Im Gastblog plädiert Andrea Navarro-Quezada für eine strukturelle Änderung des Wissenschaftsbetriebs, um Chancengleichheit für Frauen zu schaffen. 

Am 20. Dezember 2013 erkannte die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) die Wichtigkeit eines uneingeschränkten Zugangs zu Wissenschaft, Technologie und Innovation für Frauen und Mädchen jeden Alters, um die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle von Frauen und Mädchen zu erreichen. Seitdem wird am 11. Februar jedes Jahres der Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft zelebriert.

Wozu einen Tag für Frauen und Mädchen in der Wissenschaft?

Die Idee dahinter ist, darauf aufmerksam zu machen, dass trotz mehrerer Maßnahmen Frauen in der Wissenschaft immer noch weit unterrepräsentiert sind. Obwohl sie circa 30 Prozent aller Forschenden ausmachen, sind nur 12 Prozent der Mitglieder der nationalen Wissenschaftsakademien Frauen. Außerdem erhalten Frauen weniger Forschungsgelder und Anerkennung als ihre männlichen Kollegen. Somit geht ein wesentlicher Teil an Forschungspotenzial verloren.

Der Frauenanteil unter den Studierenden der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) liegt bei circa 25 Prozent. Dieser Prozentsatz verändert sich kaum bis zum Doktoratsstudium und einer anschließenden Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin, was zeigt, dass viele der Frauen, die ein MINT-Fach studieren, auch eine wissenschaftliche Karriere verfolgen. Der große Verlust der weiblichen Talente geschieht aber ab dem Zeitpunkt, an dem eine Laufbahnstelle angeboten werden sollte, die zur Habilitierung und einer Professur führen sollte. In Österreich sind nur zirka 16 Prozent der eine Professur innehabenden Personen weiblich und in der Europäischen Union sind es nur 21 Prozent.

Mädchen lernen Forschen in der Langen Nacht der Forschung (JKU 2022).
Andreas Röbl.

Der Matilda-Effekt

Ein Mädchen wird im Physik-Unterricht und später im Studium höchstwahrscheinlich nur von den großen Entdeckungen von Männern hören, die das Fachgebiet weitergebracht haben. Ich nehme hier als Physikerin die Physik als Beispiel. Es könnte aber genauso ein anderes MINT-Fach sein. Es ist aber nicht so, dass nur Männer etwas beigetragen haben. Es gibt genug Wissenschafterinnen, deren Beiträge zur Weiterentwicklung des Fachgebiets entscheidend waren.

Der Grund, wieso die Frauen in der Physik nicht dieselbe Anerkennung erhalten wie Männer, liegt am so genannten Matilda-Effekt, der von Margaret W. Rossier folgendermaßen erklärt wurde: der Beitrag von Frauen wurde lange von der Gesellschaft und näheren Kollegen – Mentoren, Betreuern, und Verwandten – verschwiegen, die manchmal den ganzen Ruhm für gemeinsame Werke geerntet haben. Frauen wurden somit über Jahre daran gehindert, im Vordergrund zu stehen.

Gute Beispiele dafür sind Wissenschafterinnen wie Mileva Maric, die gemeinsam mit ihrem Mann Albert Einstein den Photoelektrischen Effekt beschrieben hat. Aber nur Einstein hat dafür den Nobel Preis verliehen bekommen. Oder Jocelyn Bell, Entdeckerin der Pulsare, dessen Betreuer Antony Hewisch ebenfalls den Nobel Preis für ihre Entdeckung erhielt. Aber auch Lise Meitner, die große Beiträge im Bereich der Strahlenphysik geliefert hat, wurde über Jahren von ihren männlichen Kollegen in den Hintergrund gedrängt.

Gleichstellung in der Wissenschaft

Es ist nicht einfach, die Geschichte der großen Entdeckungen von einem Tag auf den anderen zu ändern, wo es auch noch sehr wenig Quellen mit den Beiträgen der großen Forscherinnen gibt. Es sollte aber für alle Lehrerenden möglich sein, die Narrative zu ändern und diesen öfters vergessenen Wissenschafterinnen einen Platz in ihren Vorlesungen und im Unterricht einzuräumen.

In Österreich gibt es zwar Programme, die Mädchen eine Karriere in der Wissenschaft und Technik näher bringen sollen, wie das Frauen in die Technik (FIT) oder das Girl’s Day, dennoch wird der Einstieg und die Entwicklung einer erfolgreichen wissenschaftlichen Karriere von Frauen immer noch durch strukturelle und gesellschaftliche Barrieren verhindert. Es ist dringend notwendig, das richtige Umfeld zu schaffen, in dem Frauen ihr Potenzial entfalten können, um so Mädchen dazu motivieren zu können, führende Wissenschafterinnen der Zukunft zu werden. 

Denn Fortschritt ist ohne Wissenschaft nicht möglich, und die Wissenschaft braucht die besten Köpfe – sowohl Frauen als auch Männer. (Andrea Navarro-Quezada, 11.2.2023)

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