für einen Arbeitgeberwechsel zu erheben. Und: Langeweile ist das stärkste Motive bei einem Arbeitgeberwechsel. Da gehe es viel um Eigenverantwortung, wenn es die nicht gebe, sind Developer auch wieder weg. "Wir suchen Expertinnen und Experten, lassen sie durch viele Assessment-Center laufen, und dann bevormunden wir sie – so kann das nicht funktionieren", sagt Bauer. Das sei eine Frage des Managements.

Agiles Arbeitsumfeld ist Must-have

Als Entwickler sei man agiles Arbeiten gewöhnt, wenn in Unternehmen noch immer die Arbeitszeit nine to five und nicht die erbrachte Leistung im Vordergrund stehe, sei das aber schwierig. Er selbst habe beispielsweise, als er noch in der Software-Entwicklung tätig war, von 22 Uhr bis zwei Uhr in der Früh am konzentriertesten gearbeitet.

Dabei gehe es stark um Vertrauen, Eigenverantwortung und Freiräume, denn viele Dinge können remote gemacht werden, die Uhrzeit spiele keine Rolle. Agiles Arbeiten brauche aber auch eine funktionierende Fehlerkultur. "Der Entwicklungsbereich ist eine unheimlich coole operative Arbeitswelt. Durch KI ändert sich gerade sehr viel", sagt Bauer und geht davon aus, dass in diesem Bereich der KI-Kollege schon sehr bald Realität sein werde.

Keine Frage des Gehalts

Developer arbeiten sehr kollaborativ, haben eine große Bereitschaft, Wissen miteinander zu teilen, über Open Source tun sie das auch. "Wenn Unternehmen ihren Developern diesen Zugang ermöglichen, dann können sie davon auch profitieren", ist er überzeugt. Und diese Einstellung der Developer zeige sich auch darin, wie sie Wissen erwerben. "Developer lernen über Foren und Blogeinträge. Viele Developer sind Quereinsteiger, die sich ihr Know-how autodidaktisch beigebracht haben." Lebenslanges Lernen sei für Developer essenziell, sie sind es gewöhnt, sich ständig mit neuen Dingen zu beschäftigen.

Wenn Unternehmen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein solches Arbeitsumfeld ermöglichen, dann verliere auch die Bezahlung an Stellenwert. "Developer sind nicht erpresserisch." Zwar sind Developer nach wie vor gut bezahlt, aber auch als Mechatroniker bekommt man ein hohes Gehalt. Angebot und Nachfrage bestimmen auch hier die Höhe. "Wenn aber das Umfeld nicht passt, dann muss wenigstens das Gehalt stimmen." Generell hätten sich aber die Gehälter eingependelt, auch weil das Silicon Valley mit seinen hohen Lebenshaltungskosten nicht mehr ausschließlich als Parameter herangezogen werde. (red)